Neue Gastlichkeit
Wie wir unser Zuhause mit Freunden teilen
Corona verändert die Welt – draußen wie drinnen. Das Zuhause übernimmt Aufgaben, die lange ausgelagert waren: neben arbeiten und Kinder beschulen nun auch wieder Freunde zum Aperitivo oder Essen treffen. Nicht zu vergessen: der Absacker danach. Wir zeigen neue Einrichtungstrends, auf die gute Gastgeber*innen achten sollten und inspirierende Produktneuheiten für eine gute Party of Five.
Ein Jahr ist es nun her, dass Corona unseren Alltag aus den Bahnen geworfen hat. Schon während des ersten Lockdowns wurden die Baumärkte gestürmt, Innenarchitekten, Möbel- und Einrichtungshändler mit Aufträgen überschüttet. Zunächst ging es darum, das eigene Zuhause, in dem wir plötzlich unerwartet viel Zeit verbrachten, für uns selbst schöner, gemütlicher und auch funktionaler zu gestalten. Schließlich mussten die heimischen vier Wände ganz neue Rollen erlernen: vom Homeoffice und Ort für den Hausunterricht bis zum Heimkino.
Zeig her dein Zuhause
Beruflich ist es selbstverständlich geworden, Arbeitskollegen über Video-Calls einen Einblick in unsere vier Wände zu geben. Da wir auch unsere Freunde und Familie nur zum Spaziergang oder zu Hause treffen können, wird das Häusliche zwangsläufig zum Hybrid: halb privater Rückzugsort, halb öffentliche Bühne. Es muss kommunikative Qualitäten vorweisen und Wohnraum, Bar, Restaurant und Club in einem sein. Denn die Gäste kommen keineswegs „nur“ zum Essen vorbei. Ein abgerundeter Abend beginnt auf Sofas und Sesseln und endet auch dort. Dazwischen geht es an den Esstisch, der nur eine von mehreren Stationen markiert, statt den Mittelpunkt der Gastlichkeit zu definieren. Diesen Wechsel der Sitzformen gab es auch früher schon. Doch nun wird er stärker zelebriert, indem wir Erfahrungen aus der Gastronomie, Hotellerie und dem Nachtleben in unser Zuhause übertragen.
Zentrale der Gemütlichkeit: Polstermöbel
19:00 Uhr: Nach der Begrüßung der Gäste fällt vor allem den Polstermöbeln eine zentrale Rolle zu. Schluss mit der unsinnigen Ausrichtung zum Fernseher, den es heute ohnehin in immer weniger Wohnungen gibt. Das Sofa wird wieder zur Landschaft. Und die formt freistehende Inseln, schlängelt sich mit Vor- und Rücksprüngen durch den Raum und kann aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig „besessen“ werden. Indem die Tiefen der einzelnen Polsterbausteine variieren, erhöht sich die Bandbreite des Sitzens: von einer aufrechten Haltung über das entspannte Fläzen bis hin zum Liegen. Immer mehr Sofas sind gekrümmt, damit sich die Gäste besser sehen und unterhalten können.
Organische Formensprache
Auch Sessel dürfen nicht fehlen. Ihre Formen werden schwerer, wulstiger, gemütlicher. Möbel zum Hineinfallen, die mit fließenden Konturen blauen Flecken vorbeugen. Abgerundete Rückseiten erleichtern die Ausrichtung der Möbel. Die Sessel können nach Belieben gedreht und verschoben werden, statt sie in ein strenges, rechtwinkliges Raster einzufügen, das keinen Millimeter Abweichung zulässt. Die wulstigen Formen unterstreichen die informelle Natur dieser Möbel. Zudem werfen sie einen zeitlichen Anker in die Siebzigerjahre und lassen an die Möblierung berühmter (und berüchtigter) Nachtclubs denken. Die Königsdisziplin der Konversation beherrschen Loveseats: Jeweils zwei Sitzflächen sind in spiegelverkehrter oder seitlich verdrehter Anordnung miteinander verbunden und erlauben einen intimeren Gedanken- und Blickaustausch.
