Ratgeber Büro: Arbeiten im Wohnzimmer?
Strukturelle und räumliche Bewegung

Büromöbel sind heute nicht einfach nur funktional. Sie sollen ebenso Wohlbefinden und Wärme an den Arbeitsplatz transportieren. Wo früher mit eiserner Härte agiert wurde, darf nun gekuschelt werden. Ergonomie und Flexibilität kommen dennoch nicht zu kurz.
Die Arbeitswelt ist in Bewegung – strukturell wie räumlich. Gearbeitet wird nicht nur im Büro, sondern ebenso unterwegs, im Coworking-Space oder daheim im Home-Office. Diese Öffnung zeigt sich auch in der Möblierung, wo die Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit immer mehr verschwinden. Der Hintergrund ist nachvollziehbar: Schreibtische und Drehstühle sollen nicht als Fremdkörper in den heimischen vier Wänden wahrgenommen werden, sondern sich stimmig einfügen.
Umgekehrt soll auch das Büro mit wohnlicher Wärme aufgeladen werden, damit sich die Arbeit nicht ganz so sehr nach Arbeit anfühlt. Stoff ersetzt Leder und Kunststoff. Farbe tritt an die Stelle von Schwarz-Weiß-Grau. Die Formen werden feiner, austarierter, leichtfüßiger. Das Ziel ist klar: Indem die Wohlfühl-Regler nach oben gefahren werden, sollen Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeiter ansteigen. Wenn Besprechungen auf Sofainseln stattfinden oder an hochjustierten Arbeitstischen, kommt das Praktische keineswegs zu kurz, im Gegenteil.
Es werden neue Arten der Kommunikation geschaffen, die weniger formell sind als das klassische Zusammensitzen im Konferenzraum oder der Vier-Augen-Termin im Büro eines Vorgesetzten. Die neuen Möbel reagieren zugleich auf den Umstand, dass Arbeitsplätze immer seltener einer Person fest zugewiesen werden. Eine Schreibtisch-Umgebung muss daher nicht mehr nur für eine Person funktionieren, sondern für alle. Auch die Ergonomie folgt dieser Flexibilität: Schreibtische lassen sich per Knopfdruck auf die ideale Höhe für jeden Mitarbeiter justieren. Stühle engen nicht ein, sondern folgen den Bewegungen des menschlichen Körpers – und fördern auch auf diese Weise Wohlbefinden.
Die Überschneidung von Wohn- und Arbeitswelt bringt eine Typologie besonders deutlich auf den Punkt: Voluminöse Sessel und Zweisitzer mit hohen, aufragenden Rückenlehnen und Seitenflächen, die rundum gepolstert sind. Entwürfe wie Floater von Cor (Design: Pauline Deltour), Eleven High Back von Alias (Design: PearsonLloyd), Silent von Walter Knoll (Design: EOOS) oder Reefs von Dauphin (Design: Jessica Engelhardt) sind mit schmalen, seitlich angeordneten Tischen ausgestattet, die Laptops und Notizblöcken Halt bieten. Die gemütlichen Kojen dienen als Ruhepole im Großraumbüro, in die man sich zum konzentrierten Arbeiten, zum Telefonieren oder zum Gespräch unter vier Augen zurückziehen kann.
„Der klassische Schreibtisch-Arbeitsplatz ist tot“, behaupten die Londoner Designer Edward Barber und Jay Osgerby. Für Vitra haben sie das Sitzsystem Soft Work entworfen, das auf den ersten Blick wie ein normales Sofa anmutet. Die Besonderheit zeigt sich in den Details: Indem die Sitzhöhe auf die eines normalen Drehstuhls angehoben und die innere Struktur der Sitzpolster verstärkt wurde, kann das Möbel auch zum stundenlangen Arbeiten am Computer genutzt werden, ohne ergonomische Einbußen hinnehmen zu müssen. Einen Transfer von der Wohn- zur Arbeitswelt vollzieht auch Girsberger mit dem Polsterstuhl Biala, dessen gebogene Rückenlehne die Geborgenheit eines komfortablen Clubsessel vermittelt. Visuelle Leichtgewicht und Komfort verbindet der Sessel Averio von Züco (Design: Rüdiger Schaack), bei dem Sitzfläche, Arm- und Rückenlehnen als ein umlaufendes, gepolstertes Band angelegt sind und die Blicke mit einer großen Aussparung durch das Möbel hindurch wandern lassen.
Bürostühle müssen stärkeren Belastungen standhalten als Loungechairs. Das ist allerdings noch lange kein Grund, sie wie übertechnisierte Sitzmaschinen aussehen zu lassen. Der Drehstuhl Connex2 von Klöber (Design: Jörg Bernauer) verfügt über eine netzbespannte Rückenlehne, unter der sich eine Skelettstruktur mit beweglicher Lordosenunterstützung abzeichnet. Der Stuhl passt sich automatisch dem Rücken seiner Be-Sitzer an und ist damit sowohl für stationäre Arbeitsplatze als auch für Wechselarbeitsplätze geeignet. Auf Beweglichkeit setzt auch das Stuhlprogramm AT von Wilkhahn (Inhouse-Design). Die selbstzentrierende Aufhängung der Sitzschale ist mit einer automatischen Gewichtseinstellung gekoppelt, wodurch sich der Körper – allen vor das Becken – frei bewegen kann. Der Stuhl fördert damit den ständigen Wechsel der Sitzpositionen, ohne dass dazu gesonderte Einstellungen vorzunehmen sind.
Accessoires sind auch im Büroalltag unverzichtbar. Die Acoustic Tiles des schwedischen Hersteller Baux werden aus Holzabfällen, Wasser und Zement gefertigt und können nach dem Mix-&-Match-Prinzip kombiniert werden. Der Clou dabei: Durch eine breite Auswahl an Mustern und Farben können individuelle, schallschluckenden Lösungen an die Wand gebracht werden. Eine Vertiefung der Oberfläche vollzieht das Akustik-Paneel Landing von Wilkhahn. Der Entwurf von Rudolph Schelling Webermann verbessert nicht nur die Raumakustik, sondern dient zugleich als informelle Stehstütze. Die stoffbezogenen Reliefplatten schälen sich an der Unterseite in den Raum hinaus und bieten dem Körper damit Halt.
Der Biorhythmus des Menschen ist unmittelbar mit dem Faktor Licht verbunden. Von Bedeutung ist neben der Intensität vor allem die Farbtemperatur. In den Morgenstunden erzielt das Sonnenlicht rund 5500 Kelvin. Zur Mittagsstunde erhöht sich der Wert auf 5777 K und nimmt in der Abenddämmerung auf 3400 K ab. Intelligente Büroleuchten folgen diesem Verlauf. In den Morgenstunden fördern sie mit kühleren Farbtemperaturen das Wachwerden und verschieben das Spektrum zum Nachmittag in Richtung Wärme. Die Pendelleuchten von Byok können von Null auf 100 Prozent gedimmt werden, wobei sich das Farbspektrum von 2700K auf 2100 K verschiebt. Die Steuerung erfolgt durch Gestenerkennung, indem die Hand unterhalb der Leuchte gehalten wird.
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