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Nicht alles Gold, was glänzt

von Claudia Simone Hoff, 23.04.2009


Es ist unübersehbar: Dieses Jahr ist Bauhaus-Jahr. Und deshalb gibt es unzählige Ausstellungen und Veranstaltungen zum 90. Gründungsjubiläum der Lehrwerkstätte. Mal mehr, mal weniger ambitioniert gestaltet und angekündigt. Klein, aber fein ist eine Ausstellung, die derzeit in Wien stattfindet: „Deutsches Silber nach dem Bauhaus“. Hier geht es nicht um die Bauhaus-Designklassiker, sondern um Prinzipien der Metallwerkstatt des Bauhauses, die in Entwürfen heutiger Gestalter weiterleben. Und manchmal eine ganz eigene Ästhetik aufweisen. Gezeigt werden einhundert ausgewählte Silber-Objekte: Tafelgeräte wie Kaffee- und Teeservices, Kannen, Obstschalen, Becher, Kerzenständer und Vasen.


Entfalten können die kostbaren Einzelstücke ihre Wirkung in der grandiosen Architektur des großen Kassensaals der Postsparkasse von Otto Wagner in der Wiener Innenstadt. Insgesamt über zweihundert Objekte von 23 verschiedenen Künstlern umfasst die Sammlung des Antwerpener Textilhändlers Vic Janssens – jetzt im Silbermuseum Sterckshof in Antwerpen ansässig –, die als eine der repräsentativsten Sammlungen deutschen Silbers gilt. Viele der Stücke knüpfen an die frühen Entwürfe des Bauhauses an.

Vorbild Bauhaus

Denkt man an Silber und Bauhaus, dann fallen einem spontan drei Namen ein, die Ikonen aus Metall schufen: Wilhelm Wagenfeld, Christian Dell und Marianne Brandt. Der von Brandt entworfene Aschenbecher aus dem Jahr 1924 wirkt so modern-zeitgenössisch, dass er noch heute von Alessi unter der Produktnummer 90046 hergestellt wird. Er veranschaulicht die Prinzipien der Metallwerkstatt des Bauhauses mit seiner reduzierten und betont strengen Designsprache auf anschauliche Weise: Zum einen baut er auf der Form der Kugel auf, zum anderen ist er mit einer blank polierten Oberfläche versehen, denn auf handwerkliche Spuren der Verarbeitung wurde im Bauhaus weitgehend verzichtet. Formal ist der Aschenbecher folgendermaßen augebaut: Die halbkugelförmige Schale wird von einem Kreuz aus schmalen Metallplatten getragen, während der Deckel mit einer kreisrunden Öffnung versehen wurde, die exakt den halben Radius besitzt wie die Schale. Gekrönt wird die grafisch perfekt austarierte Komposition durch eine Zigarettenablage in Form eines seitlichen Zylinderschnitts.

In der Metallwerkstatt des Bauhauses wurde Materialforschung groß geschrieben. Neben Metallen wie Kupfer, Messing, Bronze und Silber galt die Begeisterung besonders Nickel und Chrom, brachten diese die kühl-mechanische Wirkung der neuen Formen doch besonders gut zur Geltung. Denn man wollte sich abgrenzen vom üppigen Formen- und Materialreichtum des Jugendstils. Jetzt war eine nüchterne, zweckmäßige Formensprache gefragt – orientiert an der Maschinenästhetik der 1920er Jahre. Und so war der Experimentierfreude mit den geometrischen Grundformen wie Kugel, Kreis, Kegel, Zylinder, Quadrat oder Würfel kaum Grenzen gesetzt.

Gold versus Kunststoff

Die Künstler, die in der Sammlung von Vic Janssens vertreten sind, knüpfen an diese Bauhaus-Tradition an und belegen deren immensen Einfluss. Zahlreiche Objekte kombinieren Silber mit kostbaren Materialien wie Gold, Elfenbein, Bergkristall und Halbedelsteine, aber auch mit günstigen Materialien wie Kunststoff. Margarete und Werner Oehlschlager beispielsweise bringen bei ihrer Dose aus dem Jahr 1993 Silber mit Acryl zusammen, während es Stefan Epp, der in einer Werkstatt auf der Insel Reichenau arbeitet, edel mag. Man betrachte nur seine Terrine mit Schöpflöffel, die insbesondere durch die Beschläge aus Ebenholz besticht. In einer Wegwerf-Gesellschaft, in der es sogar Geschirr und Besteck aus Kunststoff gibt, das man nur einmal benutzt, sicherlich eine Ausnahme, auch wenn man dafür vermutlich sein Konto plündern muss.

Viele der ausgestellten Künstler arbeiten auch in ganz anderen Bereichen der Silberschmiedekunst als im Wohn- und Essbereich: im Schmuckdesign und in der Gestaltung von liturgischen Gegenständen. So auch das im internationalen Silberschmiedehandwerk fest etablierte Künstlerpaar Ulla und Martin Kaufmann. Ihre Objekte – in der Ausstellung sind ein Kaffeeservice mit Zuckerschale und Milchkännchen aus Silber und Ebenholz zu sehen – sind formal der klassischen Moderne verpflichtet. Trotz der oftmals reduzierten, strengen Formen ihrer Kunststücke schaffen sie es, mit hoher handwerklicher Fertigkeit kraftvolle Gestaltung entstehen zu lassen, was sie so erklären: „Wie die Halsreifen leben auch die Gefäße von der Spannung des nunmehr zur Gefäßwandung verbreiterten Bandes. Die Idee beruht auf der Erkenntnis der Abhängigkeit von Außen- und Innenraum und der Bedeutung des Raumes dazwischen. Normalerweise wird die Innenform eines Gefäßes durch die Außenform bestimmt und umgekehrt. Das gespannte Band hebt dieses Prinzip auf. Es ermöglicht einen dritten Weg. Innen ist hier nicht gleich außen. Die Möglichkeiten des Zwischenraumes werden ausgelotet. Von ihm gehen Experimente mit der Form aus.“

Die spannenden Ergebnisse dieser Experimente kann man in Wien betrachten – ehe man in einem der wunderbaren Kaffeehäuser einen kleinen Braunen trinkt.


Ausstellung:

Deutsches Silber nach dem Bauhaus
Wagner:Werk, Museum Postsparkasse
Georg Coch-Platz 2, A – 1018 Wien
15. April bis 23. Mai 2009
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog
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Links

Wagner:Werk

Museum Postsparkasse, Wien

www.ottowagner.com

Silberschmiede Stefan Epp

www.stefan-epp.de

Ulla und Martin Kaufmann

www.ulla-martin-kaufmann.de

Matthias Engert

www.matthiasengert.de

Forschungsarbeit

Marianne Brandt – Leben und Werk

www.mariannebrandt.de

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