Der Hintergrund der Existenz
Schönheit, so sagt man, liegt verborgen im Auge des Betrachters. Was aber, wenn der Betrachter nach einiger Zeit verlernt hat, überhaupt zu schauen? Wenn die Dinge um ihn herum so selbstverständlich geworden sind, dass er sie gar nicht mehr bemerkt? Der Weg zur Arbeit, das Warten auf Bus oder U-Bahn, die Geschäfte, in denen wir unsere Lebensmittel einkaufen. Es sind jene Räume, die wir streifen im Laufe unseres Alltags. Periphere Räume, die nach einiger Zeit für uns unsichtbar geworden sind.
Die Fotokünstlerin Mona Breede hat sich in ihren Arbeiten mit jenen Räumen des Alltages auseinandergesetzt und Motive urbaner Straßenszenen mit ihrer Kamera eingefangen: Menschen auf dem Weg zur Arbeit, wartende Passanten an einer roten Ampel oder Geschäftsmänner, die eine Straße überqueren. Alltägliche Motive die trotz ihrer banalen Situationen eine geradezu unwirkliche Kraft und Schönheit ausstrahlen. Die räumliche Umgebung wird dabei zu einer Bühne, auf der die Personen agieren. Das Licht ist hell und klar und fast wirkt es, als ob es nur dafür geschaffen wurde, die ganze Szenerie auf natürliche Weise perfekt auszuleuchten. Mona Breede sagt dazu: „Neben den Hintergründen spielt auch das Licht für meine Arbeiten eine entscheidende Rolle. Mich haben immer extreme Lichtsituationen interessiert. Licht, das moduliert, kontrastreich, kraftvoll ist. Meine Zeit des Fotografierens ist nicht der Winter und der bewölkte Himmel, sondern gleißende Sonne, frühe Morgenstunden, Licht und Schatten.“
Die urbanen Räume treten in den Hintergrund der Komposition und besitzen dennoch einen ganz eigenen ästhetischen Reiz. Manche sind beliebig und könnten überall auf der Welt sein, andere dagegen sind weltbekannt wie beispielsweise das Lloyd’s Building in London von Richard Rogers oder der zentrale Boulevard im Hochhausviertel La Defence vor Paris. Doch trotz ihrer Aufsehen erregenden Architektur sind auch diese Räume alltäglich geworden und ziehen schon lange nicht mehr die Blicke der vorbeiziehenden Geschäftswelt auf sich. Mensch und Raum durchdringen einander zu einer zusammenhängenden ausgewogenen Komposition.
Und doch beschleicht den Betrachter das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Man tritt näher an die Bilder heran und sieht direkt in die Menschen hinein. Sie sind gestochen scharf abgebildet und erwecken den Eindruck als wohne man ihrem Treiben auf der anderen Straßenseite als Voyeur bei. Die Menschen erscheinen nicht mehr nur als farbige Punkte, sondern haben Gesichter und damit Identitäten, die unbewusst kleine Geschichten zu erzählen beginnen. Ihre Bewegungen bilden einen eigenen ästhetischen Reiz, der von der Frage nach ihren persönlichen Schicksalen überlagert wird. Die Orte sind dabei Zeichenträger unserer Zeit zusammen mit der Kleidung der Menschen, den Reklametafeln, Autos und den Gebäuden. Sie sind nicht inszeniert sondern entspringen einer realen Wirklichkeit. Dennoch besitzen sie keinen dokumentarischen Anspruch und spiegeln vielmehr die persönliche Sicht der Fotografin. Einige sind auch bewusst manipuliert und so liest man bei einem Motiv plötzlich auf der Anzeigentafel einer Bushaltestelle: „Der mit Abstand wichtigste Raum im Weltall ist der zwischenmenschliche.“ Die beiden Geschäftsmänner daneben laufen unbeirrt weiter mit ihren täglichen Sorgen und scheinen den Sinn dieser Worte nicht vernommen zu haben. Doch dem Betrachter wird umso mehr klar, woran es den beiden wohl besonders mangelt. Es ist der Abstand zu den Dingen, der uns die Schönheit des Alltages erst wieder zugänglich macht.
Mona Breede „Der Hintergrund der Existenz“
Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Januar 2007 in der Galerie Dittmar, Berlin
Galerie Dittmar
Augustrasse 22, 10117 Berlin
Tel: +49 30 280985 40
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