Sabine Keggenhoff
„Ein guter Entwurf ist harte Arbeit.“

Ob Penthouses, Flagshipstores, Büroflächen oder ein christliches Begegnungszentrum, Sabine Keggenhoffs Projekte sind so vielseitig wie die Innenarchitektin selbst. Als KEGGENHOFF | PARTNER gestaltet sie mit Michael Than und ihrem Team Projekte in ganz Deutschland und Europa. Im Interview spricht sie über die Stellung der Innenarchitektur in Deutschland und ihre eigene Philosophie.
Nach ihrem Schulabschluss absolvierte Sabine Keggenhoff erst eine Ausbildung zur Bauzeichnerin, bevor sie für ein Jahr in die USA ging. Dort jobbte sie unter anderem als Au-Pair, Möbelrestauratorin und Fensterputzerin. Anschließend studierte sie Innenarchitektur und ging mit einem Stipendium nach Sydney. Nach einer Anstellung bei Merkx + Girod Architects in Amsterdam machte sie sich 2001 mit ihrem Büropartner Michael Than im Sauerland selbstständig. Für das Projekt K3 – CityPastoral erhielt sie vom Bund Deutscher Innenarchitekten (bdia) den 1. Preis des Deutschen Innenarchitektur Preises 2019. Sabine Keggenhoff ist Professorin an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur und engagiert sich in unterschiedlichen Gremien.
Das Interview beginnt zehn Minuten später als geplant. Sabine Keggenhoff befindet sich noch in einer Notfall-Telefonkonferenz: ein Wasserschaden bei den Bauarbeiten im Penthouse der Elbphilharmonie. Seit zwei Jahren baut sie für eine Familie die zwei obersten Stockwerke der Hamburger Architekturikone zu einer individuellen Wohnung um – ein komplexes Projekt, wie sie durchblicken lässt. Mit vollem Elan steigt sie ins Gespräch ein.
Frau Keggenhoff, wie sind Sie zur Innenarchitektur gekommen? Als Kind verbrachte ich viel Zeit bei meiner Lieblingsnachbarin. Sie war ganz anders als die Frauen, die mir sonst damals begegneten. Eine unkonventionelle Persönlichkeit für die damalige Zeit, Kunstsammlerin mit einem Faible für Fotografie. Zusammen mit ihrem Mann lebte sie in einem modernen Bungalow mit freihängenden Möbeln und allerlei Erinnerungsstücken von ihren weiten Reisen. Diese Nachbarin gab mir den Impuls, mich entgegen dem Wunsch meiner Eltern nach einer gestalterischen Ausbildung umzuschauen und ins Ausland zu gehen. Erst wollte ich Tischlerin werden, aber die umliegenden Betriebe waren damals nicht auf weibliche Auszubildende eingerichtet. Daher lernte ich Bauzeichnerin und finanzierte mir mit Innenausbaukonzepten für diverse Tischlereien das Studium der Innenarchitektur.
Sie haben sich später als Architektin eintragen lassen. Warum war Ihnen das wichtig? Die Arbeit einer Architektin zu machen, einschließlich aller Verantwortlichkeiten, mich aber nicht so nennen zu dürfen, hat mich irgendwann gestört. Durch die uneingeschränkte Bauvorlageberechtigung, die ich bereits im Studium erwarb, konnte ich schon immer weitergehende Bauaufgaben bearbeiten. 2016 wurde mir dann der Titel nach einer umfangreichen Prüfung über den in Nordrhein-Westfalen gültigen „Genie-Paragrafen“ zuerkannt. Darauf bin ich tatsächlich stolz, denn nur wenige Innenarchitekt*innen erhalten so ihre Qualifikation zur Architekt*in.
Erfahren Innenarchitekt*innen in Deutschland zu wenig Anerkennung? Innenarchitekt*innen werden in Deutschland unterschätzt. Unsere Arbeit findet ihren Anfang in der baulichen Substanz, greift in vorhandene Strukturen und Systeme ein. Ziel ist immer die Optimierung und Individualisierung von Vorhandenem. Dies ist heute wichtiger denn je, da der Umbau im Bestand bereits heute zwei Drittel der Investitionen im Baubereich ausmacht. Tendenz steigend. Als Innenarchitekten sind wir dafür die richtigen Partner, denn wir arbeiten nicht nur im Maßstab 1:100, sondern haben die Möglichkeit, detaillierter, konzeptioneller, unmittelbar am zukünftigen Nutzer zu entwerfen. Die sinnvolle Verknüpfung der Disziplinen schafft in meinen Augen dennoch den größten Mehrwert. Ich habe mir nach dem Studium bewusst einen Job in einem interdisziplinär agierenden Büro gesucht, in dem die Innenarchitekten von Anfang an gleichberechtigt in die Planung einbezogen werden. Das wurde dann auch die Philosophie für KEGGENHOFF | PARTNER.
Im Gegensatz zu anderen Büros sind Sie nicht auf einen bestimmten Projekttyp festgelegt. Das stimmt. Für mich ist es nicht zielführend, ausschließlich monothematisch zu entwerfen. Synergie und Offenheit sind mir ausgesprochen wichtig und empfinde ich als bereichernd. Mit meinem Team gelingt es mir, die richtigen Antworten auf die individuellen Fragen unserer Auftraggeber zu finden, ob privat oder in den unterschiedlichen Dienstleistungssegmenten. Am Anfang jedes Projektes stehen ein weißes Blatt, Neugier und eine intensive Analyse. Wir entwickeln daraufhin Leitbilder, konzeptionelle Alternativen und, aufbauend darauf, Varianten. Ein guter Entwurf ist kein Zufall, sondern harte Arbeit. Diese Methode vermittele ich auch meinen Studierenden.
Ihr Büro befindet sich in Arnsberg-Neheim im Sauerland. Welche Vorteile hat das Arbeiten in der Provinz? Ich mag Stadtleben und hätte mir als junger Mensch anfangs nicht vorstellen können, in meiner alten Heimat ein Büro für Architektur und Innenarchitektur zu eröffnen. Wie so viele Dinge in meinem Leben war das nicht geplant. Ich fühle mich aber sehr wohl mit dieser Mischung aus einer kleinen Stadt und Natur. Für meine Projekte reise ich viel, die Atmosphäre, die Menschen, das Tempo hier „erden" mich. Ein weiterer Vorteil: die Netzwerke. Wir haben in Südwestfalen sehr erfahrene Handwerksbetriebe, mit denen wir auch bei deutschlandweiten Projekten zusammenarbeiten. Ebenso ist auch die Auftraggeberstruktur im Umkreis hervorragend. Zudem engagiere ich mich in der Initiative Sauerland Baukultur. Damit möchten wir das Bewusstsein für qualitative Gestaltung – innen wie außen – in der Region sensibilisieren. Diesen Austausch, diese Inhaltlichkeit schätze ich sehr und freue mich, mich hier mit meiner Stimme und Kompetenz einbringen zu dürfen.
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