Plissierte Teestube
Raum im Raum: raffinierter Teesalon des Prager Architekturbüros Studio Pha.
Was passiert, wenn Zen-Kultur, Op-Art und Faltenröcke in einen Mixer geworfen werden, ist derzeit in Prag zu bewundern. Die Dilmah T Lounge ist mehr als ein gewöhnlicher Teesalon. Unter der Regie des Prager Architekturbüros Studio Pha entstand ein raffinierter Raum, der auf Entdeckungsreise führt.
Einen Broadway gibt es nicht nur in New York. Auch in Prag ist eine Ladenpassage nach der 25 Kilometer langen Magistrale benannt – auch wenn diese nur die beiden Straßen Celetná und Na Příkopě miteinander verbindet. Der Durchgang ist Teil des Sevastopol-Palastes, einem 1938 im Stil des Rationalismus erbauten Geschäfts- und Bürogebäudes, zu dem auch das gleichnamige Broadway Theater gehört. Im Geschäft mit der Nummer sieben ist nun ein kleines architektonisches Juwel eröffnet worden: der neue Probier- und Verkaufsraum des Teeproduzenten Dilmah aus Sri Lanka.
Raum im Raum
Der Grundriss der früheren Boutique ist durchaus tückisch. Keilförmig wird der Raum nach hinten immer schmaler und mündet nach einer Rechtskurve in einen angeschlossenen Sanitärbereich. Keine einfache Situation, um einen Ort mit Atmosphäre zu erzeugen. Die Architekten Marek Deyl und Jan Šesták vom Prager Studio Pha nahmen die Herausforderung gelassen und stülpten dem Raum ganz einfach einen zweiten Raum über: ihren Raum.
Als Ausgangspunkt für ihren Entwurf dient das kreisrunde Oberlicht, das die massive Decke durchschneidet und viel Tageslicht hereinholt. „Für uns bestimmt dieses Element die Ausrichtung und Hierarchie des gesamtes Raumes. Eine neu eingefügte Holzstruktur folgt diesem Centerpiece und schafft eine neue Ordnung, die dem Raum Logik und Harmonie verleiht“, erklären die Architekten. Die hölzerne Struktur wird von Lamellen aus 21 Millimeter starkem Sperrholzplatten mit Birkenfurnier gebildet, die alle auf die Mitte des Oberlichtes ausgerichtet sind.
Konzentrisches Oberlicht
In organisch weichem Schwung folgen die Lamellen den Raumgrenzen vom Oberlicht bis zum anthrazitfarbenen Betonboden und kreieren einen effektvoll plissierten Raum, der an den geöffneten Schlund eines riesigen Raubtieres denken lässt. Die besondere Atmosphäre entsteht durch das Tageslicht, das entlang der Lamellen nach unten fließt und die Blicke automatisch nach oben lenkt. Das Oberlicht wird von einer Kuppel gekrönt, deren feingliedriges Gitterwerk wie eine Fortsetzung der zulaufenden Lamellen wirkt. Die Formen scheinen im Fluss und verändern ihre Erscheinung mit dem Blickpunkt des Betrachters.
Die Lamellen definieren nicht nur einen Raum im Raum. Sie formen auf der rechten Seite vom Eingang eine Sitzbank, die in sanftem Schwung aus dem Boden herauswächst und nahtlos in den fließenden Faltenwurf des Raumes übergeht. Die Dimensionen des ursprünglichen Ladens sind damit zwar grundlegend neu bestimmt worden – und doch bleiben sie beim Blick in die Zwischenräume der Lamellen weiterhin erfahrbar. So entsteht ein spannendes Spiel aus Verstecken und Offenbaren, mit dem die Architekten zugleich unliebsame Anschlüsse und Steckdosen aus dem Blickfeld schaffen konnten.
Puristische Möblierung
Wie ein Korrektiv zum dynamischen Fluss der Lamellen wirkt die Möblierung aus kubischen Hockern und Tischen, denen Max Bills Ulmer Hocker als gedankliches Vorbild diente. Ein runder Tisch wird im hinteren Raumdrittel als Theke und für die Zubereitung der Tees verwendet, während das Wasser stilecht in einem Samowar auf einem etwas niedrigeren, runden Tisch gekocht wird. Die Verpackungen der einzelnen Teesorten finden in den Zwischenräumen der Lamellen den richtigen Platz – und geben so einen dezenten Hinweis auf die Bestimmung dieses Geschäfts. Das alles wirkt nicht nur stimmig durchkomponiert und im Wortsinne rund. Die Architekten haben mit vergleichsweise wenig Aufwand einen atmosphärischen wie raffinierten Raum geschaffen, der Lust zum Verweilen – und auf eine gute Tasse Tee – macht.
FOTOGRAFIE Filip Šlapal
Filip Šlapal
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