Ode an Beton
Tadao Ando verwandelt die Pariser Bourse de Commerce in ein Museum
Historische Pracht trifft auf puristischen Sichtbeton: Tadao Ando hat die frühere Pariser Börse und Sitz der Handelskammer in ein neues Kunstmuseum für den Sammler François Pinault umgebaut. Die geplante Eröffnung am 23. Januar wurde Corona-bedingt verschoben. Wir werfen schon jetzt einen Blick hinein.
Nun also doch. Als François Pinault seine Kunstsammlung zur Jahrtausendwende in Paris ausstellen wollte, ließ man ihn abblitzen. Der Gründer des Luxusgüterkonzerns Kering, zu dem Marken wie Gucci, Saint Laurent oder Balenciaga gehören, sammelt seit den Siebzigerjahren. Um seine Werke der Öffentlichkeit zu zeigen, sollte ein Museum auf der Insel Seguin im Südwesten der französischen Hauptstadt entstehen.
Renault ließ dort von 1929 bis 1992 Autos produzieren, danach standen die Fabrikhallen leer. Auf einem Teil der Insel wollte Pinault 1999 einen Beton- und Glasbau von Tadao Ando errichten. Doch dann kam alles anders. Als die Abrissbagger anrollten, gab es einen Aufschrei. Ein Denkmal der französischen Industriegeschichte für ein kapitalistisches Prestigewerk opfern? Das kam für die Vertreter der Sozialistischen Partei und der Gewerkschaften nicht in Frage. Der Streit kochte immer weiter hoch, bis Pinault 2005 aufgab und stattdessen nach Venedig ging.
Historisches Denkmal
In Paris hat sich seitdem viel verändert. Mit Anne Hidalgo zog inzwischen eine neue Bürgermeisterin ins Rathaus, die zwar auch der Sozialistischen Partei angehört. Doch sie verstand, dass ein solches Privatmuseum mehrere hunderttausend Besucher im Jahr an die Seine locken würde. Und so wurde 2016 der rote Teppich für François Pinault ausgerollt – und ihm ein historisches Denkmal mitten im Zentrum angeboten: Die 1767 eröffnete Bourse de Commerce, die zunächst als Getreidemarkt diente, dann im 19. Jahrhundert für mehrere Dekaden die Pariser Börse beherbergte und später als Sitz der städtischen Handelskammer fungierte. Letztere ist nun an einen anderen Standort umgezogen, während das kreisrunde Gebäude – das sich zu Beginn des Museumsprojektes noch in Privatbesitz befand – von der Stadt zurückgekauft und für fünfzig Jahre in Erbpacht an Pinault überlassen wurde.
Ring aus Sichtbeton
Dieser hat sich damit ein Juwel in der Stadt gesichert – direkt am Park Nelson Mandela im Westen des Umsteigebahnhofs und Einkaufszentrums Les Halles. Und noch viel wichtiger: Seine Sammlung liegt nun auf halbem Wege zwischen Louvre und Centre Pompidou – wodurch ein neuer Parcours für das kunstaffine Publikum entsteht. Auch der Umbau der Bourse de Commerce, die diesen Namen weiterhin tragen wird, lag in den Händen von Tadao Ando. Das sichtbarste Element seiner Transformation ist ein zehn Meter hoher Zylinder aus Sichtbeton, der inmitten des runden Innenhofes platziert wurde. Er formuliert einen spannenden Kontrast zum umlaufenden Fresko, das den Handel mit der Welt symbolisiert und zeitgleich mit der gläsernen Kuppel im 19. Jahrhundert entstand.
Zeitreisendes Rund
Der Betonring schafft einen neutralen Ausstellungsraum – und blendet zugleich die zahlreichen Türen und Rundbögen aus, durch die der Innenhof sowie die einstigen Arbeitsräume der Händler erschlossen wurden. An der Außenseite des Betonrunds führen zusätzliche Treppen auf eine begehbare, kreisförmige Ebene hinauf, die zur Erschließung des Obergeschosses dient. Ingesamt 6.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche verteilen sich auf zwei Hauptgeschosse und ein Mezzanin. In den Kellergewölben entstanden ein Foyer, ein Black-Box-Theater für Videoarbeiten und Performances sowie ein 284-Plätze-Auditorium für Lesungen, Konferenzen und Konzerte. „Durch das Einfügen neuer Räume und das Respektieren der Erinnerungen der Stadt, die in diese Wände eingeschrieben sind, möchte ich das gesamte Gebäudeinnere in einen Ort für zeitgenössische Kunst transformieren. Das Gebäude soll die Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft verbinden“, sagt Tadao Ando.
Spezifische Designlösungen
Doch nicht nur die bauliche Verwandlung der Bourse de Commerce lohnt einen Blick. Für die Möblierung und Beleuchtung der Ausstellungsräume sowie des Restaurants wurden die Brüder Ronan und Erwan Bouroullec beauftragt. „Es gab zahlreiche Diskussionen mit François Pinault, der sich sehr für Design interessiert. Wir haben viel gezeichnet, die Vorhänge, die Teppiche, die Beschilderungen, einen großen Lüster. Und natürlich den Rope Chair, der von Artek produziert wird. Er wird im Museum in einer Sonderfarbe zu sehen sein, einem hellen Grauton, passend zum Sichtbeton von Tadao Ando“, erzählte uns Ronan Bouroullec im Vorfeld der geplanten Eröffnung. Diese wurde erst von Juni 2020 auf den 23. Januar 2021 verschoben und dann erneut vertagt. Aktuell wird auf eine finale Freigabe seitens der Gesundheitsbehörden gewartet. Doch ganz gleich, ob diese im späten Frühling oder Sommer erfolgt: Nach mehr als zwanzig Jahren ist François Pinault an sein Ziel gelangt.
| Projekt | Bourse de Commerce – Pinault Collection |
| Adresse | 2 Rue de Viarmes, 75001 Paris |
| Typologie | Getreidespeicher, Börse, Handelskammer, Kunstmuseum |
| Erbaut | 1767 von Nicolas Le Camus de Mézières |
| Umbau | Tadao Ando Architect & Associates |
| Möbel, Leuchten, Restaurant | Ronan & Erwan Bouroullec |
| Stühle | Rope Chair von Ronan & Erwan Bouroullec für Artek |
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