Frank Duffy
Für Frank Duffy ist das ideale Büro offen und flexibel. Der britische Architekt, geboren 1940, ist Mitbegründer des Büros DEGW in London, das sich mit Büroplanung und der Entwicklung von Strategien zur Gestaltung von Arbeitsplätzen beschäftigt. Er „importierte“ die deutsche Idee der „Bürolandschaft“ in die englischsprachige Welt. Seit fast 40 Jahren hilft er Unternehmen dabei, ihre Räume strategisch zu planen und die Flächen optimal zu nutzen. Duffy war 1993-95 Präsident der britischen Architektenvereinigung RIBA und wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet. Ein Gespräch über das wichtigste Briefing seiner Karriere, den Wert physischer Orte und die ärgsten Feinde der Architekten.
Mister Duffy, warum sind Sie als Architekt an Innenarchitekturthemen interessiert – wo doch die Planung von Arbeitsplätzen nie eines der Hauptbetätigungsfelder von Architekten war?
Es begann alles im Frühjahr 1962, im vierten Jahr meines Studiums an der Architectural Association in London. Wr hatten die Aufgabe erhalten, ein Bürogebäude zu entwerfen. Zu jener Zeit, da die meisten unserer Entwurfsprojekte Schulen, Wohngebäude oder Gesundheitsbauten waren und eine starke soziale Komponente hatten, waren die Briefings normalerweise ziemlich gut ausgearbeitet. Das Briefing für das Bürogebäude dagegen bestand aus einer einzigen Zeile: Entwerfen Sie ein Bürogebäude mit 15.000 Quadratmeter auf einem bestimmten Grundstück im Zentrum Londons. Da ich über Bürogebäude nichts wusste, wusste ich auch nicht, wie ich loslegen sollte. Glücklicherweise schlug ich eine Ausgabe der Zeitschrift „The Architectural Review“ gerade auf der Seite auf, auf welcher ein kleiner Beitrag über eine neuartige Art der Büroplanung in Deutschland namens Bürolandschaft stand. Der Text war mit einem ungewöhnlichen Grundriss illustriert – offen, frei fließend und nicht rechtwinklig. Die Form eines Bürogebäudes sollte empirisch aus der Studie der Kommunikationsmuster innerhalb der Organisation des Bauherrn abgeleitet werden. In jenem Sommer erhielt ich ein Reisestipendium nach Deutschland, um diese Bürolandschafts-Gebäude zu studieren. Zurück in London, verfasste ich einen Artikel über meine Erfahrungen für „Architectural Review“ und kurz darauf arbeitete ich an meinem ersten Buch „Office Landscaping“. Der offene Grundriss wurde zu meinem Schicksal.
In Ihrer Dissertation an der Princeton University konzentrierten Sie sich auf die Übersetzung von Organisationsstrukturen in Planunterlagen und Bürolayouts. Sind am Ende die Ergebnisse nicht immer ein riesiger Kompromiss, über den niemand richtig glücklich ist? Und wie steht es mit der Unternehmenshierarchie? Wie wird sie im Bürolayout widergespiegelt?
1967 erhielt ich ein Harkness Forschungsstipendium, das es mir ermöglichte, drei Jahre in den USA zu studieren, in Berkeley und Princeton. Das war eine wundervolle Erfahrung, denn ich hatte Zugang zu hervorragenden Seminaren in den Sozialwissenschaften. So konnte ich meine Leidenschaft fortführen – die Natur der Beziehung zu verstehen zwischen Strukturen der Unternehmensführung und Organisation und der physischen Form von Bürogebäuden. Im Verlauf meiner Studien flaute meine Begeisterung für die Bürolandschaft ab. In der Quickborner Methode schien sich eine logische Schwachstelle zu befinden. Denn wenn Bürolandschaften wirklich empirisch von den Kommunikationsstrukturen abgeleitet wurden – warum sah dann alles oft so gleich aus? Sicherlich musste es innerhalb von Organisationsstrukturen systemabhängige Unterschiede geben. Zum Beispiel unterschiedliche Grade von Bürokratie und unterschiedliche Intensität hinsichtlich Interaktion? Auch unterschiedliche Abstufungen bei hierarchischen Unterscheidungen innerhalb der Arbeitsplätze und unterschiedliche Grade von Offenheit? Das waren die Fragen, die ich in meiner Dissertation stellte.
Neue Kommunikationstechnologien ermöglichen Wissensarbeitern, flexibel die Orte zu wählen, an denen sie arbeiten und leben möchten. Welche weiteren Auswirkungen wird die Informationstechnologie auf die Bürogestaltung haben?
