Brasserie in Berlin
Restaurant Remi von Ester Bruzkus im Suhrkamp-Haus

In der Berliner Gastroszene tut sich was. Neuester Zugang in Mitte: das Restaurant Remi im Suhrkamp-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz. Die niederländischen Gastronomen Lode van Zuylen und Stijn Remi haben bei der Inneneinrichtung auf Ester Bruzkus Architekten vertraut.
Wenn es in der Gastronomie schnell und gut zugehen soll, ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Lode van Zuylen und Stijn Remi trauen sich genau das zu. Die beiden Niederländer betreiben seit 2016 in der Lausitzer Straße in Kreuzberg das Restaurant Lode & Stijn, wo am Abend ein festes Sechs-Gang-Menü serviert wird. Die Gäste können zwischen einer vegetarischen und nicht-vegetarischen Variante wählen. Doch sonst gilt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.
Im zweiten Standbein soll es etwas flexibler zugehen. Remi bespielt das Erdgeschoss der neuen Suhrkamp-Zentrale in Mitte und öffnet bereits am Tage. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem man sich ungezwungen treffen kann – ob zum Zeitungslesen, einem schnellen Lunch oder zum ausgedehnten Abendessen. Wir wollen mit Einfachheit und guten Produkten glänzen“, erklärt Stijn Remi. Mittags gibt es eine kleine Auswahl wechselnder Tagesgerichte. Am Abend kann à la carte bestellt werden – auf Wunsch auch in Kombination zu einem Vier-Gang-Menü. Die Idee: Das Konzept der schnellkochenden Brasserie in die heutige Zeit zu überführen.
Offenes Raumgefüge
„Die beiden Küchenchefs wünschten, dass das Remi an die traditionellen Cafés erinnert, die sie früher zu Hause in den Niederlanden besuchten. Wir fühlten uns von der informellen Atmosphäre inspiriert“, umschreibt die Architektin Ester Bruzkus ihr Briefing für die Gestaltung der Innenräume. Und das hieß: weg mit überflüssigem Schnickschnack. Der Ort soll unprätentiös, doch alles andere als austauschbar oder banal wirken. Die Offenheit der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Suhrkamp-Verlagsgebäudes von Bundschuh Architekten galt es dabei zu erhalten. Ebenso die raue Materialität des Sichtbetons, der an den Decken, Wänden und Pfeilern zutage tritt.
Farbliche Durchdringung
Zwei Fensterfronten öffnen das Restaurant mit bodentiefen Scheiben zur Stadt. Zwischen beiden Seiten spannt sich eine offene Küche mit Korpussen aus rotem MDF. „Die Farbe wird nicht auf die Oberfläche aufgetragen, sondern alle Fasern im Inneren sind gefärbt. So offenbart sich im Querschnitt das Innere des Materials gleich seiner Oberfläche – wie bei einem Stück Butter“, erklärt Ester Bruzkus. Über der Küche hängt eine kubische Lüftungsanlage von der Betondecke herab, die von silbrig glänzenden Aluminiumlochblechen eingefasst wird. Das durchlässige Metall findet ebenso als Verblendung von Ablagen in den Küchenblöcken und rückwandigen Regalen Verwendung, diesmal jedoch in derselben tiefroten Farbigkeit wie die Küche selbst. „Vor allem eine angenehme Raumakustik war hierbei eine Herausforderung. Somit wurden sämtliche Einbauten durch integrierte Akustikelemente aktiviert, ohne die Simplizität des Entwurfs zu beeinträchtigen“, sagt die Architektin.
Leichtigkeit und Strenge
Die Küche ist nicht nur eine kulinarische Bühne, die von allen Gästen eingesehen werden kann. Sie gliedert den offenen Raum in einzelne Zonen. Diese sind entweder mit Zweier-, Vierer- oder Achtertischen bestückt, die von Ester Bruzkus für Studio Coucou entworfen wurden – jenem Label, mit dem die Berliner Architektin verschiedene Möbel aus ihren Interieurprojekten editiert. Die Tischplatten sind aus Birkenschichtholz gefertigt und mit einer hellgrauen Linoleumschicht überzogen. Als Unterbau dienen kubische Gestelle aus Stahl, deren Strenge sogleich durch die Bestuhlung aufgelockert wird.
Der Bondi Chair ist ein Entwurf des australischen Designers Fräg Woodall für den Möbelhersteller Please Wait To Be Seated. Die Rückenlehne wartet mit einer sanften Krümmung und abgerundeten Enden auf. Werden mehrere Stühle nebeneinander platziert, bilden sie eine lockere Wellenformation, die sich leicht über die harten Tischkanten emporhebt und so für einen lockeren Raumeindruck sorgt. Die Stühle kommen in naturbelassener Esche sowie in einer kurkumagelben Färbung zum Einsatz, die sich selbstbewusst von den hellgrauen Tischoberflächen sowie dem Tiefrot der Küchenblöcke und Regale abhebt. Für farbige Akzente sorgen die aus Schichtholz gefertigten Bänke, die mit einem sonnengelben Cordstoff von Kvadrat bezogen sind.
Leuchtende Verbindung
Das Gelb der Stühle und das Rot der Küche werden von der Beleuchtung aufgegriffen. Mehrere Exemplare der Hanging Lamp n°3, die Fien Muller und Hannes Van Severen für Valerie Objects entworfen haben, spannen sich mit ihren langen, bogenförmigen Hälsen von den Betonpfeilern in den Raum hinein. Für Dynamik sorgt ein von der Decke abgehangenes Lichtband, das die offene Küche in mehreren Kurvenschlägen umrundet und ebenfalls von Ester Bruzkus für diesen Ort entworfen wurde. Wie sie die Wirkung des Interieurs auf den Punkt bringt? Ganz einfach: „Frisch, zeitlos und aktuell“ – genau wie das, was im Remi auf den Tisch kommt.
FOTOGRAFIE Robert Rieger
Robert Rieger
Jahr | 2020 |
Typologie | Restaurant |
Adresse | Torstrasse 48, 10119 Berlin |
Möbel | Bondi Chair von Please Wait To Be Seated |
Tische und Sitzbänke von Ester Bruzkus | |
Kordbezug der Sitzbänke von Kvadrat | |
Leuchten | Lichtobjeke über der Küche von Ester Bruzkus, gefertigt von Lumotubo durch die Jost Dresden GmbH in Zusammenarbeit mit GKW Lichtsysteme. |
Küche | aus MDF und Aluminiumlochblech, entworfen von Ester Bruzkus |
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