Lightopia: Die Zukunft ist Licht
Strahlende Zukunft: Licht einst und übermorgen im Vitra Design Museum.
Die Bedeutung von Licht für Kunst, Leben, Gesellschaft: Darum geht es in der neuen Ausstellung Lightopia im Vitra Design Museum, die seit vergangenem Samstag in Weil am Rhein zu sehen ist. Bis März 2014 erwartet die Besucher weit mehr als lediglich schöne Leuchten.
Das Licht der Zukunft entsteht in einem rotierenden Kolben. Ein Aufbau wie aus dem Chemieunterricht mit trüben und farbigen Flüssigkeiten und einem gestreiften Filter aus verschiedenen Steinschichten erklärt im ersten Stock des Vitra Design Museums, wie Organic Light Emitting Diodes, kurz OLEDs, entstehen. Sie werden bereits in technischen Geräten eingesetzt, aber zunehmend auch in Leuchten. Beispiele für neue Formen des Lichts befinden sich auf dem Labortisch vor der Vitrine mit dem Versuchsaufbau. Neben Leuchten und Licht-Kunst kann man einen Stoff anschauen und anfassen, den Création Baumann zusammen mit der Hochschule Luzern entwickelt hat und in den kleine LEDs eingewebt sind. E-Broidery hat bereits einen Designpreis bekommen und könnte Mode und Interiordesign beeinflussen. Lightopia hat aber nicht nur mit der Zukunft des Lichts als Thema. Ausgehend von der auf über 1000 Exemplare angewachsenen Leuchtensammlung des Museums will man laut Museumschef Mateo Kries und Kuratorin Jolanthe Kugler mit dieser Ausstellung die Rolle des Lichts im Design erforschen. Keine einfache Aufgabe, wenn man sich das Ausmaß der Thematik klar macht.
Luxusgut Licht
Zu Beginn der Elektrifizierung war Licht ein Luxusgut, das besonders reichen Menschen vorbehalten war. Global betrachtet ist das noch immer so, wie eine Lichtkarte im schwarz gestrichenen ersten Ausstellungsraum eindrucksvoll verdeutlicht. Licht ballt sich besonders in den Städten der Industrieländer, während weite Teile Südamerikas, Afrikas oder Asiens nachts im Dunklen liegen. Einige Meter weiter flackert Ingo Maurers Installation My New Flame. Sie basiert auf der gleichnamigen Tischleuchte, die eine Kerze digital imitiert. Bei seiner Installation aus dem Jahr 2012 wurde das Wachs der mehr als 60 Kerzen durch Platinen ersetzt. Sie steuern flackernde Flammen aus LEDs. Alle sind einzeln programmiert, so dass der Eindruck entsteht, als würden die Kerzen im Wind flackern. So gelingt es, das Neue in vertraute Formen zu packen.
All Star Team
Im zweiten Teil der Ausstellung sind unter dem Titel Ikonen des Leuchtendesigns bekannte Entwürfe des vergangenen Jahrhunderts für den privaten Gebrauch zu sehen. Von Peter Behrens’ Produkten für die AEG über Wilhelm Wagenfelds berühmte Tischleuchte bis hin zu Entwürfen aus den 60er und 70er Jahren wie Atollo von Vico Magistretti, die auch als Leitmotiv der Ausstellung dient, sind hier zwischen weißen Vorhangstoffen viele alte Bekannte ausgestellt. Spannender sind die Entwurfsskizzen an den Wänden, die ihre Entstehung erklären.
Licht als Erfahrung
Erlebbar wird die Wirkung von Licht im dritten Raum. In der Installation Chromotaturation von Carlos Cruz-Diez aus dem Jahr 1965 bewegt sich der Besucher durch Lichtkammern mit blauer, roter und grüner Beleuchtung aus Leuchtstoffröhren. Dabei ist das Lichts geradezu physisch erfahrbar, denn man verlässt das Kunstwerk mit einem leichten Schwindel. Und stolpert quasi auf die Tanzfläche einer Disco aus den 60er Jahren, die gleich nebenan nachgebaut wurde. Sie ist ein Beispiel für ein Phänomen, dass es ohne elektrisches Licht nicht geben würde.
Wie von der Sonne gemalt
Das Lieblingsstück der Kuratorin übersieht man fast, denn es wirkt einfach zu natürlich: Im Durchgang zum vierten Ausstellungsraum hängt eine weiße Leinwand mit einem Lichtfleck, der aussieht, als hätte ihn die Sonne „gemalt“. Sie stammt von dem jungen norwegischen Lichtkünstler und Designer Daniel Rybakken. „Es zeigt für mich, dass das Licht der Zukunft nicht kalt sein muss“, so die Kuratorin, die von Hause aus Architektin ist. Jolanthe Kugler ist auf einer verhältnismäßig kleinen Ausstellungsfläche mit ausgewählten Exponaten gelungen, ein großes Spektrum an Fragen zum Thema Licht anzuschneiden. Vieles regt zum Nachdenken an, zum Beispiel: Wer entscheidet, wie das Licht der Zukunft aussieht? Nur der Chemiker im Labor an seinem rotierenden Kolben? Kugler will mit Lightopia zu einem Diskurs zwischen Designern, Architekten, Künstlern und Biologen anregen, in dem über solche Fragen gesprochen wird.
Beiträge dazu finden sich auch im dreibändigen Ausstellungskatalog (79,90 Euro).
Lightopia ist noch bis zum 16. März zu sehen.
Die Ausstellung wird zudem durch ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Workshops sowie wechselnden Ausstellungen in der Vitra Design Museum Gallery begleitet.
Anschließend geht sie für fünf Jahre auf Tour und wird unter anderem 2015 zur Eröffnung des neuen Museums des portugiesischen Stromversorgers EDP in Lissabon gezeigt.