Wohnen im Lichtdom
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Japanische Architekten gehören weltweit zu den Vorreitern, wenn es um ungewöhnliche und innovative Projekte für besonders kleine Baulücken geht. Inmitten des Häusermeers der Millionenstadt Yokohama findet sich nun ein weiteres Beispiel dieser Art. Hier hat der Architekt Takeshi Hosaka auf engstem Raum das Daylight House entworfen, das es seinen Bewohnern ermöglicht, in ihren eigenen vier Wänden das Licht und die Weite des Himmels zu genießen.
Takeshi Hosaka ist bekannt für seine oftmals unkonventionellen Entwürfe, deren augenfällige Gemeinsamkeit die intensive Auseinandersetzung mit der Transparenz des Wohnens und der Verbindung von Innen- und Außenraum, dem Menschen und seiner Umwelt ist. Für die Planung des Daylight House verfügten seine Auftraggeber – ein Paar mit zwei Kindern – über ein 115 Quadratmeter großes Grundstück, das überwiegend im Schatten der umgebenden zehnstöckigen Büro- und Wohnhochhäuser lag. Das von oben kommende Zenitlicht war an diesem Standort also ein äußerst kostbares Gut, das der Architekt um jeden Preis nutzen wollte.
Dem Himmel so nah
Die Grundkonzeption des Holzhauses beruht auf einem Grundraster von ungefähr 1,50 Metern mal 1,60 Metern und besteht aus einem fünf Meter hohen Raum, der in die verschiedenen Funktionsbereiche des Familienlebens unterteilt wurde: Elternschlafzimmer, Kinderzimmer, Küche, Büro und Sanitärräume befinden sich allesamt auf einer Ebene. Die Trennwände zwischen den Einheiten messen die Hälfte der Deckenhöhe und lassen die einzelnen Räume zur Decke hin offen.
So strömt das Tageslicht über die 29 im Dach eingebauten Oberlichter in jeden Winkel des Hauses und lässt die Bewohner zu allen Tages- und Nachtzeiten die Weite des Himmels erahnen. Die Oberlichter befinden sich hinter einer Zwischendecke aus gebogenen Acrylplatten. Das durch die Dachfenster einfallende direkte Licht zeichnet einen hellen Umriss auf die gebogenen Deckenplatten und wird gleichzeitig als diffuse weiße Helligkeit reflektiert und verteilt. Akribische Modellbauarbeit war nötig, um den richtigen Biegewinkel, den Abstand und den milchig weißen Farbton der Deckenplatten zu ermitteln, um genau die gewünschte Menge an indirektem und direktem Licht zu erzielen.
Der Luftraum zwischen der Zwischendecke aus Kunststoff und dem Dach dient gleichermaßen als Klimaanlage und Thermospeicher. Im Sommer wird die angesammelte, aufgeheizte Luft ausgeführt, während sie im Winter als Wärmepuffer dient. So ist zu allen Jahreszeiten für ein angenehm stabiles Raumklima gesorgt. Eine weitere Belüftungsmöglichkeit bieten die quadratischen Fenster in allen Schlafräumen sowie im Küchen- und Sanitärbereich.
Offenheit und Rückzug
Die einzelnen Raumeinheiten gruppieren sich um den zentralen Ess- und Kochbereich und sind über hölzerne Falttüren verschließbar. Sobald alle Türen geöffnet sind, ergibt sich ein großer Raum mit Loftcharakter, der Begegnungsfläche für die ganze Familie bietet und dank der Wände und Einbauten im warmen Holzton Behaglichkeit ausstrahlt.
An der Südostseite des Gebäudes erstreckt sich eine Galerie, die oberhalb der beiden Kinderzimmer verläuft und für Intimität und Geborgenheit im jeweiligen Schlafbereich sorgt. Diese zweite Wohnebene bietet viel Platz für Stauraum und ist zugleich eine perfekte Aussichtsplattform, um den gesamten Wohnbereich zu überblicken. Die Eltern können sie bequem über eine Treppe erreichen, während die Kinder die Möglichkeit haben, sie über Leitern direkt aus ihren Zimmern zu erklimmen. So wird die Galerie zu einer zweiten Spielebene für die Geschwister, die sie gemeinsam nutzen können.
Bei den Bewohnern des Daylight House ist der Fokus jedoch nach oben gerichtet – auf die hohe, leuchtende Decke mit ihrer an ein Gewölbe erinnernden Struktur, die eine nahezu sakrale Atmosphäre entstehen lässt. Die hektische Alltagswelt vor der Tür scheint in diesem Ambiente mehr als fern.
Leben im Rhythmus des Lichts
Beim Entwerfen des Daylight House setzte Takeshi Hosaka alles daran, an einem schattigen und beengten Standort ein Leben im Rhythmus des natürlichen Lichts zu ermöglichen. Für den Architekten ist der Begriff des Tageslichts jedoch nicht gleichbedeutend mit Sonnenlicht. Jede Lichtstimmung hat für ihn ihre eigene Qualität und Schönheit und sollte im Inneren des Hauses sichtbar werden. An bewölkten Tagen ist das Licht spürbar weicher und gedämpfter, in der Dämmerung wird das Haus in sanftes Blau getaucht. Selbst in der Nacht gibt es keine absolute Dunkelheit – schon gar nicht in der Großstadt –, und so kann die Familie sogar beim Einschlafen die Reflexion des Lichts spüren.
FOTOGRAFIE Koji Fujii
Koji Fujii
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