Über Mailänder Dächern
Dinieren mit Aussicht: temporäres Panoramarestaurant von Park Associati auf einem Palazzo an der Mailänder Scala.
Was für eine Lage! In unmittelbarer Nähe zur Mailänder Scala platzierten die Architekten Filippo Pagliani und Michele Rossi vom Büro Park Associati ein temporäres Restaurant auf das Dach eines altehrwürdigen Palazzos. Die gläserne Struktur des Priceless Milano öffnet nicht nur eindrucksvolle Blicke über die Stadt. Sie wird dank modularer Bauweise und intelligentem Leichtbau künftig auch an anderen Orten Station machen können.
Neugierig schauen die Passanten auf der Piazza della Scala nach oben. Haben sie die Galleria Vittorio Emanuele II durchquert, erhebt sich vis-à-vis das berühmte Mailänder Opernhaus. Nur wenige Meter weiter thront auf dem Dach des Palazzo Beltrami ein gläserner Kubus – umhüllt von einer bronzeschimmernden Struktur. Im Inneren des Kubus verbirgt sich einer der begehrtesten Orte der Stadt. 24 Plätze bietet das Priceless Milano – ein temporäres Restaurant, das ein Kreditkartenunternehmen anlässlich der Weltausstellung Expo 2015 errichtet hat. Neben allabendlichen Essen finden dort auch Veranstaltungen rund ums Thema Ernährung ihren Platz – dem Schwerpunkt der diesjährigen Expo, die noch bis Ende Oktober in der lombardischen Hauptstadt zu sehen ist.
Gastronomisches Theater
Die Planung des Priceless Milano wurde in lokale Hände gegeben. Einen Namen haben sich die Architekten Filippo Pagliani und Michele Rossi von Park Associati allerdings längst weit über die Landesgrenzen hinaus gemacht. Neben der italienischen Nestlé-Zentrale in Assago oder dem Salewa-Hauptquartier in Bozen werden auch die Interieurs sämtlicher Brioni-Boutiquen von dem Mailänder Duo geplant. Mit dem Expo-Restaurant haben sie nun eine zwar temporäre, aber trotzdem dauerhafte Architektur entwickelt:. „Diese Einheit lässt sich leicht bewegen und auf Dächern bestehender Gebäude platzieren. Sie wurde als eine Art reisendes, gastronomisches Theater entworfen, wo Köche aus der ganzen Welt ihr Können zeigen“, erklärt Filippo Pagliani.
Modularer Aufbau
Als gedankliches Vorbild dienten die transportablen Freilichtbühnen, die der italienische Architekt und Bühnenbildner Antonio Valente in den 1930er Jahren für die Theaterkompanie Carro di Tespi entworfen hatte. Wie dieses Vorbild in die Gegenwart transferiert wurde, offenbart der Blick unter das polygonal gefaltete Metalldach. Dort verbirgt sich ein T-förmiger Baukörper aus vorgefertigten Modulen, die passgenau in den Laderäumen mehrerer LKWs Platz finden. Der Grundriss gab sogleich die funktionale Aufteilung vor. Während im kurzen Querbalken die Küche und die sanitären Anlagen untergebracht sind, nimmt der Längsbalken den eigentlichen Restaurant- und Eventbereich auf. Je nach Anlass kann die Küche durch Schiebewände vom Speisesaal getrennt oder offen in Szene gesetzt werden.
Kommunikative Sitzordnung
Statt auf mehrere Einzeltische setzten Pagliani und Rossi auf eine durchgehende Tafel im Überformat, die eigens für dieses Projekt angefertigt wurde. An jeder Seite nehmen jeweils zwölf Gäste auf dem Stuhlmodell Mollina Chair Platz, mit dem Park Associati 2013 beim Möbelhersteller Driade ihren Einstand als Produktgestalter gegeben haben. Mit ihren offenen, fast immateriell erscheinenden Rückenlehnen verstärken die Stühle die Transparenz des Raumes. Beide Längsseiten sowie die Front zur Piazza della Scala sind vollständig verglast und bieten spektakuläre Panoramablicke auf den Mailänder Dom und die Kuppel der Galleria Vittorio Emanuele II.
Schützende Hülle
Gläserne Schiebetüren öffnen den Speisesaal zu auskragenden Terrassen auf beiden Seiten. Darüber wölbt sich das polygonale Dach, das das Restaurant vor Sonneneinstrahlung und die Terrasse vor starken Winden schützen soll. „Dieses Segel folgt der Form eines gebrochenen Flügels, der Leichtigkeit und Spannung gleichermaßen erzeugt“, sagt Michele Rossi. Die perforierte Aluminiumstruktur ist mit einer bronzefarbenen Schicht veredelt worden, die dem technisch wirkenden Leichtbau Sinnlichkeit verleiht.
War ursprünglich geplant, das Restaurant nur parallel zur Expo bis Ende Oktober zu öffnen, werden nun auch Reservierungen für November und Dezember entgegengenommen. Wer Interesse hat, sollte sich indes beeilen, da schon fast alle Termine ausgebucht sind – trotz ganz und gar nicht preisloser Preise von 250 Euro pro Person für Aperitif und anschließendes Dinner.
FOTOGRAFIE Andrea Martiradonna
Andrea Martiradonna