Wenn im Kino das Licht angeht
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Popcorn, Eis, Chips und Gummibärchen – vor uns in der Reihe knistern die Tüten und dem ein oder anderen mag das Rascheln und Knabbern auf die Nerven gehen. Gemeint sind Kinogänger, die sich selbst bei melancholisch-dramatischen Leinwandszenen noch einen fettigen Kartoffelchips in den Mund stecken. Stilvoller geht es da in einem Vintage-Kino namens „Rio“ zu. Mitten in Stockholm gelegen, wurde das Foyer mit einem kleinem Tagescafé ausgestattet, das bei Bedarf vielseitig umgenutzt werden kann. Wer sich das ausgedacht hat? Das Stockholmer Designbüro 1:2:3 in Zusammenarbeit mit Kristoffer Sundin.
Bereits von außen begrüßt der verblichene Charme der vierziger Jahre den Besucher: ein weit auskragender, abgerundeter Überstand und eine Leuchtreklame mit dem Namen des Kinos, die nicht zu übersehen ist. Erbaut wurde es vor knapp siebzig Jahren nach einem Entwurf von Albin Stark (1885–1960), einem Mitarbeiter des legendären finnischen Architekten und Gestalters Alvar Aalto. Die Räume des Programmkinos bestechen vor allen durch die original erhaltenen, hochwertigen Materialien: Marmor für den Fußboden und Holz für die Wände – so beispielsweise im Foyer oberhalb des offenen Kinosaals mit den typischen, rot gepolsterten Sitzen. Oft genutzt in den vierziger Jahren und ebenfalls erhalten: die abgerundeten Ecken der Wände, der Empore und anderer Architekturelemente.
Rendez-vous im Foyer
Das Designbüro 1:2:3 und Kristoffer Sundin, der in Stockholm Innen- und Möbeldesign an der Konstfack (University College of Arts, Crafts and Design) studiert, haben für das Foyer des Kinos ein flexibles Interieur entworfen, das neben der Vorführung der Filme verschiedene Nutzungen ermöglicht. Denn der neue Eigentümer des Kinos, Folkets Hus och Parker, hat sich ein Nutzungskonzept ausgedacht, das Seminare, Kunstinstallationen, Theatervorstellungen, Kinderkino, Opernvorführungen, Performances und ein Tagescafé beinhaltet. „Ein bedeutender Teil unserer Aufgabe war es, diese verschiedenen Nutzungen zu ermöglichen. So muss es möglich sein, anhand der flexiblen Möblierung die Atmosphäre des Raums so zu verändern, dass sowohl ein Kinderfilm als auch eine Oper gezeigt werden können“, so Petter Törnquist vom Designbüro 1:2:3.
Wie aus verschiedenen Leuchten ein Kronleuchter wird
Genau deshalb können sowohl das Mobiliar als auch die Beleuchtung zu immer neuen Formationen gruppiert werden. Hängt beispielsweise bei der Standard-Nutzung des Foyers als Tagescafé nur eine Leuchte über einem einzelnen Tisch, können bei der Formation als Gruppentisch verschiedene Leuchten an den Kabeln zu einem unkonventionellen Kronleuchter zusammengefasst werden. Für die Designer, die neben dem Interiordesign auch in Film, Kunst und im Grafikdesign tätig sind, stand von Anfang an fest, dass sie sich bei der Wahl der Materialien an der ursprünglichen Ausstattung des Kinos orientieren würden – was den Einsatz hochwertiger Materialien gepaart mit einer handwerklichen Fertigung des Mobiliars bedeutete. Und so stammen die Entwürfe für die Tische und Hängeleuchten vom Designbüro 1:2:3., während die Sitzgelegenheiten typische, hell lackierte Schulstühle sind.
Von A bis Z
Neben dem Interiordesign haben das Designbüro 1:2:3 und Kristoffer Lundin auch das Grafikdesign des Kinos gestaltet. Dazu gehört ein internes Beschriftungssystem, das sich an den alten weißen Kinoschildern mit flexiblen, herausnehmbaren schwarzen Buchstaben orientiert. Die in Stockholm ansässigen Designer haben ein Alphabet mit Lettern in drei verschiedenen Größen entworfen. Diese können zu individuellen Worten und Sätzen zusammengesetzt werden und werden anschließend in flache Kästen sowohl im Innen- als auch im Außenraum angebracht – ähnlich den Filmanzeigen in alten Kinos. Das Schöne daran: Die Tafeln werden abfotografiert und tauchen dann im gedruckten Monatsprogramm und Newsletter des Programmkinos wieder auf.
FOTOGRAFIE Erik Wåhlström
Erik Wåhlström
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