Projekte

Verborgenes Glück

Außen unberührt, innen komplett neu: Jan Rösler Architekten bauten diese Scheune zum Ferienhaus um.

von Markus Hieke, 25.02.2014

Alle Welt zieht in die Stadt. Doch mit dem Wunsch nach etwas Abstand vom alltäglichen Trubel zieht es andersherum viele Städter übers Wochenende aufs beschauliche Land. Fernab der Großstadt fanden auch die Bauherren von Haus Stein ihr kleines Domizil: eine alte Scheune aus den 1930er Jahren, die sich von außen vor allem durch seine rote Backsteinfassade von der Umgebung abhebt.

Das Haus steht im kleinen Ort Druxberge, inmitten der Magdeburger Börde und etwa 30 Autominuten westlich der sachsen-anhaltinischen Hauptstadt. Ringsum liegen weit und breit nur Kartoffeläcker, Raps- und Kornfelder. Statt Verkehrslärm bestimmen allenfalls ferne Mähdrescher, Kirchenglocken oder das Hahnenkrähen am frühen Morgen die friedvolle Geräuschkulisse im Dorf. Und da sie den Ort genauso schätzen, wie er ist, entschied sich das Berliner Ärztepaar für einen behutsamen Umbau.

Platz für die Familie
Von ihrem ursprünglichen Plan, das Haus eigenständig umzubauen, rückten die beiden aus Zeitgründen ab und beauftragten den Architekten Jan Rösler, auf den sie durch Bekanntschaft in der Familie aufmerksam geworden waren. Für die Planung und Umsetzung in Zusammenarbeit mit Sven Rickhoff ließen die Bauherren weitgehend freie Hand. Lediglich der großzügige Ausbau für die vierköpfige Familie mit zwei Kindern im Schulalter und die Rücksicht auf den Erhalt der bestehenden Fassade waren Voraussetzung, gleichzeitig aber auch die größte Herausforderung beim Umbau. Zudem sollte auch für gute Lichtverhältnisse gesorgt werden.

Außen unberührt
Das Überraschende am Umbau ist, dass man die Veränderung äußerlich kaum ansieht. Im Gegenteil: Selbst das Dach, das vor wenigen Jahren erst neu eingedeckt worden war, wurde im Sinne eines stimmigen Gesamtbildes durch Dachschindeln einer anderen, zum Abriss bestimmten Scheune ersetzt. Und auch die geplante Solaranlage wurde aus diesem Grund an anderer Stelle realisiert. Sind die Bewohner nicht anwesend, verhindern zudem die gut erhalten gebliebenen schwarz-braunen Holzläden und -tore zur Hofseite den Blick hinein. Erst wenn diese geöffnet sind, erkennt man, dass die Innenräume eine neue Nutzung gefunden haben.

Innen komplett neu
Die Scheune wurde dazu komplett entkernt und eine gänzliche neue Raumaufteilung vorgenommen. Die preußische Kappendecke im Erdgeschoss galt dabei als Maß für die Gliederung auf allen Geschossen. Einzig der Flur an der westlichen Giebelseite und seine Pflasterung aus Ziegelsteinen blieben erhalten. Die Wände und Treppen richten sich quer zu den an der Decke verlaufenden Stahlträgern. Betritt man das Erdgeschoss, folgt auf einen Abstellraum der erneuerte Treppenaufgang, der das Gebäude längsseitig im Goldenen Schnitt teilt. An der Rückseite befindet sich ein kleines Bad mit Dusche.

Großzügiger Wohnraum
Auf der größeren Seite des früheren Stalls schließt sich ein großzügiger Raum mit freistehendem Küchenblock und offenem Wohnraum an. In die Stirnseite wurden Einbauschränke mit großen Holztüren und ein Kamin integriert. Für reichlich Licht sorgen Rundbogenfenster unterschiedlicher Größe sowie die beiden quadratischen Terrassentore an Stelle der früheren Durchfahrt, die sich vollständig nach außen öffnen lassen. Ihre hölzernen Rahmen wurden – wie im Rest des Hauses – auf der Innenseite der Öffnungen angebracht, damit sie von außen praktisch nicht sichtbar sind. Der Charme der einst fensterlosen Scheune bleibt damit erhalten. Ebenso verzichteten die Architekten auch auf jegliche Teilung oder nostalgische Sprossen, was stimmig wirkt und zugleich den bestmöglichen Lichteinfall schafft. Für ein helles Interieur sorgen zum einen die weißen Wände, auf die nach Dämmung von innen ein Lehmputz aufgetragen wurde. Unterstrichen wird dies durch leicht glänzenden Natursteinboden aus hellem Travertin. Lediglich der schwarze Träger, die Lineatur der Kappendecke und eine Säule in der Mitte des Raumes bilden einen Kontrast zum sonst vorherrschenden Ton.

Etwas kleinteiliger, aber immer noch großzügig, setzt sich die Raumaufteilung auch im Obergeschoss fort. Da wo früher Heu gelagert wurde, befindet sich heute ein offener Wohnraum zum Lesen und Arbeiten. An der Westseite liegt das Bad mit einer in den Raum gerückten Badewanne. Die Einbauten aus Holz, wie den Waschtisch und die Wannenunterkonstruktion konnte Jan Rösler als gelernter Tischler in seiner eigenen Werkstatt realisieren. Ganz auf den Holzfarbton abgestimmt, erhielt der Lehmputz der Giebelwand eine warme Pigmentierung. An der Rückseite des Bades schließt sich eine kleine Toilette an. Hinter einem Paravent auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich das Schlafzimmer der Bauherren. Wie im Erdgeschoss wurden hier maßgefertigte Einbauschränke integriert. Die wärmere Materialität und der weiß lasierte Eichenparkettboden unterstreichen die private Funktion des Stockwerks.

Schlafen im Heuboden
Direkt unter dem Dach gelangt man schließlich über Leitern in die jeweils stirnseitigen Galerien im Dachgeschoss, wo die beiden Schlafräume der Kinder untergebracht sind. Beim Blick in den Dachstuhl erweist sich nochmals der historische Bezug des sonst minimal gehaltenen Innenraums. Hier konnten durch einen klugen Schachzug die Balken der Dachkonstruktion trotz Wärmedämmung sichtbar bleiben. Die Dämmung wurde dazu einfach auf die vorhandene Dachsparrenkonstruktion aufgebracht und für die Eindeckung eine neue Konstruktion aufgebaut.

Nachhaltig harmonisch
Sowohl in der Gestaltung des Umbaus als auch mit der Materialität ist den Architekten hier eine clevere Umnutzung gelungen. Da wo es technisch möglich war, sind ausschließlich nachhaltige Baumaterialien wie Lehmputze, Flachsdämmung und Holzweichfasermatten zum Einsatz gekommen. Die Nachbarn werden es den Bauherren danken, dass sie keinen extrovertierten Fremdkörper ins Dorf gesetzt haben. Haus Stein war und ist Teil eines harmonischen Ganzen.

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JAN RÖSLER ARCHITEKTEN

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