Wohnen nach Jahreszeiten
Gewohnt wird nach Saison: wandelbares Haus in Brandenburg
Mit Werder verbinden Brandenburger und Berliner vor allem den Sommer mit der Erdbeer- und Kirschzeit, denn die kleine brandenburgische Stadt ist bekannt für ihren Obstanbau, dessen Früchte die gesamte Umgebung versorgen. Werders historischer Stadtkern liegt idyllisch von Wasser umgeben auf einer Insel in der Havel. An die Inselkirche grenzt ein Grundstück an, auf dem ein Ensemble von Gebäuden verschiedener Epochen steht, das nun ein wandelbarer Neubau der Architekten Jurek Brüggen und Sebastian Sailer ergänzt.
Das Haus am See ist umgeben von einem neugotischen Belvedere, einer Art-Deco-Villa, einem Stall mit angebauter klassizistischer Fassade und einem Bungalow aus der DDR-Zeit. Dieser Vielfältigkeit der Nachbargebäude entgegnen die Architekten Jurek Brüggen und Sebastian Sailer mit einer radikalen Schlichtheit, die sich sowohl in materieller als auch in formaler und funktionaler Hinsicht zeigt: Das kleine Wohngebäude ist ein in einen Hang eingelassener Betonquader, auf dem ein Geschoss aus Holz aufgesetzt ist. Dieses Geschoss dient während der warmen Jahreszeiten als Küche, die sich bis auf die Veranda erweitern lässt. In den kalten Monaten wandert sie in das Erdgeschoss. Somit verändert sich die Größe der Wohnfläche von 170 auf 85 Quadratmeter mit den Außentemperaturen.
Über die Mauern hinaus
Auch im Inneren finden sich die beiden außen verwendete Materialien wieder. Während die Wände, Fußböden und Decken des 85 Quadratmeter großen Lofts aus Sichtbeton bestehen, teilen verschiebbare Zwischenwände aus Holz den Raum in einen Wohn- und Essbereich mit Panoramafenster samt Blick auf die Havel, eine Arbeitsecke sowie ein Schlafzimmer auf. Dem großen Bad schließt sich eine Sauna an, deren Nassbereich draußen gelagert ist. Durch große Glasschiebetüren sind eine Außendusche und ein kleines Außenbecken erreichbar, wie auch der Garten, der sich bis zum Havelufer ausdehnt.
Rollende Küchenelemente
Die Inneneinrichtung ist platzsparend und raumgebend gehalten: So ist die nach oben zur Sommerküche und Terrasse führende Holzstiege Treppe und Regal in einem. Die Küche besteht aus Elementen, die sich bequem verschieben lassen, sodass sie mit wenig Aufwand zwischen den beiden Geschossen transportiert werden kann. Entworfen hat sie Jurek Brüggen unter dem Label Eins und Viele. Herd, Anrichte und Spüle sind auf Regalmodule aufgebracht, die beweglich auf Rollen lagern. Ein Großteil der Möblierungen im Haus wie Steh- und Tischleuchten als auch eine Bank und Hocker, sind unter dem gleichen Label gefertigt.
Nachhaltiges Konzept
Den Holzpavillon auf dem Dach öffnen Falttüren in den Sommermonaten. Im Winter trennt ein horizontales Schiebefenster den Pavillon von dem Wohngeschoss. Die Minimierung des Wohnbereichs spart Heiz- und Baukosten, nur die untere Etage ist gedämmt. Von dieser sind Nord-, Ost-, und Westseite im Hang eingegraben, wobei die Erdschicht zusätzlich isoliert. Die aufsteigende Abwärme ermöglicht es, den Pavillonaufbau als Wintergarten zu nutzen. Umgekehrt dient dieser als Dämmschicht für den Wohnbereich. Diese einfachen Mittel und das Jahreszeitenkonzept, das den Außenraum in Funktionen des Wohnens einbezieht, sind Strategien für nachhaltiges Wohnen.
FOTOGRAFIE Jurek Brüggen
Jurek Brüggen