Wie Karlsson vom Dach
Wohnen gerade dort realisierbar zu machen, wo bisher nur öde Dachbrachen vor sich hin dämmerten, klingt vor allem in Großstädten mit hoher Nutzungsdichte interessant. Mit einer spektakulären Präsentation stellte der Designer Werner Aisslinger im Jahr 2003 während des Designmais auf dem Universal-Gebäude in Berlin den Prototypen des Loft Cubes vor. Diese mobile Wohneinheit, die eine Besiedelung der vernachlässigten urbanen Flächen ermöglicht, könnte zur ersten Adressen werden. Nach einem Ausflug zur Biennale in Venedig 2004 wurde ein überarbeitetes Model der Einzimmerwohnung, in Zusammenarbeit mit der design hotels AG und dem Küchenhersteller bulthaup, in diesem Jahr auf der Mailänder Möbelmesse in der Zona Tortona ganz bodenständig in einem Hof vorgestellt.
Sicher, die Idee ist nicht neu. Architekten wie Buckminster Fuller und Jean Prouvé entwickelten bereits mobile Architekturen und Le Corbusier hatte in seiner Unité d'habitation in Marseille eine Dachlandschaft mit verschiedenen Funktionsräumen nutzbar gemacht. In den 1960er Jahren fand die Idee einer mobilen Gesellschaft dann in den Architekturvisionen von Gruppen wie Archigram Ausdruck. Der elegante weiße Wohnwürfel von Werner Aisslinger mit den abgerundeten Ecken, dem fließenden Innenraum und der wandhohen Verglasung weist deshalb vermutlich auch nicht ohne Grund auf die Formensprache jener Zeit zurück.
Parasitäres Loft auf kleinem Raum
Das Konzept ist einfach: Wohnen, Arbeiten, Kochen und Duschen findet in einem gerade einmal 39 qm großen, teilweise unterteilbaren Raum statt, dessen Oberflächen hauptsächlich aus weißem Corian bestehen. Ein garantiert lichtdurchflutetes Zimmer und eine hochwertige Einrichtung gehören ebenso zur Ausstattung wie die unverbaubare Aussicht bis zum städtischen Horizont. Entwickelt wurde die flexible, modular aufgebaute Wohneinheit für moderne Nomaden der Großstadt, die ferner nicht mehr nur mit Koffer, Laptop und Reisenecessaire, sondern gleich mit der gesamten „Mobile Home Unit“ unterm Arm umziehen können. Kostenpunkt: 89.000 Euro. Strom und Wasser beziehen die parasitären Architekturen vom jeweiligen Gebäude auf dem sie stehen.
Anspruchsvolles Kochen auf kleinstem Raum
Der Erfolg des Projektes Loft Cube hat vor allem mit der Risikofreude des Initiators Werner Aisslinger zu tun, der seine Idee auch gerne einmal ohne ein großes Unternehmen im Hintergrund angeht. So hatte er auch den Prototyp des Loft Cubes 2003 ohne konkreten Auftrag entwickelt. Die Anfragen möglicher Käufer und das Interesse der partizipierenden Unternehmen sprechen inzwischen für sich.
Für die Gestaltung der hochwertigen Küche gewann Aisslinger beispielsweise das in Aich ansässige Unternehmen bulthaup. Für den Küchenhersteller stellte das Projekt eine ungewöhnliche und spannende Herausforderung dar. Trotz des minimierten Platzbedarfs sollte die Küche vielfältige Funktionen erfüllen, die für anspruchsvolles Kochen benötigt werden. Die bulthaup b3 LoftCube Edition wurde daher exakt auf die räumliche Beschaffenheit des Loft Cubes angepasst. Das modulare System bulthaup b3 bietet darüber hinaus die Möglichkeit, auch auf individuelle Kundenwünsche reagieren zu können.
In dem offenen Raum nimmt sich die weiße Kücheninsel mit den grifflosen Fronten dezent zurück und dient an erster Stelle als kommunikatives Möbel. Kochfelder für Gas und Elektro, Backofen und Geschirrspüler der Firma Miele wurden dabei geschickt in die Kücheninsel integriert.
Wie Karlsson vom Dach
Doch auch wenn die Idee des „Karlsson vom Dach“ verlockend klingt, möchten einige der derzeit fast 11.000 Interessenten den Wohncontainer an ganz anderen Orten aufstellen. So ließ sich die Besitzerin einer Modelagentur den Cube an einem kalifornischen Strand aufstellen, eine Schauspielerin nutzt ihn als Luxuswohnwagen und ein kanadischer Grundbesitzer lässt ihn in einem See schwimmen. Und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg, wo bereits mit dem Projekt „floating homes“ das Wohnen auf dem Wasser angegangen wurde, prüft derzeit die baurechtliche Nutzung von Dachflächen für den Loft Cube. Dann wäre der Weg für einen Stellplatz auf einem der Büroimmobilien der Hansestadt frei.
Neun Tonnen wiegt die mit einer Kunststoffhülle umgebene Holzkonstruktion des Loft Cubes. Wer sich einen spektakulären Umzug leisten kann, kann sich die mobile Wohneinheit gleich mit einem Helikopter aufs Dach fliegen lassen. Das Mini-Loft ist zwar nicht für jeden erschwinglich, aber die Faszination vom modernen Nomadentum kombiniert mit einer Prise Freiheit à la Karlsson vom Dach kann auch aus der Distanz die Phantasie beflügeln.