Käsekuchen unterm Mistelzweig
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In der gläsernen Vitrine reiht sich ein süßes Kuchen-Kunstwerk an das nächste. Aber vergeblich sucht der Gast Schwarzwälder-Kirsch-Torte, Frankfurter Kranz oder Herrentorte. Denn im Café Princess Cheesecake gibt es ausschließlich Käsekuchen zu probieren – in unzähligen, zuweilen unerwarteten und immer kunstvollen Varianten.
Schlendert man durch Berlin-Mitte, begegnen sie einem auf Schritt und Tritt: schicke Einrichtungsläden, trendige Modeboutiquen und hippe Cafés. Doch während manches mehr Schein als Sein ist, gibt es in der Tucholskystraße 37 ein kulinarisches Kleinod zu entdecken: Princess Cheesecake.
Allumfassend: die Idee
Allen Unkenrufen zum Trotz handelt es sich nicht um etwas Amerikanisches, nicht um einen weiteren, wie auch immer gearteten Cupcake-, Cookie- oder Brownie-Trend. Denn Conny Suhr, Inhaberin des Cafés und PR-Managerin im Hauptberuf, hatte von Beginn an eine ganz klare Vorstellung von ihrem Käsekuchenladen. Die Geschichte beginnt im Jahr 2006, als sie den Namen Princess Cheesecake als Marke eintragen lässt. Fünf Jahre sollte es dann noch dauern bis zur Eröffnung des Cafés am 11.11.2011. Davor mussten Behördengänge erledigt, Innen- und Grafikdesigner gesucht und ein Ort sowie die richtigen Zulieferer gefunden werden. Diesem Aufwand ist es zu verdanken, dass sich Conny Suhrs genaue Vorstellung in allem widerspiegelt: vom Interieur, über die Kuchen und dem Grafikdesign bis hin zum Umgang mit den Mitarbeitern.
Nachhaltigkeit: das Konzept
Nachhaltigkeit ist das Thema, an dem sich Conny Suhr orientiert. In der für die Gäste einsehbaren Backstube kommen ausschließlich frische Zutaten aus der Region und saisonale Produkte wie Erdbeeren oder Kirschen zum Einsatz. Alle Produkte sind biologisch und ohne chemische Zusätze, Konservierungs- und Farbstoffe angebaut und hergestellt. Eier, Butter und Milch stammen von Bio-Bauern aus Brandenburg, und für die Konditoren des Princess Cheesecake ist beispielsweise Flüssig-Ei ein absolutes Tabu. Darüber gab es am Anfang Diskussionen mit den Konditoren, erzählt Conny Suhr. Aber letztendlich hat sie ihr Konzept – das einhergeht mit den Prinzipien der Slow-Food-Bewegung – durchgesetzt. Schließlich ergeben viele kleine Dinge doch ein großes Ganzes.
Süß und deftig: die Speisekarte
Das große Ganze sind im Princess Cheesecake köstliche Torten, Kuchen und Petits Fours, die allesamt etwas mit Quark, Frischkäse, Mascarpone oder Sahne zu tun haben. Neben dem guten deutschen Käsekuchen – über den bestimmt ein jeder seine ganz eigene Geschichte erzählen könnte – über den New York Cheesecake und den Russischen Zupfkuchen bis hin zu opulenten Torten mit frischen Mangos, Kokosnuss, Mount-Gay-Rum aus Barbados oder Champagner. Gibt es im Café vorerst nur Süßes zu probieren, sollen demnächst zum High Tea auch herzhafte Speisen wie Quiches, Petits Fours mit Lachs, Käse und Kaviar oder zubereiteter Quark auf Brot angeboten werden. Natürlich mit demselben kulinarischen Fokus wie bei den süßen Dingen, ergänzt um knusprige Brötchen, gebacken nach dem Geheimrezept von Bäcker Schröder aus Conny Suhrs sauerländischer Heimat.
Unaufdringlich: das Interieur
Es sind gerade diese vermeintlich nebensächlichen Dinge, die das Princess Cheesecake so sympathisch machen und auch die etwas höheren Preise rechtfertigen. Der fast quadratische Raum fasst neben dem Tresen mit den unter Glas ausgestellten Süßwaren nur zwölf Sitzplätze. Diese sind über Eck gruppiert, wo entlang der beige getünchten Wand eine rosa angehauchte Sitzbank mit in Berlin gefertigten Polstern angeordnet ist. Während die Möbeleinbauten von einer Berliner Schreinerei ausgeführt wurden, stammt das Gesamtkonzept von Sabine Kumrey und ihrem Hamburger Innendesignbüro b-k-i. Das Interieur wird beleuchtet von indirektem Licht, das aus den kreisrunden Aussparungen der abgehängten Decke strahlt. Vor den kleinen quadratischen Tischen stehen im Louis-Seize-Stil gehaltene Sessel, die dem Raum einen leicht altmodischen Touch verleihen, ohne jedoch wirklich altmodisch zu sein. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sowohl Gliederung und Einsatz der beweglichen Möbel und Einbauten sehr sparsam ist. Nichts wirkt überladen – die Torten und Kuchen sind die eigentlichen Stars. Auch wenn Conny Suhr durchaus einen Hang zum Spielerischen hat, wie der Mistelzweig an der Decke über dem Eingang zum Café beweist.
Einheitlich: das Verpackungsdesign
Das einheitliche Gestaltungskonzept rund um das Patisserie-Handwerk setzt sich auch in den Verpackungen fort. Grafikdesignerin Julia Miske hat nicht nur das Logo entworfen, auch die luxuriös anmutenden Tüten, Pralinenschachteln, To-Go-Pappbecher und Embleme, mit denen jedes Stück Kuchen versehen ist. Letztere bestehen mal aus weißer, mal aus Vollmilch- und mal aus dunkler Schokolade und sind mit dem Logo des Cafés bedruckt und passend zur jeweiligen Torte gestaltet – gern auch mal in rosarot. Die hohe Kunst der Patisserie wird hier großgeschrieben und die quirlige Inhaberin steht selbst gern am Küchentisch aus Edelstahl, mischt, probiert aus, verwirft und freut sich über neue, gelungene Kreationen. Jeden Tag entstehen zwölf davon in der Backstube.
Schlicht schön: die Tableware
Auch der Kaffee (Quijote) aus dem Direktimport ist passend zum Gesamtkonzept des Fair trade. Serviert wird er als Cappuccino, Latte Macchiato oder Milchkaffee in den formschönen, doppelwandigen Gläsern Pavinia von Bodum – ebenso wie Tee der Marke Samova. Sie passen schön zum Porzellan Service Anmut von Villeroy & Boch, das der deutsche Hersteller im Februar auf der ambiente mit dem neuen Dekor Bloom vorgestellt hat. Conny Suhr hat sich allerdings für die schlichte cremefarbige Variante entschieden, ganz nach dem Princess-Cheesecake-Claim: Make every day a lovely day.
FOTOGRAFIE Katy Otto
Katy Otto
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