Ruhepol am Kattegat
Strandhaus Heatherhill von Norm Architects

Rund 50 Kilometer nördlich von Kopenhagen liegt der Küstenort Vejby. Inmitten der Dünen haben Norm Architects das Strandhaus Heatherhill realisiert. Holzverkleidete Fassaden und begrünte Dächer verstärken den Kontakt mit der Natur. Das puristische Interieur wirkt wie ein Rahmen, der die Schönheit der Landschaft in Szene setzt.
In einer immer hektischeren Welt braucht es Ruhepole. Das Bauen kann dazu ein Schlüssel sein. Nicht weniger als einen „Ort, an dem der Stress des täglichen Lebens dahinschmilzt und durch ein tiefes Gefühl des Seelenfriedens ersetzt wird“, hatte das dänische Büro Norm Architects im Sinn, als es das Ferienhaus Heatherhill am Kattegat konzipierte. Wind und Meer können an der Nordspitze der Insel Seeland überaus stürmisch sein. Die Architektur muss dem rauen Wetter standhalten, ohne sogleich in den Reflex zu verfallen, einen Bunker zu konstruieren. Als Referenz wurde daher eine Typologie gewählt, die sich in der Region bewährt hat: das traditionelle dänische Sommerhaus mit Satteldach und holzverkleideten Fassaden.
Silbriges Gewand
Vom Strand aus wirkt das Gebäude wie eine große Scheune. Die mit Seegras bewachsenen Dünen verdecken die großen Panoramafenster. So sind nur die Spitzdächer des zweigeteilten Baukörpers zu sehen, die sich zu einer markanten Zickzack-Linie ergänzen. „Das Profil der Scheunenstruktur steht in scharfem Kontrast zu den sanften Hügeln und der gewellten Landschaft, die das Haus umgeben“, erklären die Architekt*innen. Die Zedernholzverkleidung verleiht dem Haus eine warme Tonalität, die im ständigen Kontakt mit Sonne und Meeresluft eine silbrig glänzende Patina annehmen wird. So fügt sich das Gebäude noch dezenter in die karge Dünenlandschaft ein.
Verstärker des Lichts
„Holzarchitektur schafft unaufdringliche Ausdrucksformen von zeitloser Schönheit, die uns von Generation zu Generation weiter ansprechen werden. Die im Holz sichtbaren Spuren des Lebens sind eine bescheidene Erinnerung an unsere eigene Vergänglichkeit“, ist Jonas Bjerre-Poulsen überzeugt. 2008 hat er das Büro Norm Architects zusammen mit Kasper Rønn in Kopenhagen gegründet. Zwei Achsen lassen die Räume ineinander übergehen und verbinden so die verschiedenen Funktionen des Hauses. „Ganz gleich, ob man den Blick aus dem Innenraum schweifen lässt oder nach draußen tritt, die natürliche Schönheit, die dieses Haus umgibt, ist ständig präsent. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang werden die wechselnden Lichtstimmungen der Natur zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens“, betont Kasper Rønn.
Holz und Terrakotta
Die Materialität des Holzes setzt sich in den Innenräumen fort. Für die Verkleidungen der Wände, Decken, Fensterrahmen und Treppenstufen kommen Douglasiendielen von Dinesen zum Einsatz, deren Oberflächen mit Lauge behandelt wurden. Auch Einbaumöbel wie in Nischen eingelassene Regale, Sitzbänke unterhalb der Fensterfronten oder zwischen zwei Wänden eingespannte Tische sind aus dem hellen Holz gearbeitet. Die Böden im Wohnzimmer, in der Küche und im Essbereich sind mit hellen, handgearbeiteten Tonziegeln verkleidet, die leicht changierende Farben und Oberflächenstrukturen besitzen. Sie greifen die Tonalität des Holzes auf. Zugleich erzeugen sie mit ihren cremefarbenen Fugen ein orthogonales Raster, das sich wie ein minimalistisches Dekor von der monochromen Materialität des Holzes absetzt.
Harmonische Farbwelt
Die Fugenfarbe korrespondiert mit der Rückwand des Wohnzimmerkamins, die mit Dolomite Plaster des 2019 in Dänemark gegründeten Herstellers St. Leo verputzt ist. Eine vertikale Ablage unterhalb des Kamins ist ebenso wie die Kücheninsel aus Travertin gearbeitet. „Die helle Ton-in-Ton-Materialpalette schafft ein luftiges, offenes Gefühl, das den Innenraum in ein weiches, diffuses Licht taucht. Diese Art und Weise, das natürliche Licht zu verstärken und so die Tageszeiten auf subtile Weise hervorzuheben, war ein wichtiger Faktor für die Gestaltung des Projekts“, sagt Kasper Rønn.
Von Dänemark nach Japan
Bei der Einrichtung dürfen skandinavische Klassiker nicht fehlen – wie der PK 22 Sessel (1957, Fritz Hansen) von Poul Kjaerholm mit Rücken und Sitzfläche aus geflochtenem Rohr. Im Wohnzimmer wird daneben ein Backenzahn-Hocker platziert, den Philipp Mainzer 1996 für e15 entwarf. In der Raummitte steht das modulare Sofa Extrasoft (2008) von Piero Lissoni für Living Divani. Der Esstisch wird vom Bugholzstuhl 209 (1871) von Thonet mit seinen markant gebogenen Armlehnen umringt. Auf dem Schreibtisch zieht die Papierleuchte Akari von Isamu Noguchi (1951, produziert von Vitra) die Blicke auf sich. Als Sitzmöbel dient der Wishbone Chair (1949) von Hans J. Wegner für Carl Hansen & Søn.
Sensorisches Erlebnis
Das Ergebnis ist eine stilistische Reise, die von Dänemark über Deutschland, Österreich und Italien bis nach Japan führt. Was die Arbeiten verbindet: Die puristische Formensprache erscheint nie schroff oder kalt, sondern wird mit sinnlichen Materialien ganz klar ins atmosphärische Wärmespektrum verschoben. „Alle Oberflächen und Texturen wurden mit Bedacht ausgewählt, um einen Raum zu schaffen, der nicht nur die Augen, sondern auch den Tastsinn anspricht. Durch diese bewusste Herangehensweise wird das Zusammenspiel der Elemente zu einem intensiven sensorischen Erlebnis, das über die reine Ästhetik hinausgeht“, erklärt Jonas Bjerre-Poulsen. Besser lässt sich das Rezept für einen architektonischen Ruhepol gar nicht auf den Punkt bringen.
FOTOGRAFIE Jonas Bjerre-Poulsen
Jonas Bjerre-Poulsen
Projekt | Heatherhill Beach House |
Ort | Vejby, Dänemark |
Typologie | Wohnhaus |
Architektur | Norm Architects |
Interieur | Norm Architects |
Baujahr | 2024 |
Produkte | Fritz Hansen, Carl Hansen & Søn, Vitra, Living Divani, Thonet |
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