Petter Neby: Einfacher als Luxus
Petter Neby, der Gründer von Punkt, im Gespräch.
Früher war alles einfacher: Alltagsgegenstände hatten vor allem funktional zu sein. Andere Gestaltungsaspekte waren nachrangig. Heute ist die Sache komplizierter, denn die Legitimation von Design rein aus der Funktionalität ist nicht mehr zeitgemäß. Das Verhältnis der Nutzer zum Gegenstand ist in den Blick gerückt. Emotionalität ist nicht mehr nur geduldet, sondern wird zu einer gewichtigen Größe in der Gestaltung. So bildet sich ein neues Spannungsfeld, das Petter Neby, Gründer der in Lugano ansässigen Firma Punkt, mit seinen Produkten im Bereich Consumer Electronics bedient. Ein Gespräch mit Neby über den Verlust von europäischen Fertigungsstätten, Fehler bei Braun und die Suche nach Einfachheit und Emotionalität.
Herr Neby, warum haben Sie Punkt gegründet und stellen ausgerechnet elektronische Produkte her?
Nach 20 Jahren in der Software-Branche hatte ich gemerkt, dass ich das Haptische liebe. Ich wollte eigentlich schon immer nette und besondere Dinge, begreifbare Produkte schaffen. Mit elektronischen Produkten aller Art bin ich groß geworden, weil meine Familie damit zu tun hatte. Ich hatte immer auch schon ein Faible für Design und eine klare Vorstellung, was gutes Design ist. Leider trifft man gutes Design bei Consumer Electronics aber nicht so oft an.
Jasper Morrison ist Art Director bei Punkt. Wie sind Sie mit ihm in Kontakt gekommen?
Zum ersten Mal habe ich ihn durch die Software-Firma getroffen, das war im Jahr 2000 während des Salone in Mailand. Als ich dann 2007 mit Punkt angefangen habe, habe ich Jasper eine E-Mail geschrieben und ihm von meinen Plänen für das Unternehmen berichtet. Er hat nach drei Tagen geantwortet: „Congratulations, let’s do it.“
Jasper Morrison hat 2006 zusammen mit Naoto Fukasawa die Ausstellung Super Normal gemacht. Sind die Produkte von Punkt auch für diese Kategorie gedacht?
Nein, ich denke nicht, dass wir wirklich „super normal“ sind. Wir könnten sicher „normal“ im Sinne von „alltäglich“ werden, aber „super normal“ trifft für unsere Produkte sicher nicht zu. Der Begriff ist ja eher für nicht-elektronische Produkte geeignet, für Scheren beispielsweise. Aber die Kategorie alltäglicher Produkte, die könnte unser Wecker schon erreichen.
Wenn ich an einen elektronischen oder elektrischen Wecker denke, habe ich immer auch Braun-Wecker vor Augen. Wie sehen Sie Ihre Produkte im Verhältnis zu den Produkten von Braun?
Ich habe viel von Braun gelernt, ich kenne deren Produkte und den Ansatz gut. Eigentlich habe ich aber am meisten aus den Fehlern von Braun gelernt. Was ich damit meine: Ein Unternehmen entwickelt seine Persönlichkeit und Philosophie, und die Kunden haben dann eine Beziehung zu diesem Unternehmen. Wenn ein Unternehmen zu viel macht, verliert es allerdings seinen Fokus und die Kunden das Vertrauen. Bei Braun ging es auf einmal um Rasieren, Zähneputzen, das Mixen von Lebensmitteln oder um Musikhören – es lässt sich einfach nicht glaubwürdig darstellen, dass das Unternehmen bei allen diesen Produkten den bestmöglichen Ansatz liefert. Auch für Designer besteht die Gefahr, dass sie ein wenig blind werden und nur über das Produkt und dessen Design nachdenken, anstatt auch auf den Kontext zu achten. Das ist meine wichtigste Rolle, in der Zusammenarbeit mit Designern auf diese Zusammenhänge zu achten. Wenn man Schuhmacher ist, sollte man Schuhe machen. Ein Hersteller von Consumer Electronics sollte sich auf dieses Feld beschränken. Die Grenzen sind wegen der zunehmenden Computerisierung vielleicht ein bisschen unscharf, aber ein Unternehmen kann nicht glaubhaft alles machen. Ich würde sehr gerne Haushaltsgeräte entwickeln, weil ich zum Beispiel keinen guten Mixer finde. Aber Haushaltsgeräte passen einfach nicht zu Punkt. Ich möchte Produkte entwickeln, die funktional und emotional zugleich sind.
