Shoppen in der Unterwelt
Ein Shop auf den Spuren einer geheimnisvollen Lichthöhle.
Geologie als Raumkonzept: Der japanisch-australische Architekt Koichi Takada hat einen Museumsshop in Doha in eine leuchtende Höhlenlandschaft verwandelt. Die geschwungenen Formen sind keineswegs Zufall, sondern Reminiszenz an ein nationales Naturdenkmal.
Museumsshops sind in der Regel eines: gesichtslose Räume, durch die die Besucher hindurch geschleust werden wie Flughafenpassagiere durch den Duty-Free-Bereich. Richtig freiwillig geht dort niemand hinein. Dass dem nicht zwangsläufig so sein muss, zeigt das Geschäft im neu eröffneten Nationalmuseum von Katar. Architekt Jean Nouvel ließ sich für den Bau von den Formen einer Sandrose inspirieren – einer geologischen Formation, die durch das Verdunsten von Grundwasser und das gleichzeitige Kristallisieren von Gipsrückständen im Wüstenboden entsteht.
Phosphoreszierende Kristalle
Dasselbe Naturphänomen hat zur Bildung einer 100 Meter tiefen Höhle geführt, die ziemlich genau im Inneren der Halbinsel von Katar zu finden ist: Dahl Al Misfir. Ihren Beinamen „Lichthöhle“ trägt sie nicht ohne Grund. Die Innenwände sind mit faserartigen, leicht phosphoreszierenden Gipskristallen überzogen. Der Leuchteffekt wird durch das Sonnenlicht verstärkt, das durch einen schmalen Spalt in die Höhle eindringt. Genau dieses Naturschauspiel ist nun in den Museumsshop des Nationalmuseums eingeflossen – entworfen vom japanischen Architekten Koichi Takada.
„Das Museum ist keine Aneinanderreihung von kubischen Ausstellungsräumen, sondern wirkt sehr organisch. Dieses Gefühl, beinahe in der Natur zu sein, wollen wir mit unserem Shop fortsetzen“, erklärt der gebürtige Tokioer, der sein Büro seit 2008 in Sydneys Szeneviertel Surry Hill unterhält. Acht Jahre hat die Planung und Umsetzung gedauert – fast genauso lange wie der Bau des Museums selbst. „Mit dieser Architektur umzugehen, war eine wirkliche Herausforderung. Dahinter steckt eine komplexe Geometrie ohne Geraden. Selbst als wir zum ersten Mal auf der Baustelle waren, war es kaum möglich, den späteren Raumeindruck zu verstehen“, sagt Koichi Takada beim Rundgang durch den Shop.
Dreidimensionales Puzzle
Der mitunter recht scharfkantigen Formensprache des Museums aus 539 sich gegenseitig überschneidenden Scheiben wollte er eine weiche, einladende Geste entgegensetzen. Ganz in diesem Sinne steht die Materialität: Statt mit Stein oder Kristall ist die Lichthöhle in Holz umgesetzt worden. „Natürlich haben wir den Computer benutzt. Anders wäre diese Höhlenlandschaft gar nicht planbar gewesen. Doch bei der Umsetzung sind wir zum Handwerk zurückgekehrt“, erklärt Koichi Takada.
Schicht für Schicht ist die Höhle aus 40.000 Holzteilen zusammengefügt worden, jedes davon mit anderen Abmaßen. „Es war wie ein dreidimensionales Puzzle-Spiel“, bringt der Architekt den Prozess auf den Punkt. Die Umsetzung verantwortete der italienische Meister-Tischler Claudio Devoto. In seiner Werkstatt südöstlich von Rom sind sämtliche Bauteile mit CNC-Fräsen zugeschnitten, von Hand gesäubert und schließlich millimetergenau in Doha zusammengebaut worden.
Menschlicher Maßstab
Die Höhle dient zugleich der Anpassung der Größenverhältnisse. „Die Ausmaße des Museums sind riesig. Deshalb wollten wir hier den Maßstab wieder reduzieren. Wir wollen die Architektur menschlicher machen und wie ein Korrektiv auf sie einwirken“, erklärt Koichi Takada. Im Gegensatz zu anderen Museen werden die Besucher am Ende des Rundgangs nicht automatisch durch das Geschäft geleitet. Es obliegt ihnen selbst, ob sie diesen Ort neben den Rolltreppen zum Ausgang betreten wollen oder eben nicht. Die Höhle mit ihren beleuchteten Ablagen wirkt wie ein räumlicher Teaser.
Sie zieht einen in das Geschäft hinein, weil sich weder Form noch Größe auf Anhieb erschließen. Man muss den gesamten Raum durchqueren, um ihn erfassen zu können. Auch lohnt der Blick hinauf zur Decke, wo die geschwungenen Formen noch weiter an Dynamik gewinnen und dem Interieur die Wirkung einer begehbaren Skulptur verleihen. „Fast alles wird heute online gekauft. Daher sind die Erfahrungswerte sehr wichtig. Dieses Geschäft ist einzigartig und spezifisch für dieses Museum und diese Region gemacht“, sagt Koichi Takada. Gegenüber vom Museumsshop hat er dieselbe Designsprache für ein zweites, deutlich kleines Geschäft angewendet, dessen Sortiment auf Kinder zugeschnitten ist. Dass viele Besucher an beiden Orten Fotos machen, freut ihn. „Ich glaube, es gibt nicht viele Museumsshops, in denen das passiert.“
FOTOGRAFIE Tom Ferguson
Tom Ferguson
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