Gebrannter Dreiklang
Dieses Restaurant in Barcelona holt alles raus aus dem mediterranen Materialklassiker Ton.
Keramik gehört zum mediterranen Leben wie Olivenöl oder frischer Fisch. Welche stilistische Bandbreite und räumliche Tiefenwirkung gebrannte Tonfliesen entfalten können, zeigt das Restaurant Disfrutar in Barcelona. Der Entwurf des vom deutschen Architekten Oliver Franz Schmidt gegründeten Büros El Equipo Creativo gleicht einer begehbaren Arabeske.
In Barcelona hat man schon einige Übung in der Verflechtung von Gastronomie und Design. Ein Gestalter, der früh dabei war, ist der vor Ort lebende deutsche Architekt Oliver Franz Schmidt. 2003 begann sich der gebürtige Rheinland-Pfälzer auf die Schauplätze kulinarischer Genüsse zu spezialisieren. Seitdem kooperiert er nicht nur mit Alícia, einem von Starkoch Ferran Adrià sowie dem Kardiologen Valentín Fuster geleiteten Forschungszentrum zum Thema Ernährung. 2010 gründete er das Büro El Equipo Creativo in Barcelona, das sich mit dem Interieur für Albert und Ferran Adriàs 2011 eröffneten Tapas-Restaurant 41° Snackeria einen stadtbekannten Namen machte.
Sein neues Projekt in der katalanischen Metropole steht ganz im Zeichen mediterraner Materialität: Keramik. Das Restaurant Disfrutar (zu deutsch: genießen) entführt auf eine Entdeckungsreise durch drei verschiedene Räume und Stimmungswelten – verbunden durch die warme, atmosphärische Wirkung lasierter und unbehandelter Tonziegel. Anders als in gewöhnlichen Küchen- oder Badezimmern erobern die quadratischen Elemente nicht nur Wand und Boden. Mithilfe freistehender Metallgerüste durchdringen sie den gesamten Raum und überlagern sich zu einer Art begehbarer Arabeske. Das ist einerseits der schachbrettartig versetzten Anordnung opaker Fliesen zu verdanken. Andererseits kommen zahlreiche perforierte Tonelemente zum Einsatz, deren runde, eckige oder stark ornamentale Aussparungen sich gegenseitig überblenden.
Hauch von Disko
Das Ergebnis ist ein kontinuierliches Spiel aus Verbergen und Offenbaren. Oberflächen vollziehen keine klaren, räumlichen Trennungen, sondern öffnen changierende wie unerwartete Blickverbindungen. Die Behandlung der Fliesen deutet zugleich die räumliche Funktion an: In der Bar im Eingangsbereich dominieren vollflächige, farbige Fliesen. Wenn die Besucher im Anschluss die Küche durchqueren, sind Wände und Decke mit naturbelassenen Terrakotta-Elementen verkleidet. Trotz der raumgreifenden Addition von Fliesen mit runden und quadratischen Aussparungen erscheint die Küche keineswegs als übergroßer Römertopf. Im Gegenteil: Das Herzstück des Restaurants lässt Reminiszenzen an Verner Pantons poppige Wohnwelten ebenso mit anklingen wie einen Hauch von 70er-Jahre-Disko.
Die Stimmung wandelt sich beim Betreten des eigentlichen Restaurantbereichs, der an einen Sonnenlicht-durchfluteten Patio anschließt. Die warme Tonalität des unbehandelten Terrakotta weicht einem durchgehend weiß gehaltenen Ambiente, das dem quirligen Treiben der Stadt entzogen scheint. In die Wände eingelassene Nischen werden rückseitig beleuchtet und verleihen dem Raum Tiefe und Struktur. Lediglich an der Wand zur Küche durchbrechen (mit Ausnahme von Pflanzen) einige terrakottafarbene Ziegel die neutrale Farbigkeit.
Die perforierten Oberflächen der Ziegel erfüllen hier noch eine weitere Aufgabe: Sie schlagen den gestalterischen Bogen zum Muster der geflochtenen Stühle, auf denen die Gäste an filigranen Holztischen Platz nehmen. Objekt und Raum treten so in Gleichklang, während das Blau des Himmels durch farbig beleuchte Oberlichter bis in die Abendstunden hinein verlängert wird. Schließlich verhält es sich mit Räumen ebenso wie mit Speisen: Auch das Auge will verführt werden.
FOTOGRAFIE Adrià Goula
Adrià Goula
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