Poesie & Industrie. Barbara Schmidt. Porzellandesign.
Neu im Berliner Bauhaus-Archiv: eine Ausstellung über zeitgenössische Porzellangestaltung.
In ein Schatzkästchen für Porzellan hat sich der kleine Ausstellungsraum im Berliner Bauhaus-Archiv verwandelt. Hier stellt Barbara Schmidt, Chefdesignerin von Kahla, bis November ihre Entwürfe aus: Industrieporzellan und freie Arbeiten. Wir haben die Ausstellung mit der Designerin angeschaut und sind eingetaucht in die Welt des Porzellans.
Schon als Kind hat sich Barbara Schmidt für Porzellan interessiert. Sie liebte den schönen Wunderkammer-Schrank ihrer Eltern, worin sich Versteinerungen, Familienerinnerungen, Bernstein und auch Stücke aus Porzellan verbargen. Dass Porzellan einmal Lieblingsmaterial und Berufung zugleich werden würde, war spätestens klar, als sie 1986 eine Ausbildung im Bereich „Gefäßgestaltung“ an der Burg Giebichenstein in Halle begann. Kaum hatte Barbara Schmidt ihre Ausbildung kurz nach der Wiedervereinigung 1991 beendet, begann die 1967 in Ostberlin geborene Designerin für den thüringischen Porzellanhersteller Kahla zu arbeiten. Sie ist maßgeblich mitverantwortlich für den kompletten Neustart des Unternehmens, das 1994 vom ehemaligen Rosenthal-Vorstand Günther Raithel übernommen wurde und heute von seinem Sohn Holger geleitet wird.
Raum für den Raum
Den Arbeiten für Kahla wird deshalb in der Ausstellung – neben den freien, eher künstlerischen Entwürfen der Designerin – viel Platz eingeräumt. Barbara Schmidt hat auch die Ausstellungsgestaltung übernommen, was den Objekten, aber auch dem Raum gut tut. Ausnahmsweise ist er nämlich nicht mit Vitrinen zugestellt, sondern wirkt geradezu leicht und luftig. Das kommt daher, dass Barbara Schmidt ihre Entwürfe ganz unprätentiös auf weißen Tischplatten mit einfachen Böcken arrangiert hat – ähnlich wie man es von den Kahla-Präsentationen auf Messen oder im Berliner Showroom kennt. Die Objekte werden begleitet und atmosphärisch aufgeladen von Fotografien, die speziell für die Ausstellung entstanden sind. Schön wirken in diesem Ensemble auch die vorhangähnlichen, skulpturalen Elemente aus kleinen Porzellanteilen, die den Raum subtil unterteilen.
Kampf ums Porzellan
Barbara Schmidt ist eine zurückhaltende Frau. Eine, die sich nicht in den Vordergrund drängt, obwohl sie eine der erfolgreichsten Porzellandesignerinnen Deutschlands ist. Sie hat als Designchefin großen Anteil daran, dass Kahla einer der wenigen deutschen Porzellanhersteller ist, die sich noch behaupten können im hart umkämpften (Massen-)Markt. Denn allzu viele haben der Billigkonkurrenz aus Asien und dem Preiskampf von Herstellern wie IKEA nichts entgegenzusetzen, wie aktuell die Insolvenz von Arzberg zeigt. Das liegt auch daran, dass viele Hersteller die gesellschaftlichen Veränderungen schlichtweg verschlafen haben und nach wie vor auf ihre etablierten (und kostspieligen) Klassiker setzen. Doch kaum jemand kauft heute noch ein sechs- oder gar zwölfteiliges Service oder hat bereits ein geerbtes in der Vitrine.
Massenproduziertes Geschirr von heute muss flexibel sein und nicht zu teuer – und sich abgrenzen von klassischer Manufakturarbeit. Das findet auch Barbara Schmidt und hat mit Update bereits Ende der neunziger Jahre ein Porzellan entworfen, das sie selbst auch zuhause benutzt. Es besteht aus relativ wenigen Stücken, doch die sind multifunktional einsetzbar. Startpunkt des Entwurfs waren viele unterschiedliche Schalen, aus denen alle anderen Teile der Serie entstanden sind. Die Schalen können mit einem Deckel verschlossen werden, der zugleich auch als Teller dient. Oder aber die Kollektion Café Sommelier, die Barbara Schmidt zusammen mit dem Kaffee-Sommelier Michael Gliss entwickelt hat. Sie greift den Trend Kaffee auf und bietet neben acht unterschiedlichen Tassen auch eine Kaffeemühle und einen Kaffeefilter aus Porzellan mit passender Kanne.
Der Kreis schließt sich
Meist sind es die vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die das Design von Barbara Schmidt so interessant machen. So hat sie zusammen mit der Künstlerin Inken Hilgenfeld das Projekt Last Christmas entwickelt, das aus einer Alltagsbegebenheit entstanden ist: Aus entsorgten Weihnachtsbaumstämmen mit ihren individuellen Stammenden schuf Hilgenfeld eine Installation, während Barbara Schmidt ihnen neues Leben in Porzellan eingehaucht hat – mit Bechern, Windlichtern und Vasen. Man merkt der Berlinerin an, dass sie gern tüftelt. Bevor ein Produkt zur Serienreife gelangt, zeichnet sie es und fertigt ihre Entwürfe maßstabsgetreu in Gips – statt sich nur auf 3d-Programme aus dem Computer zu verlassen. Mal geht sie durchs Archiv von Kahla, blättert in alten Formbüchern, findet in Vergessenheit geratene Dekore, demontiert sie und setzt sie neu zusammen – wie die Entwürfe Centuries und Cumulus Zwiebelle zeigen.
Dann wieder arbeitet sie mit Studenten mit dem Material. Bei dieser Zusammenarbeit – die unter dem Namen Kahla Atelier fungiert – findet auch sie Inspiration, genau wie bei ihren Reisen und Studienaufenthalten. Japan beispielsweise mag sie sehr: „Meine Reise dorthin hat mich inspiriert, insbesondere, wie dort mit Gefäßen und Materialien umgegangen wird. Es gibt in Japan nämlich keine Servicestrukturen, sondern man mischt und kombiniert die Einzelteile immer wieder neu.“ Ein Jahr in Helsinki brachte Barbara Schmidt Designer wie Kaj Franck und Hersteller wie Arabia und Iittala nahe, doch ihre Vorbilder sieht sie auch bei deutschen Gestaltern wie Wilhelm Wagenfeld, Trude Petri und Marguerite Friedlaender, die erst an der Keramikwerkstatt des Bauhauses und dann an der Burg Giebichenstein tätig war. Womit sich der Kreis schließt zu Barbara Schmidt und ihrer Ausstellung in Berlin.
Weitere Informationen:
Die Ausstellung Poesie & Industrie. Barbara Schmidt. Porzellandesign im Berliner Bauhaus-Archiv läuft bis zum 4. November 2013.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Poesie & Industrie. Barbara Schmidt. Porzellandesign. Herausgegeben vom Bauhaus-Archiv Berlin, Berlin 2013. 178 Seiten, 14,90 Euro