Bains des Docks
Gebäude errichten, um das Ansehen beim Volk zu erhöhen? Das war schon bei den Kaisern im alten Rom so. Am beliebtesten waren öffentliche Badeanlagen, deren Errichtung zu einem regelrechten Wettbewerb zwischen den Kaisern führte. Und so wollte jeder römische Kaiser eine noch größere und stattlichere Therme bauen als sein Vorgänger. Durch diesen Architektur-Wettstreit sind der Nachwelt so gigantische Bauten wie die Caracalla- oder Trajansthermen überliefert. Thermen waren Orte, wo sich die Römer trafen, kommunizierten und entspannten und zwar jeden Tag. Die Reinigung des Körpers war in den öffentlichen Bädern ein festgelegtes Tagesritual. Beim Entwurf einer Badeanlage, die in diesem Sommer in der französischen Hafenstadt Le Havre eröffnet wurde, hat sich der Architekt Jean Nouvel von diesen römischen Thermalbädern inspirieren lassen. Er schuf das Bad "Bains des Docks", das ähnlich wie im alten Rom beliebter Treffpunkt für Menschen jeder Altersstufe und Couleur ist, die sich ganz ungestört den Badefreuden hingeben können.
Badehäuser gehörten zu den schönsten Bauten im römischen Reich: Die hellen, luftigen Räume waren von hohen Gewölben überspannt und die Wände mit bunten Mosaiken und Bildern verziert. Böden und Wände konnten aber auch aus Marmor gefertigt und Wasserhähne - wie die in Palästen - aus Silber hergestellt sein. Öffentliche Thermen waren prächtig und luxuriös ausgestattet und im antiken Rom für fast jeden zugänglich. Nouvels Badeanlage umgibt ebenfalls eine Aura des Luxuriösen, die aber nicht durch opulenten Schmuck hervorgebracht wird, sondern durch das genaue Gegenteil: Reduziertheit und die Farbe Weiß. Dabei ist der gesamte Bau ist in Weiß gehalten. Das Weiß der Steine, das Blau des Wassers und das durch die großzügigen Fenster einfallende Licht schaffen eine helle und ruhige Atmosphäre in den Räumen. Bei genügend Lichteinfall herrscht im Inneren eine stets diffuse Lichtstimmung. Die Lichtführung wurde so gestaltet, dass je nach Stand der Sonne herrliche Lichtreflexe entstehen.
Die gesamte 5000 Quadratmeter große Anlage ist von den Bauten und Schaufassaden umgeben, die durch ihre vielen Öffnungen Durch- und Einblicke ins Innere ermöglichen: Hier wird nichts versteckt. Zum Eingang hin, der an der Meeresseite liegt, werden die Öffnungen größer und bereiten den Besucher auf das Innere der Anlage vor. Die Räume der Badeanlage setzen sich aus verschieden großen Blöcken und Kuben zusammen, in die einzelne Wasserbecken eingesetzt wurden. Nouvel selbst spricht von einem "Ausgraben" der Wasserbecken. So sind einzelne Bereiche entstanden, die neben Wasserbecken auch Flächen zum Ausruhen sowie Garderoben, Duschen und Sanitäranlagen umfassen. Diese Verteilung erlaubt den Benutzern entsprechend ihrer Motivation mit Gleichgesinnten zusammenzutreffen. So sind die Schwimmer in einem eher ruhigen Bereich unter sich, wogegen im Eltern-Kind-Bereich der Geräuschpegel gern einmal etwas höher liegen darf. Jedoch sind die Geräusche in den Räumen der Anlage insgesamt sehr gedämpft, da sämtliche Decken mit Schallreduzierenden Stoffen bespannt wurden. Und auch die Öffnungen der Fassade haben eine doppelte Funktion inne: Sie lassen Licht ein und gewähren Durchblicke und sorgen zudem für eine zusätzliche Schallminimierung.
Jedes Becken ist thematisch gestaltet und nach diesem Thema richtet sich dann die Form des Beckens, die Temperatur des Wassers und das umgebene Licht. Im Spielbereich gibt es verschiedene Zonen, in denen Kinder nach unterschiedlichen Alterstufen getrennt spielen können und ein gemeinsamer Familienbereich, der von den anderen Becken durch Wasserfall-Vorhänge abgetrennt ist. Ein anderes Becken verfügt über sprudelnde Quellen, die den Badenden mit einer Massagefunktion verwöhnen. Im außen liegenden Becken können Schwimmer auch im Winter ihre Bahnen ziehen, denn das Wasser wird stets auf eine konstante Temperatur gehalten - der Technik sei Dank. Wer genug vom sportlichen Treiben hat, kann sich am Ende des Tages so richtig entspannen: in der Sauna, im Spa oder Hamman.