Sind die Produkte von Punkt Luxusprodukte?
Das ist eine relative Frage. Wenn Sie an Westeuropa denken, könnten sich wahrscheinlich alle die Produkte von Punkt leisten. Wir sind nicht im Luxus-Business. Natürlich kann man ein DECT-Telefon finden, das nur 30 Euro kostet. Also im Vergleich dazu ist DP01 relativ teuer, aber trotzdem ist es für jeden hier verfügbar. Eigentlich möchte ich nicht, dass die Produkte von Punkt Luxus sind. Wir sind zwar noch nicht auf dem chinesischen Markt vertreten, aber in China zum Beispiel gibt es die Anfrage, mehr in diese Richtung zu gehen. Aber das gefällt mir nicht.
Kann Einfachheit nicht auch ein Luxus sein?
Ja, ein großer Luxus! Wir wissen alle, dass wir genug Dinge um uns herum haben. Diese sollten dann nicht unsere Zeit in Anspruch nehmen oder unnötigen Aufwand erfordern. Sie sollten die eigenen Bedürfnisse unterstützen. Wenn es zum Gegenteil kommt, wird es fürchterlich. Die Notwendigkeit von Einfachheit ist für alle einsichtig, die über ein bisschen Lebenserfahrung verfügen. Sie wissen Einfachheit zu schätzen. Wie oft denkt man im Leben, dass dieses oder jenes Objekt wichtig sei, aber am Ende erkennen wir wohl doch, dass vieles überflüssig ist.
Bei Punkt werden die Produkte also auch in Zukunft ihre Einfachheit behalten? Einfachheit scheint ja ein wichtiger Aspekt zu sein.
Absolut, unser Mantra ist Einfachheit und Funktionalität. Aber es ist auch so verdammt schwierig. Das DECT-Telefon ist ein relativ komplexes Produkt. Es erfordert aber große Anstrengung, es sinnvoll und einfach in der Nutzung zu machen. Da gibt es eine feine Grenze. Es ist sehr leicht zu sagen, lass uns dies oder das hinzufügen, man könnte es ja gebrauchen. Aber diesem Weg sind einfach schon zu viele gefolgt. Deshalb arbeitet Punkt hart an der Einfachheit der Produkte.
Die Produkte von Punkt werden vorwiegend in Asien hergestellt, nur ein kleiner Teil in Europa. Warum?
Es gibt einige Produkte und Teile, die sich zur Zeit nur in Asien, genauer in China, herstellen lassen. Das liegt hauptsächlich an den Produktionsmöglichkeiten, weniger am Preis. Hier sind Wissen und Fähigkeiten in Europa verloren gegangen. Vielleicht gibt es noch einige ältere Ingenieure von Siemens, die das notwendige Wissen haben. Aber die Produktionsstätten in Europa fehlen. Und die Preise in China steigen. Unternehmen, die auf den Preis fixiert sind, suchen andere Möglichkeiten, doch China bleibt auf absehbare Zeit das Produktionszentrum für Consumer Electronics.
Wann gibt es neue Produkte von Punkt?
Voraussichtlich im zweiten Quartal 2014. Wir arbeiten zur Zeit konkret an drei neuen Produkten, das ist ja eine Menge. Abhängig davon, welches Produkt als erstes in die Fertigung geht, entscheiden wir über Ort und Termin der Vorstellung. Eines der Produkte würde prima nach Mailand passen, ein anderes wäre auf einer Veranstaltung im Oktober besser aufgehoben.
Können Sie schon konkretes zu den Neuheiten sagen?
Nur soviel: Wir machen keine unnötig großen Produkte. Es wird niemals auf ein System hinauslaufen, bei dem erst Teile und Ergänzungen installiert werden müssen, damit das Ganze funktioniert. Die Ergebnisse werden zeitgemäß sein und zu den bisherigen Produkten passen.
Herr Neby, vielen Dank für das Gespräch.
FOTOGRAFIE Punkt
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