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Milano Design City 2021

Neue Möbel und Leuchten aus Mailand 

Das Warten auf den Salone del Mobile wird verkürzt. In der zweiten Ausgabe des Festivals Milano Design City geben die italienischen Hersteller einen ersten Einblick in ihre diesjährigen Neuheiten: in den Showrooms der Stadt sowie in virtuellen Präsentationen. Ein Streifzug durch satte Sofas, seifige Sessel und opulente Neonstäbe.

von Norman Kietzmann, 20.04.2021

Findet er statt oder nicht? Seit letzter Woche herrscht Gewissheit: Die Mailänder Möbelmesse hat von der Regierung aus Rom eine schriftliche Bestätigung erhalten, dass der Salone del Mobile wie geplant vom 5. bis 10. September über die Bühne gehen kann. Das ist eine gute Nachricht, denn sie gibt Planungssicherheit. Doch nicht alle Firmen wollen so lange warten, weil sie aufgrund des späten Termins die umsatzstarken Herbstmonate verpassen würden. Und so geht seit der vergangenen Aprilwoche, in der die weltgrößte Möbelschau zu ihrem 60-jährigen Bestehen ursprünglich hätte stattfinden sollen, das Milano Design City in die zweite Runde: ein über die Stadt verteiltes Festival, das im September 2020 debütierte.

Numerische Räume
Auch diesmal öffnen die Showrooms ihre Türen – nur auf Termin, mit wenigen zugelassenen Personen. Weil die noch immer hohen Corona-Zahlen die Anreisepläne ausländischer Gäste durchkreuzt haben, wurden viele Präsentationen ins Digitale verlagert. Es gibt Filme zu sehen, in denen Firmenchefs und Art Direktoren durch die Neuheiten führen. Auch die Designer kommen zu Wort und können im O-Ton ihre Entwürfe erklären. Cassina und Poltrona Frau inszenieren die neuen Möbel und Leuchten in virtuellen Architekturen – von mediterranen Villen über großstädtische Penthouses bis hin zu Arbeitswelten, die nonchalant zwischen Büro und Wohnzimmer oszillieren.

Cappellini hat den eigenen Showroom eins zu eins in die virtuelle Realität übertragen, sodass man auf der Webseite durch die Räume wandern, sich umschauen und per Mausklick Informationen zu den gezeigten Produkten abrufen kann. Das ersetzt natürlich nicht den realen Kontakt, das Ausprobieren der Sitzpolster und das Berühren der Materialien. Doch immerhin. In diesen nicht enden wollenden Corona-Zeiten ist es besser als nichts. Die große Live-Show kommt im September, nicht vergessen!

Sofas als Halbmonde
Schon jetzt ist absehbar, dass die neuen Möbel kommunikativer werden – und zwar auf vielfältige Weise. Am deutlichsten wird dies bei Sofas, die mit geschwungenen Rückenlehnen und Sitzflächen aufwarten und so den Blickkontakt ihrer Be-Sitzer verstärken. In Hörnchen-Form zeigt sich das Sofa Pacific, das Patricia Urquiola für Moroso gestaltet hat. Die Sitzflächen werden von wulstigen Lehnen umringt, die an aufgeblasene Airbags denken lassen. B&B Italia stellt die schwungvolle Polsterkollektion Noonu von Antonio Citterio vor, die diesmal in der Via Durini nur von außen zu sehen ist: inmitten des völlig entkernten Showrooms, der von Piero Lissoni – dem neuen Art Direktor der Marke – gerade umgebaut wird.

Sessel wie Handseife
Wie aus der Form gegangen wirkt der Sessel Soriana, der 1969 von Afra und Tobia Scarpa entworfen und nun von Cassina neu aufgelegt wurde. Die Polster werden an der Vorder- und Rückseite durch metallene Klammern umfasst, die so tief in die üppigen Schaumstoffmassen einsinken, dass gewiss keine blauen Flecken zu befürchten sind. Auch Molteni&C erweitert das Klassikerprogramm mit einer Reedition von Gio Pontis Sessel Round D.154.5 aus dem Jahr 1954. Sitzfläche und Rücken bilden zwei getrennte Volumina, die an rund gewaschene Handseifenstücke erinnern und von zwei gebogenen Holzleisten verbunden werden. Mit grafischen Qualitäten punktet der Sessel Lemni von Marco Lavit für Living Divani. Die Sitzfläche ist ein pures Stück Sattelleder, das in ein Gestell aus vier verdrehten Metallbögen eingehangen ist, die sich je nach Blickwinkel auf spannungsvolle Weise überlagern.