Nirgendwo ist Veränderung am Arbeitplatz augenscheinlicher zu beobachten als bei den Folgen der Explosion der Informationstechnologie in den vergangenen zwanzig Jahren. Anfang der achtziger Jahre führte DEGW eine Reihe von Studien durch, um den Einfluss der Informationstechnologie auf die Bürogestaltung zu untersuchen. Damals begannen die Computer aus zentralen Rechnerräumen zu entschwinden und ihren Weg ins Büro zu finden – Kabelsalat, Anschlussproblematik und neue ergonomische und räumliche Anforderungen inklusive. Jüngere Entwicklungen wie allgegenwärtige Erreichbarkeit haben sich derartig beschleunigt, dass die virtuelle Welt gerade so real wird wie die physischen Gefilde. In dieser virtuellen Welt haben Planer, Architekten und Innenarchitekten den moralischen Auftrag, den Wert physischer Orte zu rechtfertigen.
Welches werden nun die Gründe sein, ins Büro zu gehen und was werden die Konsequenzen sein – für die Büroplanung und für den Lebenszyklus einer Büroimmobilie als Investition?
DEGW wuchs aus unserer transatlantischen Erfahrung heraus. Als ich in Princeton war, arbeitete ich als Berater eines New Yorker Planungsbüros, JFN Associates. Es war zu jener Zeit eines der fortschrittlichsten in den USA – weit entfernt von allem, was es in Europa gab. Bei JFN lernte ich, wie praktische Raumplanung wirklich funktionierte. In klassischer Yankee-Naivität wurde die Langlebigkeit eines Projektes damals folgendermaßen ausgelegt: Die äußere Haut des Bürogebäudes wurde so entworfen, dass sie allenfalls 50 Jahre hielt; elektrische Anlagen, Klimatisierung und Kommunikationssysteme wurden auf eine Lebensdauer von 15 Jahren geplant. Die Raumplanung und Einrichtung musste gerade einmal fünf Jahre halten. Anforderungen innerhalb der Unternehmen veränderten sich so schnell, und das Arrangement von Tischen, Stühlen und Ablagesystemen hatte eine Beständigkeit von wenigen Monaten. Diese vier Abstufungen von entwerferischer Langlebigkeit nannte ich Hülle, Technische Ausstattung, Szenerie und Sets. In Zeiten des technologischen und sozialen Wandels ändern sich auch die Grundsätze, nach denen Bürobauten betrachtet werden – nicht als vollendete Einheiten, sondern als Schichtung von unterschiedlichen Graden an Langlebigkeit. Unsere Hauptaufgabe als Architekten und Stadtplaner ist es, einem nie endenden Veränderungsprozess Rechnung zu tragen.
Sie gelten als ein Fürsprecher des flexiblen Büros. Was wäre Ihr Vorschlag für mittelständische Unternehmer, die ein neues Bürogebäude bauen müssen für eine Mischung aus Mitarbeitern mit Routinetätigkeiten und Mitarbeitern, die Wissensarbeiter sind? Wie kombinieren Sie Raum für konzentrierte individuelle Arbeit und Raum, der Interaktion ermöglichen soll?
Groß, mittel oder klein spielt keine Rolle. In der Wirtschaft, die auf Wissensarbeit basiert, steigt der Anteil der Wissensarbeiter in allen Bereichen sicherlich an. Routinetätigkeiten werden zunehmend automatisiert, und altmodische Schreibtischarbeit wird weniger werden. Die Bedeutung individueller und konzentrierter Arbeit als einer Hauptdeterminante der Form des Bürogebäudes wurde überbewertet. Ich prophezeie sicherlich nicht, dass individuelle Arbeit obsolet werden wird. Meine Beobachtung geht eher dahin, dass mittlerweile in Gebäuden und Städten eine unsichtbare, uns permanent umgebende „Kommunikationswolke“ angewachsen ist ... Darin besteht das Potenzial für viel flexiblere Arten des Arbeitens und der Wahl der Umgebung. Die logische Folge ist, dass der Anteil der Bürofläche bereits stark zunimmt, der der Interaktion gewidmet ist. Das ist der Grund, warum mittlerweile viele Büroflächen Kaffee-Bars ähneln.
Welche Entwurfsmodelle würden Sie Unternehmen vorschlagen, die manchmal „Hidden Champions” genannt werden und die sich im provinziellen Abseits befinden? Diese Firmen können Mitarbeiter nicht durch ein interessantes urbanes Umfeld anziehen.
