Leben auf dem Wasser
Hausboote – Beim Klang des Wortes fallen einem alte bunt gestrichene Kähne ein, mit weißen Gardinen hinter kleinen Bullaugen und Bewohner, die sich in ihrer schwimmenden Bleibe ein Urlaubs- oder Aussteigergefühl bewahren möchten. In den 1950er Jahren wurden annähernd 4000 Hausboote in Deutschland gezählt, allerdings hatte das Wohnen auf dem Wasser kein gutes Ansehen, da es aus der Wohnungsnot heraus entstand. Heute ist das anders, denn die Zeiten der beengten Wohnverhältnisse auf dem Wasser, geeignet für überzeugte Romantiker oder Freunde des Dauercampings, sind vorbei: Bereits die Einführung des englischen Begriffs „Floating Home“ zeigt, dass die modernen schwimmenden Häuser nichts mit Hausbootromantik zu tun haben.
Die Geschichte der Hausboote begann zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Amerika als alternative Wohnweise und Rückzugsort. Sie lagen in der Bucht von San Francicso vor Anker und wurden von Schriftstellern und Künstlern bewohnt, die vorzogen in der Natur zu leben. In großen europäischen Städten wie Paris oder London zogen sich ebenfalls meist Künstler aufs ruhige Wasser in schwimmende Häuser zurück. In Holland dagegen hat das Leben auf dem Wasser, das „Waterwoning“ eine lange Wohntradition, da in den Niederlanden Baugrund immer schon knapp war. Laut Schätzungen gibt es heute etwa 10.000 Hausboote im Land, davon ankern 2.500 Boote in den Grachten von Amsterdam. Sechzig Prozent der niederländischen Bevölkerung leben auf Flächen, die unter dem Meeresspiegel liegen. Das durch Eindeichung und insgesamt 3.500 Poldern gewonnene trockene Land ist durch den Anstieg der Meeresspiegel vor Hochwasser gefährdet. Deshalb hat das Ministerium für Städteplanung und Wohnen 15 Gebiete für die Entwicklung von flutresistenten Wohnmodellen ausgewiesen. Im Osten von Amsterdam auf dem künstlich geschaffenen Archipel Ijburg entsteht ein neuer Stadtteil aus Booten, Hausbooten, schwimmenden und feststehenden Häusern. Auf sieben künstlich aufgespülten Sandinseln sollen in fünf Jahren 48.000 Einwohner leben. In anderen Teilen Hollands wie im gelderländischen Maasbommel wurden Häuser entwickelt, die in Hochwasser gefährdeten Gebieten stehen dürfen. Diese so genannten Amphibienhäuser stehen auf einer Plattform und bilden mit dem Keller einen Schwimmkörper, der wie der Rumpf eines Schiffes den Häusern Auftrieb gibt. Bei Überschwemmungen treiben sie einfach auf dem Wasser. Das Hausboot als alternative Wohnform gewinnt auch in Deutschland wieder zunehmend an Bedeutung. Mehrere hundert Wohnboote gibt es bereits, vorwiegend in Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main. Die Städte rechnen mit einer Verdopplung in den nächsten fünf Jahren.
Was macht das Wohnen auf dem Wasser so attraktiv?
Am Preis kann es nicht liegen, denn selten ist er niedriger als beim Bau eines Einfamilienhauses an Land. Ein Vorteil des Wasserhauses ist die fehlende Notwendigkeit einer Baugenehmigung, da das schwimmende Haus als Sportboot eingestuft wird. Dafür benötigt man alle fünf bis zehn Jahre ein neues Schwimmfähigkeitszeugnis – einen TÜV für Wasserfahrzeuge. Der Grund für die geringe Anzahl der Hausboote in Deutschland beruht aber nicht in der fehlenden Nachfrage, sondern im Mangel an Liegeplätzen, denn die meisten Wasserflächen liegen in ausgewiesenen Gewerbegebieten. Doch Städte und Kommunen beginnen umzudenken und weisen immer mehr Liegeplätze aus. Hinzu kommt, dass man auf dem Wasser, nicht wie an Land, ein Grundstück beleihen kann und somit Hausbootbesitzer fast ausschließlich durch Eigenfinanzierung ihr schwimmendes Heim bauen.
In Deutschland war Berlin bisher das Zentrum für Hausboote, von denen viele, die in der Spree ankerten, Jahre lang nur geduldet wurden. Ein neues Hausbootprojekt der Stadt vor der Halbinsel Strahlau in der Rummelsburger Bucht drohte bereits kurz nach dem Wettbewerb im Jahr 2002 zu scheitern, da die Liegezeiten nicht geklärt werden konnten. 2007 einigte man sich schließlich auf einen Erbpachtvertrag für die Dauer von 66 Jahren mit dem Berliner Wasser- und Schifffahrtsamt. In den nächsten zwei Jahren wird es acht schwimmende Häuser geben, die nebeneinander vor der Halbinsel im Wasser liegen, fünf bis sechs Meter hoch sind und über zwei Etagen und eine Dachterrasse verfügen. Bisher liegt nur ein Entwurf für die „Floating Lofts“ vor, den das Büro Beyer und Schubert Architekten lieferte. Das erste Ansichtsexemplar soll im Frühjahr 2008 auf der Spree schwimmen.
Mit zwei größeren Pilotprojekten möchte Hamburg nun die Stadt der Hausboote werden: Im Jahr 2006 beschloss der Senat, Hausboote und schwimmende Häuser zuzulassen und für diese Standorte und Rahmenbedingungen festzulegen. Für die neue Hausbootgeneration stellte die Stadt zehn Plätze im Stile niederländischer Grachten im Eilbekanal und 18 im Hochwasserbassin in Hammerbrook zur Verfügung. In den nächsten zwei Jahren sollen 75 weitere Stellplätze folgen. Im Sporthafen der Hansestadt liegt derzeit ein Beispielentwurf für moderne Architektur auf dem Wasser: Das „Floating Home“ ein Entwurf des Hamburger Architekturbüro Förster und Trabitzsch. Das Musterhaus erinnert in keiner Weise an ein romantisches Hausboot, sondern mit 225 qm Wohnfläche eher an eine schwimmende Luxus-Villa, für die eine komplette Stromversorgung, Wasseranschluss und Abwasserentsorgung sowie ein Telefon- und Internetanschluss zum Standart gehört. Anders als noch vor 50 Jahren bedeutet das Wohnen auf dem Wasser nicht mehr auf Platz und Annehmlichkeiten zu verzichten. Die schwimmenden Häuser sind Konstruktionen aus Holz und Stahl die auf Betonhohlkörpern, den Pontons schwimmen und mit ihren eckigen Grundrissen und großen Räumen, überhaupt kein enges Kojengefühl aufkommen lassen. Ein weiterer Trumpf ist: Per Schlepper können die Plattformen an andere Liegestellen gebracht werden, so dass bei einem Umzug mit Kind, Kegel und Haus der Standort gewechselt wird.
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