Fine Dining unterm Backsteinhimmel: Das Fucina in London
Irgendwo zwischen Werkstatt und exklusiver Küche: von Andy Martin gestaltetes Restaurant.

Dieser Italiener serviert einzig Bio. Traditionelle Herstellung und ausgewählte Lebensmittel aus originaler Herkunft sind im Fucina höchster Anspruch – der sich letztlich auch im Interieur widerspiegeln soll. Entworfen hat es der australische Architekt und Wahllondoner Andy Martin.
In der Regel sind italienische Restaurants eher für ein schlichtes Interieur und die rüde Herzlichkeit ihrer Hausherren bekannt. Mit dem Fucina in London kehrt frischer Wind in die Welt von Pasta, Pizza und Büffelmozzarella ein. Von karierten Tischdecken und Michelangelo-Nachahmungen keine Spur. Und doch lebt hier die urige Betriebsamkeit fort, wie man sie beim Italiener kennt. Das Format stimmt: Immerhin zählt das im vergangenen Herbst eröffnete Fucina 110 Plätze – die meisten davon im Erdgeschoss und ein paar direkt vor der Küche im Untergeschoss.
Zuflucht aus dem Treiben der Stadt
Mit der Gestaltung wurde der in London beheimatete Australier Andy Martin beauftragt, der in den vergangenen Jahren bereits mehrere erstklassige Restaurants an der Themse, aber auch in Hongkong, Miami, Casablanca und Griechenland eingerichtet hat. Ziel des Projekts sei es gewesen, einen Zufluchtsort „inmitten des typisch Londoner Umfeldes“ zu kreieren, erklärt Andy Martin. Selbstverständlich mit dem Anliegen, das Programm des Restaurants widerzuspiegeln: einem Angebot biologisch hergestellter und ehrlich zubereiteter Produkte.
Erstklassige Zutaten, traditionelles Handwerk
„Zugrunde liegendes Motiv ist die Verwendung erstklassiger Rohmaterialien, die sorgfältig saisonal ausgewählt und dann gekonnt in Kunstwerke verwandelt werden, in einer Weise, wie nur talentierte Köche es vermögen“, beschreibt der Betreiber Kurt Zdesar sein Konzept. Für den Restaurateur ist das Fucina im Stadtteil Marylebone bereits das fünfte Gastronomiegeschäft in London. Im Namen spiegelt sich der handwerkliche Anspruch von Zdesar. Der nämlich bedeutet übersetzt „Schmiedeofen“. Wobei auf Italienisch auch jene Öfen so bezeichnet werden, an denen man kochen kann.
Mit dem Interieur erzeugt der Architekt ebenjenes Bild, das sich irgendwo zwischen Werkstatt und exklusiver Küche bewegt. Eindrucksvoll ist der Blick nach oben, wo sich ein Himmel aus Backstein in den Raum hineinwölbt. Dafür wurden Dekorziegel auf organisch geformten Trägerplatten aus Holz aufgebracht, die später zum Ganzen an die Decke montiert wurden. An einer Wand und am Boden im Kellergeschoss wiederholt sich das Ziegelmotiv nochmals, während sich der Rest der Einrichtung hingegen weniger rustikal zeigt. Am Fußboden im Erdgeschoss liegen handgebeizte Eichenholzdielen, die von mehreren Ovalen aus Marmor-Terrazzo aufgelockert werden – einer Reminiszenz an Carlos Scarpas Olivetti-Bau in Venedig.
Sehenswertes Schauspiel
Neben Wandflächen aus schwarzem Stahl erzeugen vor allem die Fensterflächen des Restaurants einen starken Eindruck. Teile der stahlgerahmten, deckenhohen Glasfassade sind mit handgefertigtem, grün gefärbtem Strukturglas bestückt. Der Blick nach drinnen wie nach draußen wird dadurch immer wieder gebrochen. Man lässt sich schließlich nicht gerne vom Gehweg aus auf den Teller gucken. Neben mailändischem Rind isst man im Fucina außerdem Pizza aus dem Holzofen – den man sich genau wie den flammenden Grill im Untergeschoss ansehen kann: Hinter Glas wird die Küche für die unten platzierten Gäste zum regelrechten Schauspiel. Logenplatz ist der Chef's Table. Hier, wo alles köchelt und brodelt, bestehen passenderweise auch die Wände aus gehämmertem, schwarzem Stahl, der geradezu blubbernd wirkt.
Maßgeschneiderte Möblierung
Die Möblierung des Restaurants hat Andy Martin größtenteils selbst entworfen. Maßgeschneiderte Bänke mit grünem Polster umlaufen den großen Gastraum oder schaffen kleine Inseln. Demgegenüber stehen geflochtene Sessel, deren Beine aus bearbeiteten Ästen hergestellt wurden. Genau wie die Beine der wenigen langen Tafeln, die noch gröber und verzweigter belassen worden sind. „Diese Elemente verbinden uns mit der Quelle, dem Ursprung, der uns diese Dining-Erfahrung genießen lässt“, erklärt der Architekt. Eichenholz erweist sich dabei für Tische wie für Stühle als geeignetes Basismaterial. Zentraler Blickfang des Fucina ist die riesige Theke aus grau-weißem Grigio-Altissimo-Marmor, die man in dem Zusammenhang als Erdung verstehen darf.
Dass zum Lieblingsitaliener Kerzenschein gehört, weiß auch Andy Martin. Er setzt ihn vom Tisch an die Wand – und beweist damit bis ins letzte Detail, dass Tradition manchmal unkonventionell aussehen muss, um erfolgreich fortbestehen zu können.
FOTOGRAFIE Nick Rochowski
Nick Rochowski
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