Urbaner Abschlag
Industriell geprägter Indoor-Golfplatz Muni in Montreal von Ivy Studio

In einer Indoor-Golfanlage mitten in Montreal hat Ivy Studio rohen Beton und roten Backstein mit feinen Farbakzenten und warmen Materialien zusammengebracht. Die Simulator-Lounges laden zum wetterunabhängigen Abschlagen und das gediegene Restaurant zum Plausch nach dem Putten ein. Außerdem haben die Designer*innen überall in den Räumen gestalterische Überraschungen versteckt – von Zielflaggenleuchten bis zum Rasenteppich.
Das Nordelec-Gebäude im Norden der kanadischen Stadt Montreal war einmal Sitz der Northern Electric Company, einer ehemals wichtigen Kabel- und Elektronikproduktion. Das weitläufige Ensemble aus dem Jahr 1913 ist ein herausragendes, eindrucksvolles Beispiel für historische Industriearchitektur und mit seinen fünf Hauptflügeln auch eines der größten Backsteingebäude Nordamerikas. Seit 2012 wurde der Komplex umgebaut und beherbergt heute 1.300 Wohnungen, Büros sowie Ladengeschäfte – und seit Kurzem auch Muni, einen ungewöhnlichen Indoor-Golfplatz, der ein wettergeschütztes, stilvolles Sporterlebnis in sieben Simulator-Lounges bietet. Das Interieur wurde vom ortsansässigen Ivy Studio entwickelt, dessen Büro sich nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Seite des Lachine-Kanals befindet. Das sechsköpfige Team hat die industriellen Architekturelemente mit einer klaren, eleganten und farbsensiblen Designsprache kombiniert.
Vom Fabrikensemble zum Freizeitclub
Der Indoor Golfcourse mit Clubhouse residiert mondän in einem zweistöckigen Eckhaus mit großzügigen Fensterfronten und teilweise doppelter Raumhöhe. Die Spieler*innen starten am Empfangsbereich mit seinem smaragdgrün lasierten Eichenfurnier, der von glänzenden Metallkuben in die Schwebe gebracht wird. Hier angegliedert findet sich ein Einzelhandelsbereich, der dezent in die Raumarchitektur integriert wurde. Regale laufen zwischen den Betonwänden und Displays für die Schuhe wurden als weinrote Podeste auf die Stufen gestellt, die in den Hauptbereich des Clubs führen. Dieser ist entlang eines Korridors organisiert. Von ihm zweigen sieben Räume ab, die jeweils mit Abschlagbühne, Video-Leinwand, Hochtisch, Hockern für das Publikum und einer gemütlichen Lounge für den Plausch ausgestattet sind. Der Korridor und der Spieltag enden im letzten und sozialsten Raum, einem Restaurant, das eine Sportsbar-Ausstattung mit dem Stil der Gentlemen’s Clubs des frühen 20. Jahrhunderts kombiniert.
Kontrast als Konzept
Der industrielle Bestand präsentiert sich mit viel Beton, Stahl und Glas sowie nackten Flächen und über dem Putz verlaufender Technik. Die von Ivy Studio gewählten Materialien und Farben schaffen dazu einen warmen Ausgleich. Orientiert haben sich die Designer*innen an den historischen Interieurs klassischer amerikanischer Golfvereine, die eben nicht nur ein Ort für Sport, sondern auch soziale Treffpunkte im Sinn eines Country Clubs waren. Eine Reminiszenz ist das dunkle Holz, das besonders in den privateren Spielzonen eine gemütliche und intime Atmosphäre erzeugt. Im Zusammenspiel mit Burgund, hellen Pistazientönen und einem intensiven Waldgrün wird der Bogen vom urban-industriellen Umfeld zur Tradition des Golfsports geschlagen.
Rasen-Referenzen
Das Interieur ist voller Anspielungen und bringt Elemente von der grünen Wiese in die wettersichere Spielumgebung. Die Deckenleuchten in den Simulator-Lounges greifen mit ihrem schwarz-weiß karierten Muster das Design klassischer Zielflaggen auf, die auf dem Golfplatz zur besseren Sichtbarkeit die Löcher markieren. Der grüne Teppich erinnert mit seiner grasähnlichen Optik an gepflegte Fairways, während die gestreiften Textilbezüge der Sitzmöbel Assoziationen sowohl zu den typischen Mähstreifen auf dem Rasen als auch zu den markanten Markisen traditioneller Golfcarts wecken. Die charmanteste Anspielung gibt es allerdings am Tresen des Restaurants zu entdecken. Frontal betrachtet ähneln die dreieckigen Silhouetten der grünen Bartischleuchten den kleinen Wimpeln, die auf dem Platz auf spezifische Bereiche oder Ziele hinweisen.
Abschlag und Aperitif
Dem virtuellen Spielerlebnis mit den Simulatoren stellt das Team von Ivy Studio bewusst ein visuell und haptisch wohnliches sowie zum gemeinschaftlichen Miteinander einladendes Interieur zur Seite. Die Gäste bewegen sich entsprechend ihren Programmpunkten durch den logisch organisierten Grundriss: Vom Empfang und Shop geht es zu den Spielräumen und schließlich ins Restaurant, wo der Tag seinen Abschluss findet. Indem die Architekt*innen den rohen Beton, die Stahlträger und industriellen Ziegelwände mit warmen und eleganten Designakzenten kombinieren, erzeugen sie eine Bühne, einen Treffpunkt und eine Freizeit-Location. Dabei wirkt das Design mit seinen geschichtlichen und stilistischen Anleihen zeitlos und gemütlich. Es schafft eine Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt.
FOTOGRAFIE Alex Lesage Alex Lesage
Mehr Projekte
Basler Bankgeheimnis
Herzog & de Meuron erfinden das Grand Hotel Les Trois Rois neu

