Was darf ich für Dich tun
KI – Künstliche Intelligenz oder Kreative Invasion?
 
											
											
					Künstler*innen, Designer*innen und Architekt*innen steht eine Revolution ins Haus. Allerdings mit kaum kalkulierbaren Konsequenzen. Ist die KI gekommen, um einen ganzen Berufssektor zu vernichten? Oder ist sie – ganz im Gegenteil – ein potentes Werkzeug, das neue Formen des Gestaltens und Bauens ermöglicht?
Ist Kunst, die von einer KI erzeugt wurde, noch Kunst? Ein Foto, das nicht die Realität abbildet, noch ein Foto? Der Berliner Fotograf Boris Eldagsen sieht für sein Medium Diskussionsbedarf. Im März lehnte er den renommierten World Photography Award ab, der ihm für sein Werk Pseudomnesia: The Electrician verliehen werden sollte. Das Schwarzweiß-Bild zeigt zwei Frauen, die in der Realität nicht existieren: Eldagsen hatte die vermeintliche Fotografie mit einer KI erzeugt. Er bezeichnet sich als Ex-Fotograf, sieht sich aber als Künstler – und will, dass aus der Datenwolke des World Wide Web erzeugte Bilder als eine eigene Kunstform anerkannt (und gekennzeichnet) werden. Er ist damit einer von vielen, die sich fragen, wie die KI die Gestaltungswelt verändern wird. Aber einer von wenigen, die ihr den Status als Kunstform zutrauen.
Kreative Knöpfe
Als das industrielle Zeitalter die Menschen von vielen einfachen Jobs befreite, herrschte zwar Angst vor der Arbeitslosigkeit, ein großer Kummer über den Verlust stumpfer Tätigkeiten blieb hingegen aus. Endlich Zeit für die schönen Dinge! Die jetzt anbrechende KI-Revolution wirft hingegen existenzielle Fragen auf: Was definiert die Schaffenskraft des Menschen, wenn die schönen Dinge auch von Maschinen übernommen werden? Wenn die Technologie Bilder malt, Fotos macht, Tapeten gestaltet und Gedichte schreibt? Der schwedische Online-Postershop Desenio vertreibt seit 2010 Drucke von Fotografien und Kunstwerken und bewirbt die Reproduktionen von Originalen mit dem Slogan: „Kunst sollte für alle sein!“. Bei Desenio können jetzt auch Unikate erworben werden. Gestaltet werden sie von den Käufer*innen selbst – mit einem Tool namens Imaginator.
         
											
											
					
Kitsch by Pink Fairy
Allein das nach Sci-Fi-Cinema klingende Kofferwort regt die Fantasie an: Man könnte auf die Idee kommen, dass hier „imagine“ (Englisch für „vorstellen“) mit dem „Terminator“ (einem Cyborg, der die Menschheit auslöschen soll) verknüpft wurde. Seriöser ist der Verdacht, dass Desenio den zweiten Wortteil vom Generator, also einem Bilderzeuger, ableitet. Mit dem Button „Bild erstellen“ können bei Desenio mit ein paar Worten Wünsche mitgeteilt und festgelegte Stile gewählt werden, die da beispielsweise wären: Dreamscape, Impressionism, Fantasy oder Pink Fairy. Heraus kommt viel Kitsch zwischen Kaugummi, Einhorn und Popcorn. Kultiviertere Bildkompositionen ergeben sich bei Cubism, Impasto oder Paper Art. Die Werke sind unbestritten individuell. Manchem Tier fehlt schon mal eine Pfote, mancher Szenerie die Perspektive – wer sich an ähnlichen Werkzeugen wie Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion versucht hat, kennt die Bugs. Es ist aber zu ahnen, wie perfekt die Ergebnisse schon in ein paar Jahren sein werden.
Wert und Wertschätzung
Künstler*innen und Designer*innen stellen sich derweil existenzielle Fragen: Ersetzen solche Werkzeuge ihr Schaffen und ihre Werke langfristig? Worin liegt überhaupt der Wert von Kunst? Ist sie Dekoration? Oder definiert sich ihre Bedeutung außerdem durch den künstlerischen Zugang, den individuellen Ausdruck, das zeitliche Investment, die eingesetzten Ressourcen und die handwerkliche Qualität? Und wer beantwortet diese Fragen? Bisher hat der Markt den Preis eines Kunstwerks bestimmt. Aber auch die Tatsache, dass ein menschlicher Künstler im Rahmen seiner Lebenszeit nur einen begrenzten Output hat. Der 91-jährige Picasso konnte 40.000 Werke hinterlassen, der mit 28 verstorbene Egon Schiele nur gut 370. Dass jetzt noch etwas nachkommt – ausgeschlossen. Allerdings könnte eine KI auf Basis der 40.000 Picasso-Werke Picassos Stil perfekt kopieren und weiterentwickeln. Dass das Picassos Beifall fände – unwahrscheinlich. Aber dass es dekorationswütigen KI-Nutzer*innen gefällt, die in Sekunden einen Picasso nach ihren Wünschen gestalten, sofort ausdrucken und an die Wand hängen können – das beweist der Zeitgeist (oder Desenio).
         
