Menschen

rAndom International

von Katharina Horstmann, 11.10.2012


Hannes Koch, Florian Ortkrass und Stuart Wood beherrschen die Kunst, den Augenblick einzufangen – und das mithilfe von ausgeklügelter Elektronik und menschlicher Spontanität. Die Gründer des Londoner Designstudios rAndom International übertragen statischen Objekten verhaltensähnliche Eigenschaften, die durch Bewegungen und Geräusche des Betrachters ausgelöst werden. Neben der Gestaltung interaktiver Galerieobjekte arbeiten sie immer wieder mit dem britischen Choreographen Wayne McGregor zusammen. In diesem Herbst werden zwei gemeinsam entwickelte Performances im Rahmen ihrer beiden Einzelausstellungen in Paris und London neu aufgeführt.
 
 
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Wayne McGregor?
 
Florian Ortkrass: Wayne McGregor hat 2008 im Rahmen eines Medienfestivals eine Installation für das Royal Opera House in London kuratiert. Unter anderem ging es darum, ein jüngeres Publikum für die Oper zu interessieren. Der Auftrag – unser erster Auftrag im Bereich Oper und Tanz – war sehr frei, es hieß schlicht: Macht etwas Interaktives. Wayne McGregor wollte wissen, was passiert, wenn das Publikum involviert wird, dass heißt wenn der Konsument, der sich normalerweise hinsetzt, zuschaut und lauscht, beim Betreten einer Halle aktiv werden muss. So entstand die Idee zu dem Projekt Audience.
 
Hannes Koch: Das Projekt besteht aus einer kleinen Gruppe von relativ abstrakten Charakteren, die ein wenig aussehen wie verspiegelte Briefbeschwerer. Einerseits haben sie ein Eigenleben, andererseits reagieren sie aber auch im Kollektiv. Wenn eine Person den Raum betritt, fangen sie an, ihr zu folgen. Das kann sehr lustig werden, wenn mehrere Menschen im Raum sind. Ein Charakter sieht dich an, dann blickt er wieder weg und konzentriert sich auf eine andere Person. Ganz intuitiv versuchst du, seine Aufmerksamkeit wieder auf dich zu ziehen. Je mehr du dich bewegst, desto mehr wirst du auch angesehen. Letztendlich werden alle Menschen im Raum zu Performern. Audience war unser erster Ausflug in die Welt der simplen Verhaltungsforschung. Bei den Charakteren handelt es sich auch um keine starren Roboter. Durch ihre simulierte „Intuition“ vermitteln sie vielmehr das Gefühl, dass es sich bei ihnen um lebende Objekte handelt.
 
Das passiert, weil sie nicht vorprogrammiert sind, sondern in dem Moment reagieren?
 
Hannes Koch: Richtig. Unsere Umgebung wird immer digitalisierter, die Technologie immer unsichtbarer. Gleichzeitig wachsen die Möglichkeiten, so dass ganze Räume auf den Menschen reagieren können. Davon wird auch das menschliche Verhalten beeinflusst und neu gesteuert. Das Thema ist sehr interessant, auch für die künstlerische Auseinandersetzung.
 
Sie versuchen also, das Verhalten zu beeinflussen?
 
Hannes Koch: Uns interessiert die natürliche Bewegung. Unser Projekt Swarm Light zum Beispiel ahmt das Verhalten eines Vogelschwarms nach. Das ganze wird nicht wie bei Audience durch die Bewegungen, sondern die Geräusche, die von dem Betrachter ausgehen, ausgelöst. Lange haben wir uns nicht getraut, die Gesten eines Menschen nachzuahmen und uns viel mit Tieren auseinandergesetzt, hatten kurz sogar die Idee, etwas mit einem Pferd zu machen. Über die menschliche Bewegung haben wir viel mit Wayne McGregor diskutiert, aber auch mit Leuten aus der Software-Entwicklung oder der Wissenschaft wie zum Beispiel Philip Barnard, der in Cambridge die „Cognition and Brain Science Unit“ geleitet hat. Zusammen haben wir ein Symposium organisiert, in dem thematisiert wurde, wie Menschen Bewegungen wahrnehmen, welche Bewegungen emotionale Auswirkungen haben, wie sich Emotionen wiederum auf Bewegungen auswirken, usw. Es geht um die Frage: Was passiert mit dem Menschen, wenn er seine eigene Bewegung sieht? Das ist eigentlich auch keine wirkliche Simulation mehr, sondern sehr nah an der Realität.
 
In Zusammenarbeit mit Wayne McGregor und dem Komponisten Max Richter haben Sie für den Berliner Kunstraum MADE das interdisziplinäre Projekt Future Self entwickelt, das sich an der Schnittstelle zwischen Theater und Galerie bewegt. Einerseits kann der Betrachter damit interagieren und andererseits haben Sie eine Performance mit zwei Tänzern inszeniert. Was hat es damit auf sich?
 