Sommerverlosung
Zwei Nächte im Parkhotel Mondschein zu gewinnen

„Material mit Identität behält immer seinen Wert“
Restaurant Kramer in Berlin-Neukölln von Thilo Reich

Aalto forever
Fyra gestaltet den Besucherbereich der Finlandia-Halle von Alvar Aalto in Helsinki neu

Handwerk statt Hektik
Das Designstudio loeserbettels gestaltet die Nomad Bakery in Chemnitz

Genuss unter Freunden
Restaurant Ninyas in Mexiko-Stadt von Ignacio Urquiza Arquitectos

Ein Eiscafé wie ein Dessert
Das Affogato von kaviar:collaborative in Mumbai

Feuer und Fermentation
Koreanisches Restaurant Odem in Singapur von Nice Projects

Alternative zum Büro
Kafeterija in Belgrad von KIDZ

Wohnliche Aussichtstürme
Elva Hotel in Norwegen von Mange Bekker Arkitektur

Gestaltung in Gewürztönen
Restaurant-Interior für das Hamburger Authentikka von Studio Lineatur

Meer auf dem Teller
Restaurant Hav & Mar von Atelier Zébulon Perron in New York City

Digestif in der Raumkapsel
Restaurant Kinkally mit Kellerbar von Da Bureau in London

Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Zwischen Himmel und Fjord
Schwimmendes Restaurant Iris in Norwegen von Norm Architects

Rot und roh
Rum-Bar Campana del Rey in München von Buero Wagner

Harte Schale, weicher Kern
Keyu Café von Fabian Freytag am Berliner Tacheles

Gestaltung mit Rhythmus
Bursa Bar in Kiew mit japanischen Stilreferenzen von Nastia Mirzoyan

Mit Stil und Textil
COCC. hat das traditionsreiche Seegerhaus in St. Gallen restauriert

Zwischen Erbe und Erneuerung
JKMM Architects und Fyra haben Alvar Aaltos Haus der Kultur in Helsinki umgebaut

Sommerfrische reloaded
Das Eierhäuschen in Berlin wird zum Spreepark Art Space

Tanzen mit OMA
Nachtclub Klymax auf Bali in Kooperation mit DJ Harvey

Bitte lächeln
Einladendes Café in Athen von Karn Studio

Bar eines Handlungsreisenden
Neuinterpretation eines Bruin Cafés in Amsterdam von Studio Modijefsky

Urbanes Wohnzimmer
Teehaus Basao Panji in Xiamen von Building Narrative

Bunter Knallbonbon
Experimentelle Eisdiele in Nürnberg von MEKADO

Zurück in die Zukunft
Umbau und Erweiterung des Traditionshotels Zum Hirschen in Salzburg

Raum für Gäste und Gewächse
Hotel-Restaurant Steirereck am Pogusch von PPAG architects

Die glorreichen Siebziger
Trattoria del Ciumbia von Dimorestudio in Mailand

Speisen in der Lagerhalle
Restaurant Tramo in Madrid von SelgasCano
