Mit Liebe zum Handwerk und Detail
Umbau der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz von Ludescher + Lutz
Beim Umbau der „Vorarlberger Landesbibliothek“ im St. Gallusstift von Bregenz sortierte das Architekturbüro Ludescher + Lutz die Bestandsbauten radikal neu – und ging gleichzeitig mit größter Behutsamkeit und Sensibilität vor.
Die Vorarlberger Landesbibliothek ist eine Institution mit über 100-jähriger Geschichte in Bregenz am Bodensee. Nachdem die eigenen Räume im Stadtzentrum zu klein geworden waren, konnte die Bibliothek 1986 die repräsentativen Gebäude des St. Gallusstifts am östlichen Stadtrand übernehmen. Dieses ehemalige Benediktinerkloster war selbst bereits eine Umnutzung gewesen, da es zu Beginn des 20. Jahrhunderts das „Schloss Babenwohl“ der Grafen von Bregenz und dessen lieblichen Garten am Fuß des dicht bewaldeten Gebhardsberges übernommen hatte. Im Südflügel der dreiteiligen Anlage sind einige Grundmauern des Schlosses aus dem 14. Jahrhundert bis heute erhalten geblieben. Der Kern der Anlage sind allerdings Gebäude des frühen 20. Jahrhunderts, in denen sich Elemente von Neoklassizismus und Jugendstil mischen. Höhepunkt der Anlage ist sicherlich die einstige Stiftskirche, der reich verzierte „Kuppelsaal“, welcher der Bibliothek heute als repräsentativer Lese- und Veranstaltungssaal dient.
Anpassung an neue Nutzungen
Seit den Achtzigerjahren allerdings war das Ensemble unverändert geblieben, sodass ein erheblicher Sanierungsbedarf entstanden war. Zudem hatte sich auch die Nutzung von Bibliotheken in diesen 30 Jahren durch die Digitalisierung drastisch verändert. Nach einer Studie, wie das alte Kloster an die neuen Nutzungsforderungen angepasst werden könnte, wurde das Architekturbüro von Philip Lutz und Elmar Ludescher aus Bregenz mit dem Umbau beauftragt. Nach der Studie ging es zunächst vor allem um die Neuorganisation des Eingangs, um die Erschließung der verschiedenen Teile der Bibliothek sowie um den Umbau einiger Räume im Hauptgebäude.
Neue Freitreppe fürs Schloss
Im Zentrum des Entwurfs von Ludescher + Lutz steht ein neuer Haupteingang: Dieser befindet sich nun im Nordwesten und richtet sich zur Stadt. Der Weg führt durch den großzügigen Park und mittig auf das Hauptgebäude zu, das mit einer neuen Freitreppe ausgestattet wurde. Viele Besucher*innen werden sich wohl fragen, ob diese Treppe schon immer dort war, da sie sich so selbstverständlich in das Ensemble fügt. Ein Verbindungsbau aus den Achtzigerjahren zwischen Hauptgebäude und Schloss Babenwohl wurde abgerissen, sodass die Gebäude oberirdisch wieder als eigenständige Einheiten wahrgenommen werden, während sie ein unterirdischer Gang verbindet.
Der zentrale Eingang im Hauptgebäude wurde im Sockelbereich vollständig neu gebaut und in Sichtbeton gefasst. Drei neue Türen zeichnen noch die Rundbögen der historischen Fenster nach und wirken mit ihren Messingprofilen, als könnten sie selbst aus dem 20. Jahrhundert stammen. Dank der Feinfühligkeit dieses Umbaus gelingt dabei ein schwieriger gestalterischer Spagat: Denn die neue Treppe und Sockelfassade markieren einerseits den Eingang überdeutlich und erleichtern so die Orientierung für die Besucher*innen, andererseits drängeln sie sich nicht unangenehm in den Vordergrund. Sie fügen sich ins Gesamtensemble, der Eindruck bleibt harmonisch und selbstverständlich.
Spiegeldecke, Terrazzoboden, neuer Lüster
Dieser Effekt setzt sich im Inneren fort. „Wir wollen der Stimmung des Bestands entsprechen, indem wir solide Materialien wie Beton, Kalkputz und Massivholz einsetzen und diese mit einer handwerklichen Arbeit verbinden, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg noch üblich war“, so Ludescher + Lutz. Dabei greifen die Einbauten den Charakter der historischen Räume auf, fügen aber gleichzeitig neue Technik fast unsichtbar hinzu und erfüllen zeitgemäße Anforderungen wie Einbruchssicherheit, Klimaeffizienz oder Brandschutz. Im Eingang gibt es nun eine moderne Infothek mit Rechercheplätzen und einem Backoffice. Der opulente Lüster im Servicebereich wurde von den Architekt*innen selbst entworfen. Der neue Terrazzoboden im Erdgeschoss orientiert sich an den Böden in der historischen Stiftsbibliothek. Und im ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes entstand ein neuer Zeitschriftenlesesaal mit umlaufenden Holzregalen und einer vollständig verspiegelten Decke, die sich in ihrer fröhlichen Verspieltheit kaum noch als neuester Eingriff zu erkennen gibt.
Mit Liebe zum Detail
Das freudvolle Verwischen der verschiedenen Zeitschichten gelingt den Architekt*innen an vielen Stellen. Dazu gehört auch ein bemerkenswertes Detail am Rande: Durch den Umbau wurde die denkmalgeschützte Haustür des Schlosses wieder freigelegt. Deren Türblatt erfüllte aber die technischen Anforderungen nicht mehr. Die Tür wurde also ausgehängt und ist nun dauerhaft in der Diele ausgestellt. Für die neue Tür wurde der Holzbildhauer Raimund Löhr gewonnen. Die Architekt*innen zeichneten – in Anlehnung an den Roman „Geliebte Schatten“ von Grete Gulbransson, der vom Leben im Schloss erzählt – ein Rosenmotiv mit freier Hand auf, das der Bildhauer in ein neues Türblatt aus massiver Eiche schnitt und mit einem Stoßgriff aus massivem Messing ergänzte. So steht diese Tür, die wohl nur wenige Besucher*innen überhaupt entdecken werden, nun selbst als Motiv für den gesamten Umbau, der bis in die Details von einer neuen Liebe zum Handwerk erzählt. „Vielleicht gelingt es uns, hier einen Ort zu schaffen, an dem die Zeit langsamer vergeht“, sagen die Architekt*innen. „Evolution statt Revolution, wertschätzende Weiterentwicklung.“
FOTOGRAFIE Gustav Willeit Gustav Willeit