Beistellmöbel als Sidekick
19:30 Uhr: Beistelltische kommen idealerweise im Plural und nicht im Singular zum Einsatz. Schließlich sollen alle Gäste eine Fläche in Griffweite finden, um Häppchen und Negronis sicher abzustellen. Auffällig ist die Tendenz zu runden Formen, vor allem wenn diese aus Holz gefertigt sind. Andere Möbel warten mit integrierten Halterungen auf, um Blumentöpfe stimmungsvoll zu platzieren. Sofaprogramme verfügen über hölzerne oder metallene Ablagen, die zwischen den Polstermodulen eingelassen oder seitlich angedockt werden. Eine wichtige Rolle kommt der Bar zu, die in keinem Haushalt mehr fehlen darf. Entweder als richtige Theke oder in der miniaturisierten Form eines Barwagens, der durch den Raum wandern kann. Die Bar kann aber auch im Innenleben von Sideboards und Beistelltischen versteckt werden.
Kommunikative Sitzordnung
20:30 Uhr: Ein langer Esstisch ist ein Muss. Idealerweise sollte er möglichst nah an der Polstergruppe stehen, sodass kein Raumwechsel erfolgen muss, um vom Aperitif zum Dinner überzugehen. Umso besser, wenn sich der Tisch ausziehen lässt, um Platz für weitere Gäste zu schaffen. Auch hier verändert sich die Geometrie: Tische mit konvexen Seiten und abgerundeten Ecken wirken kommunikativer und informeller. Kreisrunde Tische gehen noch weiter: Es gibt keine Katzenplätze, keine Hierarchie in der Sitzordnung. Alle sitzen in gleicher Entfernung zu ihrem Gegenüber, sodass sich niemand an den Rand gedrückt fühlen muss.
Bequem platziert
Die Stühle sind gepolstert, um viele Stunden auf ihnen bequem sitzen zu können. Schließlich haben wir in Corona-Zeiten unsere Kochkünste verfeinert und möchten unseren Gästen all die Köstlichkeiten kredenzen, die wir nun erlernt haben. Lang gehegte Pläne wie „Ich wollte doch schon immer mal ein 5-Gänge-Menü kochen und Leute einladen!“ werden nun in die Tat umgesetzt. Wenn es doch keine Polsterstühle sein sollen: Aus Holz gefertigte Modelle, deren Sitzflächen und Rückenlehnen mit organisch weichen Rundungen aufwarten, um ebenso für Stunden bequem auf ihnen sitzen zu können.
Informelles Sitzen
23:00 Uhr: Nach dem Essen wird der Abend entweder am Esstisch weitergeführt. Oder die Runde wechselt zurück zur Sofalandschaft. Eine Geheimwaffe sind gepolsterte Sitzhocker, die in runden oder kubischen Volumina daherkommen. Sie können näher an die Sofas und Sessel gerückt werden, um Club-artige Sitzkonfigurationen zu erzeugen. Auch hier punktet das Hybride: Hocker können als Nachttische dienen, wenn wir allein zu Hause sind. Kommen Freunde vorbei, holen wir die Möbel vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer und geben ihnen ihre Sitzfunktion zurück. Auch flache Beistelltische können zum Teil als informelle Sitzgelegenheit dienen – vorausgesetzt, sie besitzen eine robuste Konstruktion.
Bleibende Erinnerung
Was noch fehlt: Eine gedämpfte, atmosphärische Beleuchtung. Hier werden Erfahrungen eingeflochten, die wir in Hotellobbys oder Restaurants gewonnen haben. Die Leuchten warten mit farbigen Schirmen auf, deren Formen sich an den geometrischen Grundkörpern Kugel und Kegel orientieren. Der entscheidende Punkt: Das Licht darf nie direkt in die Augen fallen, sondern sollte blendfrei auf den Boden, an die Wände oder Decke geleitet werden. Wenn sich der Abend dem Ende neigt, werden die Gäste zur Tür begleitet. Den ersten und letzten Eindruck einer Wohnung setzt die Flurgarderobe. Hier darf es mehr sein als ein stummer, sprich unauffälliger Diener. Spiegel, Ablagen oder Schirmständer warten mit skulpturalen Formen, kräftigen Farben oder sinnlichen Dekoren auf. Sie setzen Akzente, die in Erinnerung bleiben. Genau wie der Abend, der alsbald seine Fortsetzung finden wird.