Büroarchitektur ist eine der stärksten Waffen im „War for talents”. Dennoch sollten wir uns daran erinnern, dass der Acht-Stunden-Tag und die Fünftagewoche, die klare Unterscheidung zwischen Zuhause und Arbeitsplatz lediglich kulturelle Konventionen sind und wahrscheinlich völlig überholte noch dazu. Allgegenwärtige elektronische Technologie könnte uns zum Wahnsinn treiben, indem sie von jedem Aspekt unseres Lebens Besitz ergreift. Trotzdem bin ich optimistisch, dass es in unserer Kraft liegt, den Einsatz der Zeit in zivilisiertere Formen zu lenken. Damit meine ich zum Beispiel zeitlich befristete Zusammenkünfte, die es den Mitarbeitern erlauben, in Kontakt zu bleiben. Manche könnten auch zeitweise in ihrem Haus auf dem Lande arbeiten. Sowohl für Bauherrn als auch für Entwerfer bedeutet das, das Entwurfsspektrum neu zu definieren, die Nutzung der Zeit neu zu gestalten und neue Verhaltenskonventionen einzubeziehen, die über den „Ort“ hinaus gehen. Geschäftsfelder, Organisationen und Berufstätige müssen sich nicht einzig über ein Gebäude definieren, sondern mehr noch über verbindende Werte.
Welche Bedeutung denken Sie, hat die architektonische Qualität eines Arbeitsplatzes für einen Mitarbeiter verglichen mit der Bedeutung der Arbeitsaufgabe selbst?
Der Büroarbeitsplatz ist nur ein Mittel zum Zweck – der Zweck in der wissensbasierten Wirtschaft ist vorwiegend der schöpferische Part sowie das Weitergeben von Wissen. Ich glaube, dass physische Orte wie Städte und Büros sehr wichtig sind, das Entwickeln von Ideen zu unterstützen, außerdem Wohlgefühl zu erzeugen genauso wie Gesundheit zu fördern.
In Zeiten wirtschaftlicher Krisen streichen Bauherrn die Pläne der Architekten trotz intensiver Analysen gerne zusammen. Wie können wir trotz Einsparungen dennoch die Orte schaffen, in denen wir arbeiten wollen?
Wir Architekten sind unsere eigenen ärgsten Feinde. Wie Ratten im Sack denken wir, wir könnten in Zeiten wirtschaftlicher Krisen unsere Haut retten, indem wir darauf eingehen, unsere Honorare zu kürzen. Stattdessen sollten wir unseren Bauherrn in der Einsicht unterstützen, dass das Arbeitsumfeld, wie ich es weiter oben beschrieben habe, ein wirkungsvolles Instrument ist, Geschäftsziele zu erreichen. Intelligent und erfinderisch genutzte Bürofläche kann nicht nur helfen, Kosten zu sparen, sondern auch Wert zu schaffen. Zum Beispiel, indem Räume geschaffen werden, die die Werte des Unternehmens zum Ausdruck bringen. Architektur ist Sprache! Mit anderen Worten: Wenn Entwerfer vermitteln würden, dass Büroplanung mehr als ein Kostenblock ist, vielmehr eine kraftvolle Ressource und ein messbares Business-Tool, dann wäre das ein Schritt nach vorn.
Um mit einer anderen Herausforderung zu schließen: Es gibt eine neue Klasse von Freiberuflern, Ich AGs und unabhängig Schaffenden. Was denken Sie über so genannte Co-Working Spaces, wo solche Leute einen Schreibtisch mieten und die Infrastruktur nutzen? Denken Sie, dass solche Erscheinungen ein weiteres Phänomen mit Zukunft sind?
Vor vielen Jahren, als ich erstmals über die Auswirkungen der Informationstechnologie auf die Büroarchitektur nachdachte, nutzte ich das Bild des Herrenclubs im 19. Jahrhundert – trotz seiner elitären und sexistischen Konnotationen – als ein Bild von intelligentem Gebrauch geteilter Ressourcen. Clubs basieren auf dem Prinzip zufälliger, unerwarteter Entdeckungen – hier gibt es ungeplante, aber trotzdem intellektuelle und soziale Begegnungen von Persönlichkeiten, die gemeinsame Interessen und Werte haben. Und Clubs sind im Wesentlichen soziale und unterstützende Orte: Clubmitglieder sind per Definition nicht einsam. Wir haben im 21. Jahrhundert vielleicht mehr von der Elite aus dem 19. Jahrhundert zu lernen, als wir glauben mögen!
Mister Duffy, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist die gekürzte Version eines Textes, der in Zeitschrift place 2.5 erschienen ist.
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Über die Autorin
Dorothea Scheidl-Nennemann ist seit 2000 bei der Sedus Stoll AG und dort für das Architektenmarketing zuständig.
www.sedus.de