Best-of Glasleuchten
Glas erobert die Leuchtenindustrie

Glas ist zusammen mit Keramik und Holz das Material der Stunde. Neben Möbeln und Objekten werden zunehmend auch Leuchten aus Glas gefertigt. Warum das so ist und wer dabei die Nase vorn hat, zeigt unser Bericht. Und eine Bildergalerie mit 40 Fotos.
Seit Jahrtausenden schon stellen Menschen Glas her. Vielleicht deshalb, weil das Material eine Herausforderung ist – technisch und gestalterisch. In meist kleinen Glashütten in Tschechien, Italien und Nordamerika werden aufregende Objekte gefertigt, die zwischen Kunst, Handwerk und Design changieren. „Viele Menschen schätzen das Handwerk, die Qualität, die Genialität des Herstellungsprozesses“, sagt Maxim Velčovský, Creative Director von Lasvit. Und: „Glas ist ein Material, das durch nichts ersetzt werden kann.“
Im Osten was Neues
Wer wissen will, was sich tut im modernen Glasdesign, schaut nach Osten. Lasvit, Bomma und Brokis sind Glasmanufakturen, die in den letzten Jahren die Leuchtenindustrie aufgemischt haben – mit Entwürfen von zeitgenössischen Gestaltern. Prag ist das Epizentrum für Designer, die sich auf das Entwerfen von industriellen Produkten, limitierten Editionen und Kunstwerken aus Glas verlegt haben. Einerseits, weil die Prager Kunstakademie eine Institution in Sachen Glasdesign ist. Andererseits, weil das waldreiche Böhmen – seit jeher Land der Glasbläser und -macher – gleich um die Ecke liegt. In der hügeligen Landschaft verstreut gibt es viele Glasbläsereien, darunter die von Brokis. Die kleine Manufaktur hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, sich in der Designszene zu etablieren und einen Boom des gestalterisch und handwerklich ambitionierten Glasdesigns auszulösen.
Signature-Leuchten aus Brooklyn
Auch außerhalb Tschechiens versteht man etwas vom Glasmachen, beispielsweise in Vancouver. Dort hat Omer Arbel mit Bocci vor 15 Jahren ein Label gegründet, das in der eigenen Glasbläserei experimentelle Stücke fertigt. Oder Lindsey Adelman: Die New Yorker Designerin entwirft Signature-Leuchten, die von einer Glasbläserin in Brooklyn mundgeblasen werden. Das erklärt auch den stolzen Preis der kunstvollen Objekte, die ab 8.000 Euro erhältlich sind. All diese recht jungen Manufakturen werden flankiert von alteingesessenen, vornehmlich aus Itelien kommenden Herstellern. Darunter sind Namen, die Designgeschichte geschrieben haben – so wie Venini und FontanaArte. Sie arbeiten seit jeher mit wichtigen Gestaltern zusammen. Waren es in den Sechzigerjahren Gestalter wie Max Ingrand und Vico Magistretti, sind es nun zeitgenössische Designer und Architekten wie David Chipperfield, Shigeru Ban und GamFratesi.
Strahlkraft des Glases
Luca Nichetto lebt seit einigen Jahren in Stockholm, doch ursprünglich stammt er aus Venedig. Deshalb überrascht es nicht, dass sich in seiner Person verschiedene Wege des Arbeitens mit Glas kreuzen. Er steht sozusagen für das große Ganze. Zum einen entwirft er Leuchten für italienische Glasmanufakturen wie Lodes und FontanaArte, zum anderen für Hersteller, die eigentlich nicht aus dem Glasdesign kommen, aber das Material und seine manufakturelle Bearbeitung für sich entdeckt haben. Dazu gehört Svenskt Tenn, für die Nichetto die Leuchtenkollektion Fusa entworfen hat, die aus recycelten, farbigen Glasresten besteht. Während das Glas von verschiedenen Herstellern aus Murano stammt, stellt NasonMoretti die Leuchten her. Das 1923 gegründete, venezianische Unternehmen produziert aber auch Leuchten unter dem eigenen Namen, wie die Kollektion Melting Pot von Matteo Zorzenoni zeigt. Sie bildet die gesamte Bandbreite des handwerklichen Know-hows von NasonMoretti ab, denn hier werden verschiedene Techniken, Formen, Farben und Oberflächen miteinander kombiniert.
Herkner war schon da
Während auf der einen Seite Manufakturen stehen, die seit jeher Leuchten aus Glas herstellen, verlegen sich nun auch Unternehmen aufs Leuchtendesign, die bisher lediglich Möbel und Accessoires produziert haben. Das überrascht nicht, denn schon seit längerer Zeit geht die Tendenz zum Vollsortiment. Will heißen: Man deckt den gesamten Interiordesignbereich ab – samt Möbeln, Leuchten und Accessoires. So können die Unternehmen alle Bereiche gestalterisch aufeinander abstimmen und das Geld wandert nicht ab zu anderen Herstellern. Wohl deshalb hat ClassiCon nun auch eine Leuchte aus Glas im Programm: Plissée von Sebastian Herkner, deren markant gefalteter Schirm in Italien hergestellt wird. „Um die wellenförmige Oberfläche perfekt hinzubekommen, braucht man eine Metallform“, sagt der Offenbacher Designer. Er ist sicherlich einer der Gestalter, die das Material Glas in der Designszene wieder salonfähig gemacht haben. Und zwar mit seinem Tisch Bell Table, der in der bayrischen Manufaktur von Poschinger handgefertigt wird. Und Herkner ist auch Schöpfer einer Leuchte aus Glas, die seit ihrem Erscheinen vor sechs Jahren bereits zum Designklassiker geworden ist: Oda von Pulpo, die in derselben venezianischen Manufaktur wie Plissée gefertigt wird.
Nachahmer in den Startblöcken
Der rasante Aufstieg des Materials Glas geht einher mit dem Wiedererstarken des Handwerks. Ebenso wie Holz und Keramik – die beiden anderen Materialien der Stunde –, ist Glas ein haptisches Erlebnis. Man fasst es gern an und es sieht immer wieder anders aus, was am handwerklichen Herstellungsprozess liegt. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Bomma vor einigen Jahren seine Unternehmensstrategie radikal umgestellt hat: Statt wie ursprünglich Tableware aus Kristallglas zu fertigen, ist die tschechische Manufaktur unter den Artdirektoren vom Designstudio deForm inzwischen komplett auf die Produktion mundgeblasener Leuchten umgestiegen. Denn Konsumenten geben eher Geld für Objekte mit Unikatcharakter aus als für Gläser, Teller und Tassen, die es anderswo ähnlich und günstiger gibt. „Unsere Leuchten sind sehr erfolgreich und verkaufen sich viel besser als Gläser“, sagt die Marketingleiterin von Bomma. Dass Leuchten aus Glas nicht mehr wegzudenken sind aus den Wohnungen dieser Welt, erkennt man übrigens auch daran, dass immer mehr Lifestyle-Hersteller mit auf den Glas-Zug springen, Ferm Living beispielsweise. Doch den industriell gefertigten Glasleuchten fehlt, was das Manufakturobjekt auszeichnet: die Seele.
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