Der Licht träumt
Irritierend leuchtende Blumen, glitzernde Kaskaden und pulsierende Labyrinthe aus Licht – bei Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich Longwood Gardens derzeit in eine verzaubert wirkende Parallelwelt. Verantwortlich für die spektakuläre Inszenierung der historischen Parkanlage in Pennsylvania ist der britische Lichtkünstler Bruce Munro, der in seinen traumgleichen Installationen Licht und Landschaft auf einzigartige Weise miteinander verschmelzen lässt.
Bruce Munro wirkt ein wenig wie die Märchengestalt unter den Lichtkünstlern und könnte ohne Weiteres aus einem der Harry-Potter-Romane entsprungen sein. Unweit des legendären Steinkreises von Stonehenge in der südenglischen Grafschaft Wiltshire lebt und arbeitet er in einem alten Farmhaus. Viele seiner Ideen entstehen dort, während er aus dem Fenster seines Ateliers auf die grünen Hügel der Umgebung schaut. Zu einigen seiner großformatigen Installationen inspirierten ihn allerdings seine Reisen, beispielsweise durch die Wüste Australiens oder seine Lieblingsromane von Hermann Hesse, Rudyard Kipling und Roald Dahl.
Bei der anschließenden Realisierung seiner Visionen helfen ihm zehn feste Mitarbeiter, darunter drei Designer und ein vier Personen zählendes Werkstatt-Team, sowie regionale Glasbläser und Handwerker. Seit nunmehr zwanzig Jahren entwirft er individuelle Lichtinstallationen für Häuser und Gärten privater Auftraggeber oder für öffentliche Einrichtungen wie den Londoner Zoo. Erst in den letzten Jahren hat Bruce Munro begonnen, durch medienwirksame Lichtkunstwerke für Aufsehen zu sorgen – sei es mit den farbig leuchtenden Water Towers in der Kathedrale von Salisbury oder dem imposanten Field of Light im englischen Holburne Museum.
If you can light it there
Die für eine Dauer von vier Monaten angelegte Installation in den amerikanischen Longwood Gardens ist seine erste große Einzelausstellung außerhalb Europas. Insgesamt neun Lichtkunstwerke fanden ihren Platz auf dem weitläufigen Gelände und in den Innenräumen des alten Landsitzes. Besonderer Blickfang sind die drei großformatigen Lichtkunstwerke Field of Light, Forest of Light und Water Towers.
Field of Light besteht aus insgesamt 7.000 auf Acrylstangen montierten Milchglaskugeln, die den Eindruck einer Wiese aus leuchtenden Blumen entstehen lassen. Ihre Spiegelung im Wasser des angrenzenden Sees lässt das lichte Feld nahezu unendlich wirken. Eine neue, für die Longwood Gardens entwickelte Variation des Konzepts ist Forest of Light: 20.000 klare, auf Stelen montierte Glaskugeln schlängeln sich einen Waldpfad entlang. 80 mit handgemalten Farbrädern versehene Halogenspots und ganze 140.000 Meter Lichtleitfaser verleihen den Glaskugeln ihren geheimnisvollen Schein am Fuß der dunklen Baumstämme. Die Water Towers wiederum bilden eine Licht- und Klanginstallation am Übergang vom Ziergarten zu der natürlich belassenen Parkfläche. Genau 17.388 Glasflaschen, 69 LEDs mit handgemalten Farbrädern und 23 Lautsprecher fügen sich zu einem sphärischem Labyrinth aus im Rhythmus der Musik wechselndem farbigen Licht. Leise und kontemplativ sind hingegen Installationen wie Arrow Spring, ein bachgleich gewundenes Beet aus Salbeipflanzen und LEDs oder die auf einem der Seen schwimmenden, gigantischen Seerosen – Waterlilies – aus 65.000 spiegelnden CDs. „How many ways are there to say WOW“, lautet der treffende Kommentar eines begeisterten Besuchers zu der gelungenen Symbiose aus Landschaft und Licht.
Der spektakulären Wirkung und dem unglaublichen Materialaufwand zum Trotz, ist der Energieverbrauch aller Werke erstaunlich gering. An einem einzigen sonnigen Tag kann die Solaranlage der Longwood Gardens beispielsweise ausreichend Strom produzieren, um den großflächigen Forest of Light für ganze 54.800 Tage leuchten zu lassen. Zudem werden alle verwendeten Materialien wiederaufbereitet oder in weiteren Installationen von Bruce Munro weiterverwertet – möglicherweise demnächst in Australien. In Planung ist ein gigantisches Field of Light vor der Kulisse des imposanten Ayers Rock in Uluru... der entfernt an den Hügel vor Bruce Munros Fenster im beschaulichen Wiltshire erinnert.
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