Holznest mit Aussicht
Wegweisende Forschungsstation in Katalonien errichtet
In den Baumwipfeln eines Waldes im katalonischen Naturpark Collserola ist ein nachhaltiges Observatorium entstanden. Das Projekt „FLORA“ ermöglicht es Forscher*innen zukünftig, mit dem Wald auf Tuchfühlung zu gehen.
Ein Team von Studierenden und Forscher*innen des Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) hat eine Forschungsstation errichtet, die es Wissenschaftler*innen ermöglicht, im Kronendach eines Waldes unweit von Barcelona zu leben und zu arbeiten. Das Forest Lab for Observational Research and Analysis (FLORA) ist ein wegweisendes Projekt – nicht nur, weil es mit Holz aus regionaler, nachhaltiger Forstwirtschaft gebaut wurde. Seine gesamte architektonische Struktur wurde im Einklang mit der umgebenden Flora und Fauna gestaltet.
Null-Kilometer-Philosophie
Das nestartige Massivholzbauwerk sitzt auf Stelzen in 8,5 Metern Höhe an einem Hang inmitten eines 8.000 Hektar großen Walds im Naturpark Collserola bei Barcelona. Dieser beheimatet einen Bestand von rund 1.000 verschiedenen Pflanzenarten und 10.000 Millionen Bäumen. Von der Konstruktion bis zur Nutzung entspricht das FLORA-Lab der „Null-Kilometer-Philosophie“. Zunächst führten die Studierenden des Masterstudiums Advanced Ecological Buildings and Biocities (MAEBB) Untersuchungen durch, um die biologische Vielfalt des Waldes zu analysieren und die Fauna unterirdisch wie oberirdisch zu identifizieren. Die Ergebnisse ermöglichten es ihnen, die für die Entwicklung der Baukonstruktion erforderlichen Strukturen und Dimensionen und auch die Art der zu verwendenden Materialien zu ermitteln. Demnach eigneten sich Kiefern als optimaler Baustoff für die FLORA-Struktur. Siebzig dieser Bäume wurden entsprechend der Vorgaben zur nachhaltigen Forstwirtschaft in Collserola gefällt. Die Studierenden legten auch hier Hand an: Sie selbst verarbeiteten die Kiefern zu Brettsperrholzplatten (CLT), Brettschichtholz und Massivholz. Ein Forschungszentrum für Selbstversorger-Habitate bei Barcelona namens Valldaura Labs stellte das mobile Sägewerk und seine CLT-Presse zur Verfügung.
Holz, Kork, Netz
Der Bau ruht auf vier Holzstützen. Vom Hang aus kann man das Observatorium über eine Brücke, ebenfalls aus Brettschichtholz, betreten. Stege, zum Teil mit 12 Metern Länge, führen in verschiedene Richtungen und erweitern die Beobachtungsperspektiven auf Baumkronen oder Vögel. Alle Bauteile wurden einzeln angefertigt und dann mithilfe eines Krans in einer speziellen Reihenfolge montiert. Die Lab-Struktur ist durch zwei Schichten von Naturkorkplatten geschützt, die für Wärme- und Schalldämmung sorgen.
Ein umgebendes Netz wurde digital entworfen und dann von Hand maßgefertigt. Es soll den Hochsitz besser tarnen, indem es Pflanzen ermöglicht, entlang des Netzes zu wachsen. So verschmilzt die Struktur mit dem Wald, auch um sie vor Wildtieren zu verbergen.
Interaktion mit der Natur
Mit seiner besonderen Konstruktion bietet das FLORA-Lab Forscher*innen die Möglichkeit, sich für einen kurzen Zeitraum dort niederzulassen, um die lokale Artenvielfalt zu beobachten, sogar in Interaktion mit der Natur zu treten und Aufschlüsse über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Naturpark zu gewinnen. Dazu integriert es verschiedene Arbeits- und Projektionsflächen, Räume zur Vogelbeobachtung und Ausstattungen wie Vogelfunkgerät oder Vogelhäuschen.
Mutter der Baumkronenforschung
Inspiriert wurde das Projekt von der Arbeit der amerikanischen Biologin Margaret D. Lowman, auch bekannt als „Canopy Meg“, die als Wissenschafts-Pionierin der Baumkronenökologie gilt. Sie hat die letzten 30 Jahre damit verbracht, Baumkronenpfade zu entwerfen, um insbesondere die Blätterdächer – und so die Geheimnisse der Wälder dieser Welt – zu erforschen.
Eindämmung des Klimawandels
Das Kronendach des Waldes ist nicht nur wichtig, weil es optimale Lebensbedingungen für eine große Vielfalt von Tieren bietet. Die Baumkronen schützen auch den Waldboden, indem sie 60 bis 90 Prozent des Regen- oder Schneewassers auffangen und in den Boden versickern lassen, während sie gleichzeitig als natürlicher Regulator wirken, um die Wurzeln bei starken Regenfällen zu schützen. Außerdem nähren die Blätterdächer den Boden durch die Produktion von Laubstreu und bewahren damit seine Fruchtbarkeit. Kronendächer sind darüber hinaus von grundlegender Bedeutung für die Erhaltung des natürlichen Wasserkreislaufs, da ein Großteil des von den Bäumen aufgenommenen Wassers durch Verdunstung in die Atmosphäre zurückgeführt wird. Die Erforschung dieses Kreislaufs liefert elementare Informationen zur Analyse von Aufnahme, Speicherung und Fluss von CO2.
FOTOGRAFIE Adrìa Goula Adrìa Goula