Pyramide aus Luft
Innovationszentrum in Chile von Pezo von Ellrichshausen

Forschung braucht den kollektiven Austausch genauso wie die individuelle Reflexion. Mit einem neuen Zentrum für die chilenische Universidad del Bío-Bío übersetzt das Architekturbüro Pezo von Ellrichshausen beide Nutzungsansprüche in eine räumliche Struktur. Um den Kern platzierten die Planer*innen fließende und offene Räume, die sich wie kleiner werdende Ringe über die Etagen nach oben fortsetzen. Rückzug bieten die Ecken des Grundrisses, wo private Arbeitsräume beim Denken und im Diskurs als Enklaven dienen.
Ein Gebäude als Zuhause für die Innovation – so lautete der Auftrag an das chilenische Studio Pezo von Ellrichshausen. Die beiden Architekt*innen Maurizio Pezo und Sofía von Ellrichshausen führen ihr Büro in Concepción, einen knapp 220.000 Einwohner*innen zählenden Ort, der zentral an der Küste liegt. Die Gegend am Pazifik und entlang des Flusses Bío-Bío ist nach der Hauptstadt Santiago das zweitwichtigste wirtschaftliche Zentrum und Sitz einiger Universitäten. Als die Universidad del Bío-Bío zuletzt eine bauliche Erweiterung plante, wandte sie sich an das renommierte Architekt*innen-Duo aus der eigenen Heimat. Schon 2013 begann die Planung, fertig gestellt wurde der karminrote Bau mit 2.000 Quadratmetern auf fünf Etagen aber erst 2021. Als frei stehender Solitär ergänzt er den Campus für die Fachbereiche Ingenieurwesen, Wirtschaft und Architektur um einen gemeinsamen Raum und bringt die Forschenden in den Dialog.
Positive und negative Volumen
Das neue Zentrum namens INES scheint zu schweben. Mit seiner leicht vom Boden abgesetzten Basis wird eine Schattenfuge zwischen Block und Boden erzeugt. Sein Äußeres ist simpel, grafisch und auch im übertragenen Sinne abgehoben: Die Architekt*innen haben dem einfachen Quader lamellenförmige „Flügelchen“ verpasst, die jeweils auf Bodenebene der Geschosse um das Gebäude laufen. Die Fassade selbst ist komplett aus Glas und legt das innere Skelett der Konstruktion offen. Damit erinnert das Innovationszentrum an eine chinesische Pergola, die aber mit orthogonalen Winkeln und Beton als dominierendes Material solide und modern wirkt. Aufgelöst wird die äußere Strenge im Innern, wo die Architekt*innen mit positiven und negativen Volumen spielen. In die durch die Etagen gerasterte Box wurde ein kegelförmiger Leerraum konstruiert, der eine Pyramide aus Luft zeichnet. Über die Geländer geht der Blick auf die darunter liegenden Etagen, nach oben verjüngen sich die kreisförmigen Öffnungen in den Bodenflächen bis auf eine kleine Lichtluke im Dach.
Dialog zwischen den Ebenen
Die vertikal zulaufende Sichtachse gen Himmel wird zum Spiegel einer Nutzungsdynamik zwischen kollektiv und individuell. Die räumliche Struktur basiert auf einem offenen Kern und privaten Arbeitsräumen, die in den Ecken in viertelkreisförmigen Grundflächen untergebracht sind. Nach oben wird es immer privater. Die Flächen für die abgeschlossenen Räume wachsen, während die zentralen Öffnungen ebenso wie die Begegnungs- und Transitflächen schrumpfen. Kein Raum gleicht dem anderen und jede Fläche lädt die Professor*innen, Student*innen, Forscher*innen oder Besucher*innen ein, sie individuell für ihre Aufgaben und Anforderungen zu gestalten. Einen Hinweis auf das dynamisch aufgeteilte Layout gibt auch die Fassade. So haben die Architekt*innen halbkreisförmigen Ausschnitte in den Sonnenschutzflächen vorgesehen, die in der Vertikalen versetzt und jeweils parallel zu den Wänden der Arbeitsräume platziert sind.
Innovativ wie die Forschenden
Pezo von Ellrichshausen haben mit dem INES-Forschungszentrum ein Gebäude entworfen, das die inhaltliche Ausrichtung der Forschenden selbst zum Thema macht. Es fördert Innovation durch die gemeinsame kreative Erfahrung auf den offenen Transitflächen und bietet an den Rändern abgeschiedene und reflektive Momente. Für diese beiden Zustände der forschenden Arbeit konstruierten die Architekt*innen ein Layout mit klaren Demarkationslinien, das durch seine fluide Linienführung aber dazu einlädt, die Grenzen immer wieder zu passieren.
FOTOGRAFIE © Pezo von Ellrichshausen
© Pezo von Ellrichshausen
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