What Design can Do
Das Festival What Design Can Do in Amsterdam. Mit Streifen und Perlen.

Das Stedelijk in Amsterdam lockt aktuell mit einem Blockbuster, nämlich der Marcel-Wanders-Werkschau. Doch das Museum kann auch Zwischentöne: Für zwei Tage war es auch Austragungsort des Festivals: „What Design Can Do". Was Design kann, fragen wir uns auch – manchmal.
Leichter Nieselregen und 15 Grad. Ein klassischer Frühlingstag in Amsterdam. Die Teilnehmer des Festivals durchkreuzen die Stadt. Drei Austragungsort sind zu avisieren: das Stadttheater, der Applestore, das Melkweg-Multimedia-Zentrum. Zu Filmen und Diskussionsrunden geht es ins Stedelijk-Museum. Eine geballte Ladung Design(-theorie) in zwei Tagen.
Bauernkriege
Die Idee zur Konferenz, zum Festival, stammt von Richard van der Laken. Der Mitbegründer von Desigpolitie, machte sich 2011 mit „What Design Can Do" (kurz WDCD) auf, Kreativen eine Stimme zu geben. Irgendwie aus Notwehr. Der Grafikdesigner erklärt: „Es ist an der Zeit, dass Designer wieder die Kontrolle über ihre Profession erlangen." Und weiter: „Die Taten zählen, nicht die Worte." Seiner Meinung nach müssen Kreative an die Macht. Vor Controllern, Administratoren und Verwaltungen. Ein Gedanke, der jedem, der die Branche kennt, durchaus logisch erscheint. Nicht nur seine Aufforderung, wieder die Autorenschaft über das eigene Schaffen zu übernehmen, erfreut. Richard van der Laken, obwohl er könnte, missbraucht die Plattform WDCD nicht als PR-Tool, um sein Büro zu promoten. „Das kann und muss ich trennen", sagt er. Die Initiative vor drei Jahren zu starten, ohne zu wissen, wie erfolgreich das Unterfangen werden würde, nötigt Respekt ab. Er hätte in der Zeit ja auch einfach segeln gehen können ...
An vorderster Stelle ist Tim de Rijk zu nennen. Er hat Ende letzten Jahres den Lehrstuhl für New Design, Culture & Society an der Delft University of Technology bezogen. Eine Professur an der Schnittstelle also, und sein Titel wäre passend als Motto für WDCD. Tim van Rijk hat es in Persona entsprechend schnittig präsentiert: den Paradigmenwechsel in der Design-Community, die weltweit immer offener wird, sowohl in den fachübergreifenden Spezialitäten (Web versus Produkt – nur noch historisch) als auch in seiner Performance. Im Talar auf der Bühne zum Vortrag, dann aber mit Lockerheit: „Man lernt mehr über Design in einem Besuch im China-Restaurant als von vielen gefeierten Designstars." Stars im wortwörtlichen Sinne gab es trotzdem: Sir Paul Smith – und ich erspare mir jedes schnulzige „Gentleman-Designer"-Attribut – das sind vierzig Jahre Erfahrung, das sind jährlich 15 verschiedene Kollektionen und das ist ein Hauptquartier in London, in dem alles entworfen wird.
Selbstdemontage auf Britisch
Paul Smiths These: „Die Zeit der Ikonen läuft aus." Selbstdemontage? „Ab einem bestimmten Volumen geht es nur im Team, es ist vermessen, sich als einzelkämpfendes Allroundtalent zu verkaufen." Macht er aber doch? „Was daran liegt, dass die Firma mit meinem Namen gewachsen ist. Und Sie werden nie erleben, dass ich nicht betone, wie wichtig meine Mitarbeiter sind." Das man auch mit 68 Jahren noch selbstkritisch agieren kann, beweist er mit „... die Streifen werden wir deutlich weniger einsetzen." Andere frickeln an einem CD, das sich ins kollektive Bewusstsein schleicht, und Sir Paul reduziert. Auch das ist eine Weisheit, die zwar platt, aber gern von ihm bei WDCD gepredigt wird: „Lassen Sie sich nicht verramschen."
Diversität und Merinowolle
Signifikant für WDCD ist die Bandbreite. Daisy Ginsberg, Architektin mit Cambridge-Diplom und Harvard-Designerin, untersucht Ästhetik unter dem Aspekt; ob die Natur „designt", also entworfen beziehungsweise synthetisch hergestellt werden kann und sollte. Und wenn ja: was „designt" werden soll und was nicht. In Monsanto-dominierten Zeiten weit mehr als lediglich ökonomische Fragen. Daisy Ginsberg hinterfragt Ethik und Moral im Designprozess. Weitere Ansätze der Konferenz: das soziale Potenzial von Design. Darunter fällt auch foodpairing (die Kombination von Speisen und Getränken aufgrund übereinstimmender Schlüsselaromen), vorgestellt von Bernard Lahousse, dem Gründer von Foodpairing.com. Seine Arbeit erinnert ein bisschen an Hybrid-Food à la Cronuts, Bruffins und Cragels. Oder Laduma Ngxokolos. Er übersetzt Muster traditioneller Xhosa-Perlenstickerei in Männerstrickmode aus südafrikanischer Mohair- und Merinowolle, was für den Einsatz lokaler Materialien steht.
Gefangen im Netz
Ergänzt wurden die vielen Vorträge durch Filme rund um das Thema Design und interaktive Workshops. Dass nicht jeder der Redner brillant perfomte, ist sicher zum Teil mangelnder Erfahrung geschuldet und durchaus sympathisch. Deutlich unterrepräsentiert waren Produktdesign und Architektur: Nur Carlo Ratti (MIT Senseable City Lab) „verirrte" sich nach Amsterdam. Hier ist die Handschrift des Impresarios doch zu spüren: Richard van der Laken, Grafikdesigner, ist „gefangen im Netz" und wahrscheinlich mehr beflügelt, wenn er Richard The, Google Creative Lab, ankündigen kann. Aber Marcel Wanders, wie gesagt, zeigte ja direkt neben an.
What Design Can Do
www.whatdesigncando.nlMehr Stories
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