Projekte

Schlafen wie Diogenes

von Julia Bluth, 26.08.2011


Eine prähistorische Kultstätte? Oder doch eine neuzeitliche Kunstinstallation? Das TuboHotel in Tepoztlán, kaum eine Autostunde von Mexico City entfernt, gehört nicht zu den Bauwerken, deren Funktion sich auf den ersten Blick erschließt. Es besteht ausschließlich aus großen Kanalrohren, die zu Pyramiden gestapelt und in geselliger Kreisform angeordnet wurden. Wer keine Angst vor Platzmangel hat, kann hier ein Doppelbett in lichtdurchfluteter Röhre mieten.


Verantwortlich für dieses außergewöhnliche Projekt zeichnen die Architekten des jungen Büros T3arc aus Cuernavaca. Die Idee zur Nutzung der großen Röhren als Bauelement kam ihnen während der Fertigstellung des Künstlercafés und Kulturzentrums Café Cinco in einem kleinen Dorf ihrer Region. Auf der Suche nach einer besonders kostengünstigen Lösung für die dortigen Sanitäranlagen stießen sie auf das Hotelkonzept des Österreichers Andreas Strauss.

Von der Röhre zur Herberge

Unweit von Linz, in Ottensheim an der Donau, hatte der Konzeptkünstler vor sechs Jahren bereits standardisierte Kanalrohre zu einem Hotel umfunktioniert. Eine Schaumstoffmatratze, eine Leseleuchte, eine Dachluke und eine verschließbare Tür: Fertig ist das Doppelbettzimmer. Das Dasparkhotel  bietet Reisenden genau, was sie wirklich brauchen: einen trockenen und komfortablen Schlafplatz mit Blick auf den Sternenhimmel . Wer hier Gast ist, badet in der Donau, nutzt die Toilette im Café nebenan und bezahlt so viel, wie er will.

Die von der gleichermaßen originellen wie einfachen Idee begeisterten Architekten aus Mexiko beschlossen, die Außentoilette des Café Cinco in gleicher Form zu errichten. Vertraut mit den Gegebenheiten des Cafés wandte sich daraufhin die mexikobegeisterte Familie Anderson an das Team von T3arc. Sie planten die Eröffnung eines Hotels in der touristisch attraktiven Umgebung des subtropischen Dorfes Tepoztlán und wünschten sich einen Entwurf nach dem Vorbild der österreichischen Übernachtungsmöglichkeit.

Runde Pyramiden

Die Vorteile der in der Anschaffung kostspieligen Betonröhren zeigten sich vor allem nach Baubeginn: Die Fertigstellung des TuboHotel mit einer Anzahl von zwanzig Röhren geschah in nur drei Monaten ohne den überschaubaren Kostenrahmen von 120.000 US-Dollar zu überschreiten.

Anders als Andreas Strauss platzierten die Architekten jeweils drei Röhren in Form einer Pyramide, um das zur Verfügung stehende Lichtung von rund 500 Quadratmetern optimal zu nutzen. Jede Röhre belegt eine Fläche von ungefähr neun Quadratmetern und die vorgelagerten Stahltreppen zum Erreichen des „Obergeschosses“ weitere sechs Quadratmeter. Die gesamte Arbeit auf der Baustelle konnte mit Hilfe eines Krans sowie der fachlichen Unterstützung einiger Schmiede und Tischler für den Innenausbau bewältigt werden.

In die Röhre geguckt


Die Inneneinrichtung besteht aus einer Doppelmatratze auf einem leichten Mdf-Gestell, einem kleinen Nachttisch und einer Wandleuchte. Für mehr Wohnlichkeit erhielten die runden Räume einen hellen Innenanstrich sowie ein großes Fenster zur Vorderseite, das dem Gast einen Panoramablick über die malerische Sierra del Tepozteco ermöglicht. Eine zusätzliche Öffnung mit Moskitonetz an der Rückwand dient der Belüftung. Dem angenehmen Raumklima ebenso zuträglich ist der Schatten der umstehenden Jakarandabäume, der eine zu starke Erhitzung der Schlafeinheiten verhindert. So dient der Vorhang am Fenster wohl auch eher dem Schutz der Privatsphäre als der Verschattung.

Aufgrund des gemäßigten Klimas von Tepoztlán kann das TuboHotel 365 Tage im Jahr genutzt werden und nicht nur – wie in Österreich – während der wärmeren Jahreszeit von Mai bis Oktober. Da die Kanalrohre in der Produktion zudem strengen Normen unterliegen, sind sie absolut wasserdicht von innen und außen, so dass selbst starke Regenfälle ihre Bewohner nicht beeinträchtigen. Die Kanalröhre scheint also das perfekte Baumodul für die sonnenverwöhnteren Regionen unseres Planeten – selbst für die tropischen mit ihren langen Regenperioden.

Ein weiterer Pluspunkt ist der ästhetische Aspekt, denn die Röhren fügen sich überraschenderweise äußerst harmonisch in ihre jeweilige Umgebung. So werden weitere Nachahmer bestimmt nicht lange auf sich warten lassen, und mit einer Expansion des TuboHotel ist wohl ohnehin zu rechnen. Das österreichische Original hat mittlerweile schon eine Zweigstelle an einem deutschen Standort: am Emscherradweg in Bottrop-Ebel.
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Projektarchitekten

www.t3arc.com

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