Schwebende Kreise
Beistelltische sind vor allem eines: rund. Die Serie Vittorio von Meridiani kommt in beerigen Lackfarben daher. Gebogene Rohrprofile aus Teakholz und handgefertigte Terrazzo-Platten treffen beim Tisch Rotin von Studio Zanellato/Bortotto für Ethimo zusammen. Ein spannender Neuzugang ist der von Cassina reeditierte Couchtisch Edison (1985) von Vico Magistretti, dessen kreisförmige Glasplatte von einem Gestell aus lackierten Gasrohren getragen wird. Auf den Spuren einer Sandrose bewegt sich der Tisch Monete von Gallotti & Radice. Der Entwurf von Massimo Castagna basiert auf scheinbar zufällig ineinander gesteckten Metallscheiben – und bringt damit ein wohl kalkuliertes Chaos in die heimischen vier Wände.

Selbstbewusste Kisten
Aufbewahrungsmöbel werden nicht länger als stumme Diener verstanden, die möglichst unauffällig im Raum verharren sollen – was angesichts ihrer Größe ohnehin nicht funktioniert. Wenn schon ein klobiges Volumen im Raum, dann bitte mit Hinguck-Qualitäten. Das Regal Hide & Seek von Pietro Russo für Gallotti & Radice fügt sich aus versetzt angeordneten Zylinderhälften zusammen, die dunkelrot oder grau lackiert werden. Schimmernde Reflexionen provoziert das Designbüro Lanzavecchia + Wai mit dem Sideboard Wave für De Castelli, das vollständig aus Kupfer gefertigt ist. Das vertikale Trägerpaneel ist mehrfach gebogen und perforiert, sodass sich die Farben und Lichter in der Umgebung auf wechselvolle Weise darin brechen. Piero Lissoni erweitert die Serie System P von Porro um ein voluminöses Show-Möbel: unten Sideboard, darüber eine große, indirekt beleuchtete Standfläche und als oberer Abschluss eine horizontale Vitrine mit schmalen, vertikalen Türen. Zusammen definieren sie einen Setzkasten im XXL-Format, der nach Belieben mit Sammelstücken gefüllt werden kann.

Atmosphäsische Arbeitsplatze
Der große Esstisch ist in Corona- und Post-Corona-Zeiten ein Universalmöbel – immer dazu bereit, sich im nächsten Moment in einen Arbeitsplatz zu verwandeln. Dass Sinnlichkeit an dieser Stelle nicht zu kurz kommt, zeigt das Modell Shiro von Oscar und Gabriele Buratti für Gallotti & Radice. Die kubische Platte aus Ebenholz ruht auf zwei ovalen Sockeln, die ebenfalls aus dem dunkel gemaserten Holz gearbeitet sind und mit feinen Kannelierungen aufwarten. Ortis ist ein kompakter, wohnzimmertauglicher Schreibtisch von Oscar und Gabriele Buratti für Lema. Die Arbeitsplatte verfügt über halbkreisförmige Enden, die von den schlanken Metallfüßen aufgegriffen werden. Sowohl freistehend als auch zur Wandmontage ist der Schreibtisch Iren geeignet, den Kensaku Oshiro für Poltrona Frau gestaltet hat. Zwei übereinander platzierte Arbeitsflächen aus lederbespannter Esche lassen sich zur Seite schieben – und geben versteckten Stauraum und integrierte Ladevorrichtungen frei.

Handwerk der Gegenwart
Zu den weiteren Highlights der Milano Design City gehört der Paravent Plot von Poltrona Frau. Der Entwurf von GamFratesi setzt mit seinem filigranen Lederflechtwerk auf handwerkliche Virtuosität. Eine luxuriöse Neuinterpretation der klassischen Neon-Arbeitsröhre ist Philippe Nigro mit der Kollektion Opéra für Barovier & Toso gelungen. Die Lichtquelle wird von einem gläsernen Schirm mit aufgeschmolzenen, spitzen Nuppen verborgen: eine Technik, Rostrato genannt, die in den Dreißigerjahren von Ercole Barovier auf Murano entwickelt wurde. Was es noch in Mailand zu sehen gibt? Erfahren wir im September, wenn mit dem Salone del Mobile die ganz große Design-Bühne endlich wieder ihren Vorhang hebt.

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Links

Milano Design City 2021

www.fuorisalone.it

Milano Design City 2020

Neustart in Mailand

www.baunetz-id.de

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