Projekte

Im Inneren des Kaleidoskops

von Myrta Köhler, 05.08.2011


Wer hat nicht als Kind fasziniert dem Spiel der bunten Glasplättchen zugesehen, die sich zu immer neuen Mustern fügen? Und wer hat sich nicht gewünscht, diesem Zauber auf den Grund gehen zu können? Im finnischen Turku besteht nun die Möglichkeit dazu: Colourscape ist Teil des vielfältigen Programms, mit dem die Kulturhauptstadt des Jahres 2011 ihre Besucher empfängt. Die Künstler Peter Jones und Lynne Dickens erwiesen sich als wahre Alchemisten des Lichts – und laden ein zu einer einzigartigen Erfahrung. Worin besteht ihr Zauber?


Turku liegt auf dem 60. Breitengrad: Im Winter wagt sich die Sonne kaum hervor, sommers ist es dafür umso länger hell – Tageslicht ist in dieser nördlichen Region stets ein Thema. Unerlässlich aber ist es für die Installation Colourscape. Dieses Kunstwerk erschließt seinen Zauber erst auf den zweiten Blick: Was von außen wie ein Teppich aus überdimensionierten Plastikkugeln wirkt, schillert im Inneren in allen Farben des Regenbogens. Wie ist das möglich?

Tageslicht für Special FX

Für diese Verwandlung ist nicht mehr vonnöten als Sonne – und ein wenig Folie. Aus eigens angefertigtem, feuerfestem PVC schufen die Künstler 96 kugelförmige Kammern mit einem Durchmesser von je vier Metern. Diese werden durch Schläuche miteinander verbunden und bilden so ein begehbares Labyrinth.

Die einzelnen Kammern bestehen aus Folie unterschiedlicher Farbe: Gelb, Rot, Grün, Blau oder Grau. Jede dieser Kammer hat eine ganz eigene Lichtqualität: Gelbe Folie beispielsweise soll möglichst unmittelbar die natürliche Wärme des Sonnenlichts einfangen. Eine komplexere Farbgestaltung liegt den übrigen Kammern zugrunde: Zwischen den Primärfarben – Grün, Rot und Blau – finden sich in regelmäßigen Abständen auch graue Kugeln. In diesen sogenannten „mixing chambers“ verschmelzen die Farben der benachbarten Räume durch den Einfall von Tageslicht zu neuen Farbtönen, Rot und Blau beispielsweise werden zu intensivem Purpur. Stärke und Farbe des Materials sind eigens darauf abgestimmt das Tageslicht zu filtern und in neue Schattierungen zu verwandeln – und jede Farbe hat ihre eigene Magie. Verändert sich die Qualität des Lichts oder der Stand der Sonne, ändert sich auch die Farblandschaft – das Resultat ist ein atemberaubendes Kaleidoskop.

Ein farbenfroher Hauch von Nichts

Dieses Kaleidoskop erhebt sich im Kupittaa Park inmitten der Stadt – und zwar jeden Tag aufs Neue. Eine zwölfköpfige Crew ist dafür zuständig, die windanfälligen Strukturen mit Metallpflöcken im Boden zu verankern und aufzublasen. Allabendlich wird die Luft wieder ausgelassen und die Folie eingerollt. Das geschieht aus Sicherheitsgründen: Zu groß ist das Risiko, dass die Struktur bei einem Sturm Schaden nimmt. Bei kritischer Wetterlage wird Colourscape daher nicht in Betrieb genommen.
 
Luft und Licht – sie bilden den Stoff, aus dem Kunstwerke sind. Unter dem Namen Cwmni Colourscape („Cwmni” ist das walisische Wort für „Company”) haben Peter Jones und Lynne Dickens bereits eine Vielzahl ähnlicher Strukturen produziert, viele ihrer Zelte und Windskulpturen sind in England und bei internationalen Festivals zu sehen. Die Colourscape-Ausführung, welche in diesem Sommer in Turku aufgestellt wurde, ist jedoch bisher die größte zusammenhängende Struktur.

Ein Satz bunte Ohren

„Auf welchem Trip waren die Künstler wohl?“ könnten sich Besucher angesichts des Überflusses an Farben fragen. Psychedelisch mag das Gebilde durchaus erscheinen. Aber Colourscape ist mehr als nur Farbe – es ist auch ein Veranstaltungsort. An zentraler Stelle befindet sich ein „Bühnenraum“, der sich durch schlanke Säulen und eine erhöhte Decke gegen die umliegenden Kammern absetzt. Für das Programm gingen Cwmni Colourscape eine Kooperation mit Eye Music Trust ein: Der Veranstalter aus England ist auf audiovisuelle Erfahrungen spezialisiert und will dem Publikum zeitgenössische Musik in einem besonderen Ambiente näher bringen. In Colourscape sind die Zuhörer nicht ortsgebunden, sie können umhergehen, ohne das akustische Erlebnis zu schmälern: Verborgene Lautsprecher tragen die Klänge auch in die hintersten Winkel des Labyrinths.

Labyrinth oder Total-Installation?

Neben dem Genuss der Aufführungen haben Besucher im Rahmen von Workshops die Möglichkeit, selbst mit Farbe und Musik zu experimentieren. Die Skulptur wird so zu einem Spektakel, welches Kunsterlebnis und Naturschauspiel vereint. Durch die Bewegung im Raum verändern die Besucher ihre Eindrücke, Farben gehen immer neue komplexe Beziehungen ein, mit jedem Schritt öffnet sich ein weiteres Spektrum. Der Raum selbst wird zum Erlebnis – in ihm verschwimmen die Sparten von Performance, Bühnenbild, und Malerei. Licht, Raum und Klang verbinden sich zu einem Rausch an Sinneseindrücken. Was könnte faszinierender sein als ein Spaziergang durch dieses Kaleidoskop?
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Links

Eye Music Trust

www.eyemusic.org.uk

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