Baden in natürlichem Licht
In der architektonischen Moderne sollte der Raum fließen und die Außenwände möglichst gläsern sein. So entstanden Häuser als ein Fastnichts, um fast alles zu ermöglichen. Die Architekten GH3 aus Toronto haben diese Schwerelosigkeit neu entdeckt: Sie entwarfen für einen Fotografen am Stoney Lake im kanadischen Ontario ein luftiges Bootshaus, das als Projektor und Kulisse zu verstehen ist und sich immer wieder öffnet und schließt – je nach Perspektive des Betrachters.
Der zweistöckige Pavillon mit Glasvorhangsfassade – auch Curtain Wall genannt – sitzt versteckt hinter einer Reihe Birkenbäume auf einem Sockel aus schwarzem Granitstein direkt am Seeufer. Während die nach Süden gelegene Eingangsfassade das Gebäudeinnere durch eine weiße Innenwand vor Einblicken schützt, öffnen sich die drei übrigen Fronten nach Norden zum See. Durch die großen Öffnungen fällt hier das Licht weit in den Innenraum hinein. Denn Tageslicht ist für den dort lebenden Fotografen besonders wichtig, und da er das Haus nicht nur als Wohnung, sondern auch als Studio nutzt, schöpft er die durch die Architektur geschaffenen Möglichkeiten voll aus – ein Luxus, den ein normales Atelier in der Regel nicht bietet.
Die Logik des rechten Winkels
Die dem Entwurf zugrundeliegende Typologie ist die des Lofts – ein großer offener Raum, der durch Inseln gegliedert wird, auf denen wahlweise gearbeitet, gekocht, geschlafen, geduscht oder gebadet wird. Hinter der weißen Wand am Eingang verläuft ein kleiner Flur, der Einbauschränke sowie eine Gästetoilette beherbergt. Daran schließt sich der Hauptraum des Gebäudes an, der von einer großen weißen Küchenzeile mit Kochinsel dominiert wird. Links davon, direkt am Fenster, befindet sich ein Kamin, der eher einer Sitzbank gleicht. Das Besondere: Der Rauch zieht nicht durch einen Schornstein im Dach ab, sondern wird im Boden abgeführt. Alle weiteren Möbel sind flexibel auf- und abbaubar – je nach der Nutzung des Raumes. Gewöhnlich wird die Einrichtung durch eine weiße L-förmige Couch und einen leichten, langen Aluminiumtisch, der zum Essen und Arbeiten genutzt wird, ergänzt.
Nahtloses Badezimmer
Der privatere Bereich des Bootshauses thront über dem Hauptraum auf einem Mezzanin, von wo sich ein herrlicher Ausblick auf die Umgebung bietet. Es beherbergt das Bade- und Schlafzimmer des Fotografen. Zur Abschirmung nach Außen und Unten dienen einzig und allein große Schiebetüren aus Fritteglas, das lichtdurchlässig, dabei aber undurchsichtig ist. Badewanne und Bett wurden von den Architekten so entworfen, dass sie aus einem einzigen Element zu bestehen scheinen und mitten im Raum stehen: Die Wanne ist aus einem großen linearen Monoblock aus weißem Mineralwerkstoff angefertigt, der direkt an das Bett anschließt. So kann der Fotograf vom Kopfkissen aus beobachten, wie das Badewasser einläuft und in den blubbernden Badeschaum blicken.
Hinter der Wanne stehen ein ebenfalls aus einem weißen Monoblock geformtes geometrisches Waschbecken und die Toilette; an der einzigen Wand – die auf der Seite der Eingangsfassade eingezogen ist – steht eine begehbare Dusche sowie ein schlichter Spiegel. Während die Architekten im Erdgeschoss den Fußboden aus schwarzem Granit gestalteten, ist auf dem Mezzanin alles in Weiß gehalten; selbst der Fußboden ist aus weißem Kunstharz. Dadurch beginnen die Konturen der Möbel zu verschwimmen, der Raum wirkt entmaterialisiert und vermittelt einen noch luftigeren, fast schwebenden Eindruck.
Öffnen und Schließen
Nach Außen probt das Gebäude Offenheit, wobei der Bewohner bestimmt, wann das Innere nach Außen verschlossen bleibt oder geöffnet wird. Die feingliedrige Glasfassade mit Stahlprofilen ist teilweise mit großen Schiebetüren ausgestattet. Als Schutz vor der Sonne und den Blicken neugieriger Fremder dienen nur das weiße Flachdach, die Birken vor der südlichen Eingangsfassade sowie ein individuelles Blendensystem, das das Licht reflektiert und im Raum streut. So öffnet und schließt sich der Bau immer wieder, lässt komplexe Perspektiven entstehen und durch seine Flexibilität fast alles möglich werden – perfekt für einen Fotografen.
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