											
											
					
Quelle: Internet
Die Tatsache, dass sich auf Basis der gesammelten menschlichen Kreativleistungen und zum Gewinn einiger Unternehmen auch der Talentloseste wie ein Künstler fühlen kann, basiert auf einer unrechtmäßigen Vereinnahmung. Ohne die vielen Millionen Kunstwerke, die digitalisiert wie Selbstbedienungsware ungeschützt im Internet herumliegen, könnte eine KI keine generierten Werke auswerfen. Auf ihrer Grundlage werden Stilrichtungen und Bildideen trainiert. Der Prozess, der hinter dem Schaffen steht, wird abgeschafft. Das Ergebnis ist ein hohles Bildwerk ohne Botschaft. Bei einer Inflation von Wert und Wertschätzung ist es dann aber auch nur logisch, dass auf digitale Retortenkunst kein wirklicher Siegeszug wartet. Wahrscheinlicher ist, dass sie mit ihrem mehrheitsgefälligen und unreflektiven Geist im Ansehen neben Wandtattoos rangiert: als Kitsch von morgen.
GENERATE: Corbusier+Einfamilienhaus+100 qm
Was aktuell im Grafikdesign schon in der Anwendung ist, wird auch andere Kreativberufe treffen. Im Interieurdesign und der Architektur könnte eine KI einen digitalen Raum oder ein Einfamilienhaus entwerfen. Statt an Picassos Output bedient sie sich vielleicht an Stilen wie Memphis, Corbusier oder der Postmoderne. Generatoren könnten schnell ein Einfamilienhaus zusammenpuzzeln. Möbelfirmen könnten sich endlose Moodboards für neue Kollektionen erstellen lassen. Und wer sich demnächst einen Becher vom 3-D-Drucker bauen lässt, möchte sich vielleicht auch ein individuelles Design generieren lassen. Ohne Frage wird KI das Arbeitsfeld Kreativer verändern. Dass sie sie konsequent arbeitslos macht, ist jedoch unwahrscheinlich. Vielleicht wird es laufen, wie schon mit der Industrialisierung – wenn es zu viel generische Einheitsprodukte und billige Massenware gibt, steigt das Interesse am Handwerk und am Unikat, an den exzentrischen Spitzen und dem individuellen Ausdruck. Zu den neuen Gestaltungsaufgaben von Designer*innen und Architekt*innen gehört jetzt auch, die eigene Zukunft zu gestalten. Und da eine Zukunft ohne KI ausgeschlossen ist, bleibt erst mal nur, die neuen Werkzeuge nach dem Vorbild des Fotografen Boris Eldagsen warm zu empfangen und darauf zu hoffen, dass sie eher Komplize als Konkurrent sind.
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