Hannes Koch: Das Projekt besteht aus zahlreichen mit LEDs bestückten Metallstäben die statisch von der Decke hängen. Wenn sich eine Person dem Objekt nähert, beginnt es dessen Bewegungen in Licht zu spiegeln. Es wird zu einer Art Spiegelbild. Für die Eröffnung der Ausstellung haben wir eine Performance mit zwei Tänzern inszeniert. Bei dieser reagiert nicht nur das Licht, sondern auch der Sound auf die Bewegungen. Die Installation ist keine Theater-, sondern eine Galeriearbeit, die eine Performance einbindet. Zurzeit ist sie in unserer Einzelausstellung „Before the Rain“ in der Galerie Carpenters Workshop in Paris zu sehen. Im Rahmen der Pariser Kunstmesse Fiac wird am 18. Oktober auch die Performance neu aufgeführt.
 
Was macht den Reiz dieser Projekte aus?
 
Hannes Koch: Ich glaube, es ist der Live-Charakter. Er birgt natürlich auch eine große Herauforderung, weil wir weniger Kontrolle über das Geschehen haben. Das sofortige Feedback ist viel aussagekräftiger als später Verkaufszahlen zu sehen oder Komplimente für ein Produkt zu erhalten. Deswegen interessiert uns auch die Interaktion, einfach beobachten zu können, wie die Menschen mit dem Gegebenen umgehen.
 
Neben ihrer Einzelschau in Paris ist zurzeit Sunlight Video im Rahmen der Ausstellung „Digital Crystal: Swarovski at the Design Museum“ in London zu sehen. Das Projekt spielt weniger mit der Bewegung und dem Verhalten als mit der Wahrnehmung und der Erinnerung?
 
Hannes Koch: Mit Study for Sunlight Video haben wir das erste Mal ein „Work in progress“ öffentlich gezeigt; das letztendliche Vorhaben ist relativ umfangreich und technisch kompliziert, deshalb haben wir mit Swarovski erst einmal die Elementarteilchen der geplanten Installation entwickelt. Diese nun gezeigten Lichtelemente sind im Prinzip einzelne „Pixel“, die mithilfe von Sonnenlicht bewegte Bilder großflächig projizieren können – und das in voller Farbe! Bei diesem Projekt steht in der Tat die Idee, etwas so offensichtlich Unsichtbares – und heutzutage Digitales – wie die einzelnen Bildpunkte wieder greifbar zu machen. Dadurch, dass für die Projektion kein künstliches Licht benutzt wird, hoffen wir auch dem Film eine sehr natürlich Qualität geben zu können. Aber erst einmal müssen wir ein paar Hundert von den Pixeln herstellen, um eine vernünftige Auflösung zu generieren.
 
Vergangene Woche hat im Londoner Kulturzentrum Barbican die Ausstellung Rain Room eröffnet: In einem Raum von 100 Quadratmetern regnet es pausenlos und trotzdem wird der Besucher nicht nass. Wie geht das vor sich?
 
Hannes Koch: Rain Room betrachtet sich im Prinzip die ganze Zeit selbst mithilfe von einem Cluster an 3D-Kameras. Sobald die Installation den Betrachter sieht, wird der kontinuierliche Regen um diese Person herum abgestellt. Somit kann man also inmitten von einem ordentlichen Unwetter stehen und den Regen auf eine physische Weise aus großer Nähe „erfahren“. Vor allem zusammen mit dem allgegenwärtigen, monotonen Klang des Regens in dem akustisch eigentlich furchtbaren Curve Space des Barbican hat die Arbeit schon eine leicht hypnotische Wirkung.
 
Während der Ausstellung wird an vier Sonntagen auch eine Performance zu sehen sein, die Sie wieder zusammen mit dem Choreographen Wayne McGregor und dem Komponisten Max Richter gestaltet haben. Was wird dabei passieren?
 
Hannes Koch: Durch die Arbeiten mit Wayne McGregor und Max Richter bekommen unsere eigenen Ansätze immer noch einmal neue Impulse. Rain Room wird sich von bis dato unbekannter Seite zeigen und noch viel detaillierter auf die Tänzer reagieren, was nur dadurch möglich ist, das die Bewegung durch den choreografischen Prozess planbar ist. Es freut uns dabei ganz besonders, Max Richter wieder dabei zu haben. Mit seiner Erfahrung in der Filmmusik kann er den durchaus „theatralischen“ Aspekt der Arbeit noch einmal verstärken.
 
Vielen Dank für das Gespräch.
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Links

rAndom International

www.random-international.com

MADE Space

www.made-blog.com

Carpenters Workshop Gallery

www.carpentersworkshopgallery.com

Wayne McGregor / Random Dance

www.randomdance.org

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