Fenster zum Schlauch
Ausgesuchte Materialien, wenige Farbklekse, Open Space: Apartment in Montreal.
Wer wohnt schon gern in einer dunklen Erdgeschosswohnung? Niemand. Es sei denn, man kennt Anne Sophie Goneau. In Montreal hat die kanadische Architektin eine ungünstig geschnittene Wohnung umgebaut und kombiniert dort nicht nur kontrastierende Materialien mit wenigen eingestreuten Farbklecksen und geradlinigen Möbeln. Das Apartment fällt zudem auf durch ein extrem offenes Raumkonzept, bei dem zwar Privatheit geopfert, dafür aber umso mehr Licht gewonnen wird.
Bereits an der Eingangssituation der ebenerdig gelegenen Ladenwohnung lässt sich das Konzept der Architektin ablesen: Offenheit. Einem Schaufenster gleich öffnet sich das Erdgeschoss über beinahe die gesamte Fassade. Links daneben befindet sich der ebenfalls gläserne Eingang zur Wohnung, die sich in einem dreigeschossigen Gebäude befindet.
Im Zentrum: die Küche
Das 120 Quadratmeter große Apartment erstreckt sich über die ganze Tiefe des Hauses, weshalb der vordere Teil der Wohnung lediglich vom Schaufenster und der Eingangstür mit natürlichem Licht versorgt wird. Über einen Windfang mit praktischen Einbauschränken gelangt man in den offenen Küchenraum, dem Zentrum des Hauses. Vor einer freigelegten Ziegelstein-Wand präsentiert sich ein Riegel schwarzer Küchenmöbel samt Arbeitsbereich mit Spülbecken sowie Stauraum schaffenden Hochschränken. Parallel dazu sind ein in Weiß gehaltener Küchenblock sowie ein ebenfalls weißer Esstisch mit Barhockern (aus der Steelwood-Serie von den Bouroullecs für Magis) angeordnet. Sie stehen auf einem matt-hellgrauen Fußboden aus Epoxydharz, in dem sich eine Fußbodenheizung versteckt.
Man fällt in dieser Wohnung sozusagen mit der Eingangstür in die Küche, und auch das Wohnzimmer ist nichts für Paranoiker mit Angst vor fremden Blicken. Denn sitzt man auf dem mit waldgrünem Samt bezogenen Sofa, sieht man die Autos hinter dem Schaufenster vorbeirauschen. Die gemütliche Sitzgelegenheit samt Vintage-Stühlen wird hinterfangen von einem raumhohen, weißen Bücherregal. Dahinter schließt sich das Schlafzimmer an, das zur Küche lediglich mit einer Glaswand abgegrenzt wird. Da es im Schlafzimmer mit einem Fenster eine direkte Licht- und Luftquelle gibt, steckt hinter dieser ungewöhnlichen Lösung wohl eine andere Idee der Architektin: Sie vermeidet so, dass die Küche wirkt wie ein dunkler Schlauch – und verzichtet dafür auf die Intimität eines Schlafzimmers.
Versteckt: das Badezimmer
Der hintere Teil der Wohnung birgt das Badezimmer, das über einen schmalen, langen Flur erschlossen wird. Ein schönes Detail ist hier das Material der Wand, die aus Hemlock-Tanne gefertigt ist. Die warme Ausstrahlung des Holzes wird im Badezimmer kontrastiert von weiß-grau geädertem Marmor und kühlem Edelstahl. Aus Edelstahl gefertigt ist das entlang der Wand verlaufende, rechtwinklige Element, das Waschbecken und Ablagefläche in einem ist. Es liegt elegant und direkt auf der Badewanne auf, die mit einer Marmorverkleidung versehen ist. Das Badezimmer – das über mehrere, milchig verhangene Lichtquellen verfügt – ist räumlich zweigeteilt: In einem Bereich befindet sich die Badewanne und das Ablageelement mit dem Waschbecken. In einer weiteren Zone sind WC und Regendusche untergebracht. Diese Zweiteilung wird insbesondere an der Farbgebung deutlich. Während die Badewannen-Waschbecken-Zone ganz in Weiß gehalten ist, hüllt sich der hinter einer Glaswand angelegte Dusch- und WC- Bereich ganz in Grau.
Die Wohnung in Montreal mag keinen idealen Grundriss haben, sie liegt im Erdgeschoss und ist recht dunkel. Doch Anne Sophie Goneau hat gute Ideen und keine Angst vor ungewöhnlichen Raumlösungen. Das große Schaufenster zur Straße hin und auch das Schlafzimmer, das von der Küche lediglich durch eine Glaswand abgetrennt wird, mögen zwar nichts für jedermann sein. Doch der Architektin gelingt mit diesen architektonischen Eingriffen, Licht bis in die Tiefe des Raumes zu bringen. Zusammengehalten wird das ungewöhnliche Interior durch einen Farbdreiklang von Weiß-Schwarz-Grau, der gelegentlich durchbrochen wird von Farbklecksen wie dem waldgrünen Sofa.
FOTOGRAFIE Adrien Williams
Adrien Williams
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