Menschen

Camille Walala

Über die Gestaltung von Plätzen, Museen und Hotels

Krachend bunte Häuserwände, aufblasbare Dörfer inmitten von Millionenmetropolen oder verwirrende Irrgärten aus farbigen Mustern und Spiegeln: Camille Walala weiß zu überraschen. Mit einer unübersehbaren Nähe zu Memphis, Pop-Art oder indigener Stammeskunst schafft die Designerin Räume, die Menschen zusammenbringen und erheitern sollen. Wir sprachen mit der in London lebenden Französin über die vielseitigen Möglichkeiten von Farbe, Form und 3D-Effekten, aber auch über das, was nicht geht.

von Nina C. Müller, 27.04.2020

Wo bist Du gerade, und wie verbringst Du die Quarantäne? Ich habe Glück. Wir sind gerade in einem Haus außerhalb Londons, wo wir viel Platz im Freien haben. Das macht einen großen Unterschied. Davor waren wir in London für etwas mehr als einen Monat im Lockdown. Da meine Arbeit jetzt erst einmal auf Eis liegt, treibe ich ein paar persönliche Projekte an. Ich zeichne, male und entwickle Ideen. Ich genieße es, etwas Zeit zu haben.

Wie kamst Du zu dem, was Du heute machst? Ich habe einen Abschluss in Textildesign. Allerdings reizte es mich, in anderem Maßstab zu arbeiten und Muster nicht nur auf Stoffe, sondern auch auf große Flächen aufzubringen. Mein Vater ist Architekt. Ich war also immer von Architektur umgeben, woraus meine Vorliebe für die Architektur resultiert. Und irgendwann bekam ich auch Jobs für Wandmalereien, Installationen und öffentliche Kunst.

Wie kommt man dazu, eine Tankstelle zu bemalen oder die Stadt voller aufblasbarer Objekte zu stellen? Die Tankstelle mit dem Titel „Walala Pump and Go“ mag ich sehr. Anlass war ein Festival, aber die Arbeit blieb erhalten. Sie befindet sich in einer kleinen Stadt in Arkansas, wo normalerweise nicht viel passiert. Jetzt wird sie durch die Dekorationen internationaler Künstler belebt. Die Idee für die Installation „Walala Mansions“ entstand ursprünglich für den Finanzdistrikt in London, der an den Wochenenden weitestgehend ungenutzt blieb. Ich wollte etwas schaffen, das mit der Umgebung „clasht“, etwas Albernes. Dann folgte ein ähnlicher Auftrag für Hongkong, wo ich auf einem weitläufigen Gelände eine größere und besser ausgeführte Installation realisiert habe. Auch die Straßenmöbel und Installationen der „Walala Lounge“ sollten eine Fußgängerzone in einem Londoner Viertel beleben.

Was ist die Motivation hinter Deinen Projekten? Ich mochte Farben immer sehr und bin in einer farbenfrohen Umgebung, in einer kleinen, sonnigen Stadt in der Provence, aufgewachsen. Dadurch ist das alles eine natürliche Fortführung. Meine Arbeiten bringen Menschen zusammen – und das ist auch mein Ziel. Einige reagieren überrascht, aber im Allgemeinen begeistert. Es ist toll zu sehen, wie unterschiedliche Altersgruppen und soziale Schichten gemeinsam eine gute Zeit haben. Die Leute sagen mir oft, meine Arbeit bringe sie zum Lächeln, wann immer sie daran vorbeikommen. Ich glaube, das ist einfach ein schneller, leichter Prozess.

Wenn wir von Einflüssen anderer Kulturen sprechen, wo siehst Du Dein Erbe oder Deine Vorbilder? Ich liebe afrikanische Muster, alles Grafische, Bunte, Expressive, aber auch Art-Deco und die Maler und Designer der Zwanzigerjahre wie etwa Sonia Delaunay. Ich weiß nicht, ob ich von Anfang an einen eigenen Stil hatte. Ich habe immer einfach mein Ding gemacht. In den Achtzigerjahren geboren, mochte ich die Memphis-Bewegung für ihren Umgang mit Farben und dafür, dass sie sich selbst nicht so ernst nahm. Als ich ein Buch über Memphis fand, war das eine echte Offenbarung für mich. Ich bin damit aufgewachsen und glaube, das war der Beginn meiner Inspiration. Inzwischen zeichne ich seit 15 Jahren.

Gibt es für Dich ein Zuviel an Farbe? An den Wänden meiner Londoner Wohnung habe ich gelbe Streifen, und die Möbel, Kissen und Kunstwerke sind alle recht farbig. Da sie mir jedoch nicht gehört, kann ich nicht so wild sein, wie ich gerne wäre. Grundsätzlich aber versuche ich, die richtige Balance zu finden. So auch in einer psychiatrischen Klinik in London. Sie war deprimierend und die Auftraggeber, eine Wohlfahrtsorganisation, wollten Lobby und Korridor etwas freundlicher gestalten. Ich sprach mit den Psychotherapeuten und wählte eine blasse Farbpalette, kein Schwarz oder Weiß. Alles war viel subtiler als sonst, auch formell. Es wurde eine Collage mit abgerundeten Formen, die die Patienten sehr mochten.

Wie laufen Deine Arbeitsprozesse ab? Wie kam es zum Beispiel zu der Fassadengestaltung Industry City im New Yorker Stadtteil Brooklyn? Wie gesagt, ich liebe es zu zeichnen, zu malen und zu collagieren und führe ein Zeichenbuch. Wenn ich ein Briefing bekomme, schaue ich durch all meine Studien und meine Zeichnungen und suche etwas, das mich inspiriert und mit dem Auftrag zusammenpasst. Dabei verfahre ich instinktiv. Bei der Fassadenmalerei schaute ich auf den Bau wie auf eine Leinwand, aber selbstverständlich mit einigen Beschränkungen wie die Fenster, die man ja nicht bemalen kann. Deren Raster inspirierte mich, und ich entschied mich für ein repetitives Muster, mit dem Fenster als Startpunkt. Außerdem wollte ich einen 3D-Effekt erzeugen. Bei der Umsetzung war ich zwar nervös, aber ich bin meinem Bauchgefühl gefolgt und wusste, dass es funktionieren wird.

Mit was überraschst Du uns in Zukunft? Künftig würde ich gerne mehr soziale Projekte realisieren. Eine Kooperation mit einem Koch wäre interessant, um eine Suppenküche für Obdachlose zu gestalten. Ich würde einen Ort entwerfen, an dem sich Menschen aufwärmen können, umgeben von schönen Mustern. Ich weiß noch nicht, wann es passieren wird, aber es wird passieren.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Walala Studio

Zum Profil

Camille Walala

www.camillewalala.com

Mehr Menschen

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Neue Talente

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk

Perfekt im Griff

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Eine widerständige Frau

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Der stille Star

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Das Beste aus zwei Welten

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Klasse statt Masse

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

„Der Prozess wird zum Echo“

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

„Bugholz ist eine Diva“

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Material matters

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Der Geschichtenerzähler

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Wie es Euch gefällt

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

„Ich liebe es, mit Licht zu arbeiten“

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Vom Pinselstrich zur Farbwelt

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Mehr Raum für Kreativität

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung