Kein Kellerkind
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In Wien ist es eine Institution: das Restaurant Gmoa am Heumarkt. 1858 gegründet, hat es nun Zuwachs bekommen in Form eines Kellers. Nein, nicht irgendein schnöder Keller. Ein Keller mit hell getünchten Decken und Wänden, einem extravaganten Blüten-Vorhang und ungewöhnlichen Leuchten. Klingt gut? Ist es auch, zumal hier das Wiener Büro Sue Architekten am Werk war.
Das Tonnengewölbe erinnert an einen Keller – das stimmt. Aber dunkel oder gar muffig ist hier unten nichts. Dies ist vor allem den weiß getünchten Wänden und Decken geschuldet. Und auch der Verzicht auf unnötige Dekoration trägt zu dem reduziert-hellen Ambiente bei, das Restaurantchef Sebastian Laskowsky beim 2007 gegründeten Büro Sue Architekten in Auftrag gab. Ein Element sticht allerdings hervor aus diesem Schwarz-Weiß: ein, an einer Theaterstange montierter Vorhang. Bei dessen farbenfrohen floralen Muster auf Schwarz handelt es sich um einen Entwurf namens Jungle von Kenzo. Dieser bringt einen schönen Farbklecks in den Raum und nicht nur das: Die flexibel einsetzbare Vorhangstange schafft intime Raumsituationen, indem man mit ihrer Hilfe Tische einfach voneinander separieren kann. Auch die Wahl der Tische selbst lässt genügend Gestaltungsspielraum: 60 mal 60 Zentimeter groß eignen sie sich für ein Tête-à-Tête ebenso wie – zusammengestellt für eine Gruppe – für eine größere Gästeschar.
Zeitlos und unaufgeregt
Der langgestreckte Raum bietet auf 118 Quadratmetern Fläche Platz für bis zu 80 Personen und ist architektonisch zweigeteilt: auf der einen Seite der Ausschank mit einer Theke und Stehtischen, auf der anderen die bequemeren Sitzgelegenheiten. Diese stehen auf einem Fußboden mit schlichten Holzlatten, die den ehemals sandigen Boden bedecken. Eine längs über den Raum laufende hölzerne Sitzbank mit hochgezogener Rückenlehne – die sich quasi übergangslos in eine Vertäfelung verwandelt – evoziert Anklänge an ein traditionelles Wiener Wirtshaus. Aus dieser Vertäfelung ragen Schirmleuchten heraus, die sich bei Bedarf hin- und her schwenken lassen und die Tische in ein warmes Licht tauchen.
Wiener Küche
Apropos Tische: Auf ihnen wird getafelt und zwar lauter kulinarische Köstlichkeiten. Eine Spezialität des Hauses sind Innereien. Und so finden sich auf der Karte gebackenes Hirn mit grünem Salat, Rahmbeuscherl mit Serviettenknödeln oder gar gebackener Kalbskopf mit Mayonnaisesalat. Wem das zu deftig ist oder wer dem Fleisch lieber ganz abschwört, ist mit einer Frittatensuppe, einem Erdäpfelstrudel mit Schafskäsefülle auf Cremespinat oder einem zuckrig süßen Preiselbeerpalatschinken ebenso gut bedient. Doch zurück zum Interieur eines der ältesten Wirtshäuser Wiens.
Ohne Schnickschnack
Während der Gast auf den stapelbaren Massivholz-Stuhlmodellen Ono des Schweizer Herstellers Dietiker sitzt, wird der Raum über der Theke von den schlichten Pendelleuchten Square Boon, die der Designer Piet Boon 2002 für Moooi entworfen hat, erhellt. Dass dieses Lokal etwas ganz Besonderes ist, wusste übrigens bereits Kronprinz Rudolf – Sohn „unserer“ Sissi. Er soll sich im Erdgeschoss heimlich mit seiner Geliebten Mary Freiin von Vetsera getroffen haben. Wie das Gmoa deshalb lange hieß? Zum Kronprinzen.
FOTOGRAFIE Hertha Hurnaus
Hertha Hurnaus
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