Die Raumausstatter
Tischlerei- und Studiobesuch bei Der Raum in Weißensee
Die Baubranche boomt. Die Folge: Immer mehr Bauherren wünschen sich maßgefertigte Möbeleinbauten. Wir haben die Spezialisten von Der Raum in Berlin getroffen und sie gefragt, welche handwerklichen, gestalterischen und organisatorischen Fähigkeiten eine Tischlerei haben muss, um ambitionierte Architektur- und Interiorprojekte umzusetzen.
Ein fast verwunschenes Industriegelände in der Roelckestraße in Weißensee ist der Unternehmenssitz von Der Raum. In mehreren Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 8.000 Quadratmetern entwerfen, planen und produzieren rund 40 Mitarbeiter*innen in einem interdisziplinären Team maßgefertigte Möbeleinbauten. Dem familiengeführten Unternehmen geht es derzeit wie vielen Handwerksbetrieben: Es kann sich vor Aufträgen kaum retten, denn die Baubranche floriert. In Berlin beispielsweise wird an allen Ecken neu gebaut oder umgebaut und renoviert. Und da ist im Vorteil, wer über gut ausgestattete Werkstätten sowie ausgeklügelte, digitale Planungs- und Logistiktools verfügt, um Aufträge schnell, in einem engen Zeitrahmen und vor allem handwerklich präzise umzusetzen. Der Raum arbeitet parallel an 20 bis 40 Projekten, die mehr oder weniger komplex sind.
Breit aufgestellt
Kurz nach der Wende vom ehemaligen Sozialarbeiter Dieter Baumhoff in Weißensee als Bautischlerei gegründet, ist Der Raum heute vor allem im High-End-Segment tätig und arbeitet neben Privatkunden für namhafte Architekturbüros wie Thomas Bendel, Kinzo, Graft und Bundschuh sowie für Institutionen wie Admiralspalast und Jüdisches Museum Berlin. Dabei entstehen neben singulären Aufträgen wie Küchen oder einzelne Einbauschränke auch komplexe, großvolumige Projekte. Sie umfassen sämtliche Räume eines Hauses und die dazugehörigen Einbauten wie Schiebetüren, Treppen und Einbauschränke, erzählt Mirco Baumhoff, der als stellvertretender Geschäftsführer das Werk seines Vaters fortführt. Der Raum ist spezialisiert auf individuelle Bauvorhaben, Projekte in der Masse realisiert man bisher nicht.
Materialarchiv
In den letzten Jahren hat sich der Schwerpunkt von Der Raum verschoben – hin zur verstärken Zusammenarbeit mit Architekten, erzählt Felix Lührung. Er leitet das zur Tischlerei gehörige Planungsstudio in Prenzlauer Berg, das sicherlich einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung leistet. Denn hier werden Architekten fundiert beraten, vor allem im Bereich Materialien. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil Der Raum neben dem Know-how der Mitarbeiter über ein umfassendes Materialarchiv verfügt. Egal ob feiner Carrara-Marmor, gelederter Granit, geöltes Eichenholz, Kupfer, Messing oder neuartige Materialien wie Neoterrazzo von Basis Rho: Im Planungsstudio von Der Raum können Architekten die ganze Bandbreite der Materialien kennenlernen, die Muster anfassen und als Moodboards arrangieren. Außerdem böten sie Architekten die Möglichkeit, Muster extra anzufertigen, so Lührung. Andere für den Möbelbau wichtige Elemente sind hier ebenfalls erhältlich, darunter Scharniere, Möbelknöpfe und -leuchten. Der Raum berät Architekten auch über weitere Themen im Möbelbau, wenn es beispielsweise darum geht, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten oder Lösungen zu finden, wenn Konstruktionen zu schwer zum Einbau in einem Altbau sind, wobei mit 3-D-Modellen gearbeitet wird. „Wir möchten mit dem Studio auch einen Fachaustausch ermöglichen“, ergänzt Baumhoff, der eigentlich aus dem Marketing kommt und im Betrieb vor allem organisatorische Impulse setzt.
Küchen-Minimalismus
Um Architekten und anderen Kunden zu zeigen, wie das Unternehmen gestalterisch und handwerklich arbeitet, wurde im Planungsstudio eine Musterküche aufgebaut. Basierend auf einer millimetergenauen Konstruktionszeichnung, ist die Konvent Kitchen minimalistisch gehalten und wirkt dennoch luxuriös, was vor allem an der Kombination von geöltem Eichenholz für die Fronten mit stark geäderten Quarzit für die Arbeitsplatte liegt. Dazu gesellen sich ein aufwendiges, teils beleuchtetes Schubladen- und Schrankinnenleben sowie eine mit Quarzit ausgekleidete Waschstelle nebst einem geschwungenen Wandpaneel mit Lamellenstruktur, die von einer handwerklich getischlerten Pivot-Tür verschlossen wird. Maßgefertigte Küchen sind eine Spezialität von Der Raum, was wohl auch daran liegt, dass die Küche konzeptionell im Zentrum des Hauses steht, äußerst anspruchsvoll in der Planung und oft Ausgangspunkt für die Gestaltung weiterer Räume ist.
Nachhaltig arbeiten
Der Raum gehört zu den Tischlereien, die sich professionell und sehr breit aufgestellt haben, was nur mit qualifizierten Mitarbeiter*innen und durch eine avancierte technische Ausstattung möglich ist. So gibt es auf dem Gelände in Weißensee neben der Tischlerei eine Lackiererei und sogar ein eigenes Blockheizkraftwerk, das die Holzreste in den Kreislauf zurückführt und damit die Betriebsstätten beheizt. Und das verwendete Holz? Es kommt fast immer aus lokalen Quellen – egal ob Eiche, Esche oder Kastanie. Vor allem aus Brandenburg, auch um die Wege kurz zu halten. Was neben nachhaltigen Kriterien gerade in Pandemie-Zeiten ein ziemlicher Wettbewerbsvorteil ist.