Frankfurts kleine Fische
Das neue Lokal Maxie Eisen in Frankfurt.

Maxie Eisen, ein Chicagoer Gangster mit deutsch-jüdischen Wurzeln und guten Verbindungen zum berüchtigten Al Capone, hätte sicherlich seine Freude am Frankfurter Bahnhofsviertel gehabt: Die Mischung aus gesellschaftlichen Extremen mit Neigung zum Illegalen erinnert durchaus an den Geist New Yorks anno 1920, also an die Zeit, in der Eisen als Mafioso Teile des lokalen Lebensmittelgeschäfts kontrollierte. Ein nach ihm benanntes Restaurant mit Bar versucht nun, die Traditionen amerikanisch-jüdischer Küche mit dem legendären Rotlichtviertel in Einklang zu bringen.
Das Bahnhofsviertel der Bankenmetropole befindet sich im Wandel – und der perfekte Ort, diese Entwicklung nachzuvollziehen, ist das frisch eröffnete Lokal Maxie Eisen. Einstmals eine klassische Trinkstube mit Bier und Schnaps im Angebot, nun neudeutsch Buvette inklusive Pastrami-Sandwiches: Das Publikum im Maxie Eisen hat wenig mit der unmittelbaren städtischen Realität und den Anwohnern gemein, die außen an den großen Schaufenstern vorbeiziehen. Dabei hätte das Spannungsfeld aus Rotlicht-Etablissements und einer geschichtsreichen Küche durchaus mehr als nur eine schöne Geschichte ergeben können.
Verspielte Gegensätze
Das Spiel mit den Stilen und Gegensätzen muss man schon fast als kunstvoll beschreiben: Von den Betreibern über das kulinarische Konzept bis hin zur Innenraumgestaltung, das Maxie Eisen ist eine eigene kleine Welt, wie sie sich gefällt. Der Berliner Architekt Etienne Descloux übernahm die Gestaltung des Lokals und schuf einen zweigeteilten Komplex: die nebeneinander liegende Buvette und Bar haben separate Eingänge, sind aber über eine verspiegelte Schiebetür verbunden und können je nach Bedarf zusammengeschaltet werden. Beide Räume treten als Gegenpole zueinander auf: Der Essraum hell und offen, die anliegende Bar dunkel und nach innen gekehrt.
Raumgeometrie
Die Form des Sechsecks ist komplementäres Bindeglied im Maxie Eisen: Im Restaurant bestimmt sie den Grundriss, in der Bar den Tresenkörper. In der Buvette ist das geometrische Element allerdings kaum wahrnehmbar, da die Blicke entweder von einer Fototapete des Berliner Künstlerkollektivs Bless in die Ferne einer mediterranen Landschaft gezogen werden oder hungrig in Richtung der offenen Küche wandern. Im räumlichen Widerpart dagegen spielt das Sechseck die gestalterische Hauptrolle: Die im Zentrum platzierte, rot-bronzene Bar zieht die Aufmerksamkeit ganz auf sich und hat den wunderbaren Effekt, das jeder jedem gegenüber sitzt. Abgedunkelte Scheiben und ein dunkelpurpurner Anstrich sorgen für zusätzliche Intimität und den introvertierten Charakter eines Hinterzimmers alter Schule: Die Möglichkeit, Maxie Eisen und Al Capone könnten am Nebentisch sitzen, erscheint nicht mehr abwegig.
Garantiert gangsterfrei
Auch das Mobiliar spielt mit Gegensätzen und vermengt munter Stilrichtungen: Im Restaurant sitzt man auf einer bunten Auswahl von Standard-Stühlen und an Guéridon-Tischen Jean Prouvés von Vitra, die unter den strohhutartigen PET-Leuchten des spanischen Designers Alvaro Catalán stehen. Die Deckenleuchten aus recycelten Plastikflaschen sind das einzig wiederkehrende Element im Maxie Eisen und tauchen im Gastraum und über dem Tresen auf. In der Bar gelingt das Zusammenspiel der Objekte besser: Die eleganten Ilmari-Tapiovaara-Hocker von Artek am Tresen, dazu Cité-Sessel von Prouvé an den Wänden und Leuchten von Charlotte Perriand schaffen einen Ort, der sich von der Außenwelt abzuwenden scheint, und damit in guter Tradition des Bahnhofsviertels steht. Dennoch klafft am Ende eine Lücke zwischen der Verpackung und seinem Inhalt: Die Maxie Eisens Frankfurts findet man wohl eher in der Dönerbude nebenan.
FOTOGRAFIE Steve Herud
Steve Herud
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