Vom Winde durchweht: das Long An House in Vietnam
Der Bau des Architekturbüros Tropical Space passt sich dem tropischen Klima seines Standorts an und ist immer gut durchlüftet.
Ein Haus, das atmet: Das Long An House des Architekturbüros Tropical Space hat Poren in seiner Backsteinhaut. Laue Lüftchen strömen durch die Räume. Wer braucht da schon Türen? Nur gut, dass der Bau in Vietnam steht.
Es duckt sich in sein Grundstück als habe es sich für ein Schläfchen niedergelassen. Und wenn man ganz aufmerksam lauscht, kann man im Long An House vielleicht sogar hören, wie die Luft ein- und ausströmt. Von außen verschlossen, geben nur geometrisch angeordneten Poren in der Backsteinfassade einen Hinweis auf das Innenleben dieses Baus: Luft und Licht gleiten durch offene Räume und durchlässige Wände. Mit ihnen auch Blicke. Mittels klug gesetzter Durchbrüche und Linienführungen erreichen die Planer immer wieder gekonnt komponierte Sichtachsen, durch die mit den Tages- und Jahreszeiten ein raffiniertes Spiel aus Licht und Schatten wandert.
Ein Lichthof mit Pool bildet das Zentrum des Hauses. Über ihm der Himmel der vietnamesischen Provinz Long An. Zwei Korridore verbinden das Dach, unter dem drei offene Räume auf zwei Etagen angeordnet sind. Das Long An House nimmt die Struktur traditioneller vietnamesischer Architektur auf und übersetzt sie in eine moderne Formensprache. Es nimmt Bezug auf das tropische Klima und die asiatische Wohnkultur: Das Haus schirmt sich nach außen ab, ist aber innen luftig, licht und kühl. Die Räume sind offen, Türen gibt es – wenn überhaupt – nur aus Glas.
Durchbrochene Backsteinwände sind ein Markenzeichen des Büros der Architekten Nguyen Hai Long und Tran Thi Ngu Ngon. In Projekten wie dem Termitary House (2014) oder dem Wasp House (2015) hat Tropical Space schon zu diesem Stilmittel gegriffen. Es zaubert schöne Lichtspiele ins Innere, die Planer können schummrige Ecken schaffen oder auf raue Wände lichte Flecken tupfen. Licht und Schatten können sie als dynamische Struktur einsetzen, die je nach Tages- und Jahreszeit die Räume immer wieder neu gestaltet.
Das Stilelement der durchbrochenen Wände sieht nicht nur gut aus, es eignet sich auch hervorragend für das tropische Klima. Die offenen Poren des Long An House sind nach den Windrichtungen der Jahreszeiten ausgerichtet. Auch das Material ist klug gewählt: Die Backsteine kühlen bei Hitze und sind saugfähig in der Regenzeit.
Obwohl das Wohnhaus hauptsächlich aus Beton und Backstein gebaut ist, wirkt es nicht wie ein Rohbau – unter anderem, weil die geschickte Lichtführung den warmen erdigen Farbton der Steine unterstreicht. Auch filigrane Eisengeländer und eine federleichte Treppe, die sich in den ersten Stock windet, bilden einen schönen Kontrast.
Und nicht nur die Bewohner kommen in den Genuss architektonischer Raffinesse. Das Haus, das sich tagsüber für Passanten schlummernd und verschlossen gibt, zeigt nächtlichen Flaneuren ein anderes Gesicht: Das elektrische Licht fällt von innen durch die löchrigen Backsteinwände wie durch eine Laterne. Es ist ein Nachtschwärmer.
FOTOGRAFIE Oki Hiroyuki
Oki Hiroyuki