Klangwolken über Berlin
Das Büro der Zukunft? Das hat vor kurzem in Berlin seine Arbeit aufgenommen: die neue Soundcloud-Zentrale.
Partner: planmöbel
Wie baut man ein Büro für Menschen, die ihren Job von jedem Ort der Welt aus erledigen können? Die virtuelle Community verlangt nach einer neuen Art von Arbeitsplätzen: Die Hauptrolle spielen nicht mehr allein Funktionalität und Repräsentation – Flexibilität, Identifikation und natürlich der Wohlfühlfaktor sind unter den entscheidenden Kriterien ganz weit nach vorn. Bestes Beispiel: das neue Hauptquartier von Soundcloud in Berlin.
Das neue Hauptquartier der Onlineplattform Soundcloud, die aktuell als wichtigster Knotenpunkt für den musikalischen Austausch im Internet gilt, nimmt drei Etagen und etwa 4.000 Quadratmeter eines alten Brauereigebäudes am Berliner Mauerstreifen ein. Mit der Gestaltung ihrer Firmenzentrale hat das Unternehmen das junge Berliner Büro Kinzo beauftragt: Die Architekten sollten Soundcloud eine räumliche Identität kreieren.
Oben geht’s rein
Im 2. Obergeschoss des Factory getauften Brauereigebäudes befinden sich der Empfang und die erste Etage der neuen Soundcloud-Zentrale. Kinzo ließ in diesem Bereich die Zwischendecke herausnehmen: ein Kunstgriff, der nicht nur eine direkte Verbindung zwischen den Etagen schafft – er macht aus dem Raum das Herzstück des Büros. Eine mäandernde Sitzlandschaft, die sich aus einem Tresen heraus entwickelt, zusätzlich eingefügte Stufen auf der großen Freitreppe und der oben liegende Kantinenbereich formen den Ort zu einer Art Stadtplatz: Hier können sich die Mitarbeiter privat oder zu Meetings treffen, Vorträgen lauschen oder sich, wie es jeden Freitag üblich ist, zu einer gemeinschaftlichen Besprechung zusammenfinden. Der Raum symbolisiert damit die Idee des Bauherren und auch der Architekten, Vielfalt zu ermöglichen, sie aber mit einer übergreifenden Identität zu verbinden. Dabei fügt Kinzos dynamische Formensprache, die sich durch sämtliche Einbauten und ihre Möbelentwürfe zieht, dem industriellen Charme der ehemaligen Fabrik einen spannenden Kontrast hinzu.
Kein Papier, keine Locher
Das bei Soundcloud einiges anders läuft, zeigt sich in der Raumorganisation genauso wie in kleinen Details: Neben Tischen, Stühlen und Monitoren gibt es keinerlei sichtbare Möbel in den offenen Arbeitsräumen; Papier oder Büroaccessoires scheinen nicht zu existieren. Jeder der 180 Berliner Mitarbeiter bekommt seinen eigenes Schließfach zugewiesen, um Privates zu verstauen – der Hauptteil der Arbeit bleibt virtuell. Wer braucht da schon einen Locher oder gar eine Ablage für Unterlagen?
Schnell und beweglich
Die großen Geschossflächen werden durch zentral platzierte Mini-Besprechungsräume unterteilt, die nach Bezirken der Städte benannt sind, in denen das Unternehmen Büros unterhält. Teamarbeit spielt bei der Onlineplattform eine übergeordnete Rolle: Projekte entstehen immer an Gruppenarbeitsplätzen. Die langen Tischeinheiten ruhen auf dem Gestell Unit, das Kinzo für den deutschen Büromöbelhersteller Planmöbel entwickelt hat. Fast überall können die Mitarbeiter über Screens auf Statusreporte zurückgreifen oder Präsentationen halten – und damit Bewegung am Arbeitsplatz nicht zu kurz kommt, werden einige der Gesprächsrunden im Stehen abgehalten.
Leise Möbel
Den roten Faden im Gestaltungskonzept bildet das Thema Akustik, das neben seiner funktionalen und arbeitsatmosphärischen Bedeutung auch als identitätsstiftendes Motiv eingesetzt wird: Schallschluckende Materialien werden auf die Kinzo-typische Art und Weise nicht nur klangoptimierenden genutzt, sie finden eine weiterführende, spielerische Verwendung – ob als Verkleidung von eigens für das Projekt entworfenen Hängeleuchten („Krautleuchte“) oder als abstrahiere „Soundwave“ und Lichtdiffusor unter den Decken der Gemeinschaftsflächen. Und auch bei der Verkleidung von Schränken und den Garderoben kamen Akustikschaumstoffe und Lochplatten zum Einsatz.
Sitzen bleiben!
Um das Wohlfühlbedürfnis der Mitarbeiter zu befriedigen und auch den ungewöhnlichen Arbeitszeiten eine angemessene Gestaltung entgegenzusetzen, schufen die Architekten in Zusammenarbeit mit den Soundcloud-Mitarbeitern Themenräume, die sich um die Büroräume herum gruppieren. Dabei wurden nicht „willkürlich irgendwelche Versatzstücke eingesetzt“, wie Karim El-Ishmawi von Kinzo versichert, sondern Bilder und Atmosphären mit einer eigene Sprache in die Realität übertragen: Neben dem Café gibt es eine kommunale Bibliothek, ein Schlafzimmer mit gemütlichen Kajüten, einen Werk- und einen Spielraum, innen liegende Gärten und den so genannten Classroom. Hier finden Videokonferenzen und wichtige, oft tagelang dauernde Besprechungen und Arbeitssitzungen statt. Die komplette Wand ist mit Whiteboardpaneelen getäfelt, die sich so bewegen lassen, dass sämtliche Fenster, und damit der Bezug zum Außenraum, ausgeblendet werden können: (Tages-)Zeit spielt bei Start-up-Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle. Dabei schafft es Kinzo auch hier wieder, der Funktion ihre inhaltliche Strenge zu nehmen. Die verspielte Formensprache, kombiniert mit wohnlichen Oberflächen wie gebürstetem Holz, erzeugt eine angenehme und anregende Atmosphäre.
Schlüssiges Gesamtkonzept
Mit dem Soundcloud-Hauptquartier bleibt sich Kinzo seinem ganzheitlichen Gestaltungsansatz treu und entwickelt aus einer heterogenen Nutzungsstruktur ein schlüssiges Gesamtkonzept, dass dem Berliner Start-up den passenden architektonischen Grundstock für seine zukünftige Entwicklung liefert.
FOTOGRAFIE Werner Huthmacher
Werner Huthmacher