Vielfalt mit wenig Elementen
Frankfurter Hotel Lindley Lindenberg von Studio Aberja
Partner: Kaufmann Keramik
Eigentlich fehlt bei diesem Projekt nur eines: eine Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite des neu eröffneten Hotels Lindley Lindenberg im Frankfurter Ostend. Denn von hier aus kann man bestens dem lebhaften Treiben hinter der siebengeschossigen Glasfassade folgen. Verantwortlich für das Interieurdesign war das Frankfurter Studio Aberja, das aufs Neue ein gutes Händchen bei der Gestaltung der Räume bewies. Farben, Materialien, Möbel und Oberflächenakzente variieren von Raum zu Raum und schaffen eigene atmosphärische Welten. Kachelhersteller Kaufmann Keramik lieferte rund 80.000 Keramikelemente, die eigens für das Hotel produziert wurden.
Hinter der Fassade des Hotelneubaus im Frankfurter Osten stapeln sich Räume unterschiedlicher Größe und Form übereinander. Ein jeder leuchtet in einer anderen Farbe; Splitlevel und Treppen formen sie zu einer vertikalen Landschaft. „Wie ein Setzkasten voller wundersamer Räume sollte die Kopfseite des Hotels wirken“, erzählen die Architekten Juliane Maier und Robin Heather von Aberja. Hinter der Fassade offenbart sich auch das Konzept des Hotels: Dem Gast wird mehr als nur ein Zimmer zum Schlafen geboten. Zahlreiche Gemeinschaftsbereiche mit unterschiedlichen Funktionen ermöglichen vielfältige Nutzungen und zwanglose Begegnungen. So laden etwa zwei Bereiche zum gemeinsamen Kochen ein, und ein gewächshausähnlicher Kräuterraum liefert hierfür frische Zutaten.
Wer in Ruhe lesen, arbeiten oder in kleiner Runde zusammenkommen möchte, findet – je nach Stimmung – im doppelgeschossigen, mit einer Pflanzenskulptur bewachsenen „Baumraum“ oder in der gelben „Guten Stube“ den richtigen Ort. In unterschiedliche Gelbtöne getaucht, sorgen dort eine Bibliothek mit Sofas und Sesseln sowie eine ausgesuchte Plattensammlung für eine gemütliche Atmosphäre und ein Kachelofen für Behaglichkeit. Die Bar Marmion im oberen Stockwerk ist der Dandy unter den Räumen: Gestalterisch oszilliert die Bar zwischen Zitaten der Postmoderne und den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Die schmalen, lila-grau lackierten Holzlatten an den Wänden schenken dem Raum eine galante Atmosphäre und eine gute Akustik. Darüber wartet eine bunte Terrasse auf Liebhaber des Skyline-Blicks und Liegestuhlfreunde.
Geschichten erzählen
Das ungewöhnlich reiche Raumangebot spiegelt sich auch im besonderen Einsatz der Materialien wider, die im Hotel verwendet werden. So wird die hohe Glasfassade durch einen Rahmen betont, dessen aus dreieckigen Elementen geformte Oberfläche ein Relief aus Linien, Bögen und Texturen zeigt, die sich zu Stadt- und Landszenen formen. „Wir wollten die besonderen Nutzungen an der Schmalseite des Hotels betonen und zugleich auch einen Bezug zum Ort herstellen“, erklärt Robin Heather. Denn das Lindley Lindenberg befindet sich – man ahnt es – in der Lindleystraße. Diese ist nach dem englischen Ingenieur William Lindley benannt, der für die Frankfurter Kanalisation verantwortlich war. Ob es bei der Materialwahl Gusseisen einen Bezug zu Gullydeckeln gäbe, ließen die Architekten schmunzelnd unbeantwortet.
Den Grundton finden
Während jeder Gemeinschaftsraum eine ganze eigene, ausgesuchte Farb- und Materialsprache spricht, bildet die Struktur der gusseisernen Fassadenelemente ein subtiles Raster, das sich in allen Räumen wiederfindet. Es legt sich als Muster auf die Tapeten der Flure, als zierlicher Raumteiler aus Metall zoniert es in den Zimmern Schlaf- und Badbereich, dient mal als Waschtisch, Kleiderschrank oder Ablage. Im Erdgeschoss grenzt es als Regal die hoteleigene Bäckerei zum Foyer ab und dient als Ablage und Auslage für Backwaren. Mit diesem Kunstgriff gelingt es Aberja, eine übergeordnete Zusammengehörigkeit im gesamten Hotel zu schaffen.
Das Universalelement
Ein weiteres Element ist omnipräsent: Eine rautenförmige Keramikfliese, die im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Farbtönen Strukturen bilden kann, die das Auge immer wieder überraschen. Aberja haben sie eigens für das Hotelprojekt entworfen. Umgesetzt wurde dieses besondere Element von Kaufmann Keramik. Der kleine Familienbetrieb war bereits bei Aberjas Projekt Bonechina – einer Bar in Frankfurt – Partner bei der Umsetzung. „Wir haben den Entwurf auf Grundlage der 3D-Daten zunächst im Rapid-Protoyping-Verfahren gedruckt und über den Prototypen eine erste Serie hergestellt“, beschreibt Matthias Kaufmann, der das Unternehmen in dritter Generation gemeinsam mit seiner Schwester leitet, den Arbeitsprozess. „Und dann wurde optimiert. Wir wollten beispielsweise das Handling auf der Baustelle verbessern, sodass man die Anschlüsse sauber und ohne Acrylband bewerkstelligen kann. Hierfür haben wir die Geometrie leicht verändert, damit die senkrechten Kanten an den Außenseiten nicht mehr so hoch sind und man sie einfacher aufkleben kann.“ Auch bei der Glasur waren die Architekten anspruchsvoll. Der handwerkliche Charakter der Keramikfliesen sollte sichtbar werden: Deswegen wurde die Glasur im Labor der Manufaktur so lange optimiert, bis sie perfekt über die Kanten läuft.
„Ich glaube, wir haben fünf Anläufe gebraucht, bis Aberja zufrieden waren“, lacht Matthias Kaufmann. Zehn unterschiedliche Glasurfarben wurden eigens für das Hotelprojekt angefertigt. Insgesamt hat Kaufmann Keramik über 80.000 Elemente in Handarbeit in nur sechs Wochen hergestellt. Die Kachel ist ein Universalelement: Ob im Badbereich, als Wandelement am Kopfteil der Betten, als Kachelofenverkleidung oder als Spritzschutz in den Küchen – in ausgesuchten Farben setzen die Fliesen immer wieder Akzente. Die Liebe zum perfekten Detail teilen Matthias Kaufmann von Kaufmann Keramik und Aberja. Den kreativen Köpfen um Juliane Maier und Robin Heather ist es mit dem Lindley Lindenberg gelungen, unterschiedliche, fein abgestimmte Atmosphären zu schaffen, die dem Hotel eine gesunde Portion Exzentrik schenken und im Zusammenspiel eine bunte, lebendige Welt schaffen.
FOTOGRAFIE Steve Herud
Steve Herud
Projektarchitekten
Aberja