Hochprozentig Down Under
Urbaner Brennkessel: Die Destillerie Archie Rose in Sydney brennt Gin, Vodka und Whiskey.
An diesem Ort bleibt keine Kehle trocken: Im Stadtteil Rosebery hat die erste Destillerie Sydneys seit über 160 Jahren eröffnet. Das Interieur von Archie Rose & Co ist ein Gemeinschaftswerk der australischen Architekten Acme & Co sowie des Handwerkmeisters Peter Bailly, der die kupferne Kessel und Apparaturen von Hand vollendete.
Großbritannien ist die Heimat exzellenter Spirituosen. Das gilt nicht nur für die Inseln jenseits des Ärmelkanals, sondern auch für die ehemaligen Kolonien in Übersee. Überall dort, wo die Regimenter ihrer Majestät neuen Boden betraten, dauerte es nicht lange, bis die Produktion von hochprozentigen Genüssen in Angriff genommen wurde. Auch in Australien begann man 1839 mit der Produktion von Gin und Whiskey. Doch ausgerechnet in Sydney setzte ein ungewöhnlicher Stillstand ein. 160 Jahre ist es her, dass in der Hafenstadt Spirituosen gebrannt wurden – ein Umstand, der nun ein glückliches Ende gefunden hat.
Auf den Apfel gekommen
Der Anstoß dafür kam aus einer anderen britischen Ex-Kolonie. Als der junge Wirtschaftsprüfer Will Edwards seinen Urlaub 2012 in New York verbrachte, wurde er dort auf die boomende Gin-Szene aufmerksam. Wer als Barkeeper in New York etwas auf sich hält, rührt die großen internationalen Marken nicht mehr an. „Think global, drink local“, lautet das Motto der Nacht. Edwards ließ sich von dieser blühenden Trinkkultur anstecken und wollte das Konzept auf Australien übertragen. Aber er musste etwas Erstaunliches feststellen: 1853 hatte die letzte Destillerie von Sydney ihre Pforten geschlossen. Gebrannt wurde seitdem höchstens illegal.
Volles Risiko
Sieben Monate lang trug Will Edwards die Idee mit sich herum. Danach fasste er einen Entschluss: Er hängte im Juni 2013 seinen gutbezahlten Job bei der Unternehmensberatung Deloitte an den Nagel und konzentrierte sich ganz auf die Gründung seiner eigenen Destillerie Archie Rose. Das Risiko, das er damit auf sich nahm, war hoch. Schließlich musste er zunächst die gesamte Manufaktur mit allem technischen Equipment einrichten und anschließend vor den Behörden beweisen, dass er vom Schnapsbrennen einiges versteht. Erst dann würde er eine offizielle Lizenz erhalten – die ihm im schlimmsten Fall auch hätte verweigert werden können. Doch dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen. Denn Edwards hatte bei der Umsetzung auf das richtige Pferd gesetzt.
Alles aus der Hand
Die Umsetzung hat er dem Handwerksmeister Peter Bailly übertragen. „Es dauerte ein Jahr, bis er aus feinstem, skandinavischem Kupfer die Apparatur anfertigte. Er benutzte keine Maschinen, sondern hämmerte alles von Hand. Drei der Kessel zählen zu den ungewöhnlichsten, die es auf der Welt gibt“, berichtet Will Edwards stolz. Mit Ausnahme der großen hölzernen Bottiche und Mühlen ist das gesamte technische Equipment direkt auf dem Fußboden von Bailly zusammengebaut worden. Die Gestaltung des Interieurs lag indes in den Händen des australischen Büros Acme & Co, das den industriellen Charme der früheren Lagerhalle erhalten – und dennoch einen Ort mit hoher atmosphärischer Dichte geschaffen hat.
Urbane Adresse
Diesen Widerspruch zu meistern, gelingt dank einer ausgewogenen, materiellen Mixtur. Die warme Farbe der Kupferkessel wird durch die backsteinernen Wände ebenso verstärkt wie durch die mitten im Raum zur Schau gestellten Eichenfässer. Diese thronen auf einer filigranen Gerüststruktur, die den Verkostungs- und Barbereich von der eigentlichen Produktion abtrennt. Während der Herstellungsprozess direkt vor den Augen der Besucher abläuft, können sie in halbrunden Sitznischen aus alten Eichenfässern Platz nehmen. Eine kupferne Bar wirkt wie ein Echo der Brennkessel und lädt zum stilvollen Probieren der vor Ort gefertigten Spirituosen ein. Auch ein Mezzanin wurde eingezogen, um privaten Dinners und Verkostungsrunden einen noch intimeren Rahmen zu verleihen.
Geschmackliche Vielfalt
Nach zwei Jahren Arbeit und fünf Millionen US-Dollar Investition war es schließlich soweit: Die Archie Rose Destilling Co. konnte im Frühsommer 2015 eröffnen. Neben einem Gin aus australischen Pflanzenextrakten werden ein Wodka sowie drei verschiedene Whiskey-Sorten gebrannt, darunter ein Single-Malt, ein weißer, ungereifter Whiskey sowie ein Roggenwhiskey. Damit keine Langeweile aufkommt, steht zudem eine wechselnde Auswahl an lokalen Bieren sowie ein gut bestücktes, internationales Spirituosen-Sortiment zur Verfügung. Lange Saufgelage sind in Sydneys neuer Destillerie allerdings keine zu befürchten. Dafür sorgt schon allein die Sperrstunde um zehn Uhr abends. Doch dafür hat Archie Rose bereits ab Mittag geöffnet.