Botschaft der besonderen Art
Ein Krokodil als Empfangsdame, eine Giraffe als Wächter und zwei in sich gekehrte Gorillas. Nein, wir sind nicht im Zoo, aber gleich nebenan. Denn mitten im Berliner Tiergarten liegt das gerade eröffnete Boutiquehotel Das Stue, eine Kombination aus Alt- und Neubau. Und was liegt näher, diese besondere Lage kurzerhand in das Hotelkonzept einzubinden? Das scheint sich auch Patricia Urquiola gedacht zu haben und hat ein Interior in gedeckten Tönen und von ausgesuchter Qualität geschaffen. Die gestalterischen Querverweise zum berühmten Berliner Zoo und seine tierischen Geschöpfe sind durchaus gelungen: subtil und ganz ohne Kitsch in Drahtgeflecht, Metall und Leder.
Bereits von außen lässt sich erahnen, dass das Innere alles andere als gewöhnlich ist. Die Architektur des Altbaus macht mit einer zur Straße abgerundeten Fassade aus Muschelkalkplatten auf sich aufmerksam. Vom Schöpfer des Luxuskaufhauses KaDeWe ursprünglich als Königlich Dänische Gesandtschaft konzipiert, schuf Johann Emil Schaudt in den dreißiger Jahren eine repräsentative Architektur. Die Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes spiegelt die wechselvolle Geschichte Berlins: Im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, gaben sich in den folgenden Jahrzehnten Besitzer und Nutzungen die Klinke in die Hand. 2009 gelangte das neben der Spanischen Botschaft gelegene Gebäude in der Drakestraße in den Besitz dreier Familien aus Andorra, Panama und Spanien. Sie wagten den Sprung in die Berliner Hotellerie und eröffneten das Hotel im Dezember 2012.
Auf einen Drink mit Vogel Strauß
Das Stue – was im Dänischen Wohnzimmer bedeutet – steht für eine andere Idee von Hotel. Nichts hier ist überwältigend, einschüchternd, übermäßig groß oder gar prahlerisch. Stattdessen setzt man auf eine distinguierte Gemütlichkeit mit hohem Anspruch an Service und Gestaltung. Diese ambitionierte Idee manifestiert sich in Raumsegmenten, die dem Gast ganz verschiedene Qualitäten bieten. Elegante Parkettböden, edle Handläufe, ein historisches Treppenhaus und französische Türen im Altbau erinnern an die glanzvolle Vergangenheit des Gebäudes, das geschickt mit einem Neubau von Axthelm Architekten verbunden ist.
Während das mit Travertin und Granit ausgekleidete Entree mit seinen zwei Treppenläufen, einer beeindruckenden Raumhöhe und einer raumgreifenden Lichtinstallation von Christian Schneider-Moll beinahe herrschaftlich anmutet, sind die anderen Räume des Hotels eher klein gehalten, was der Gemütlichkeit zugute kommt. Hat man das Entree durchschritten, lockt der Aufenthaltsbereich, der zugleich als Bar genutzt wird. Neben den vorzüglich schmeckenden Drinks – Michael Frohnwieser konzipierte die Karte, in der auch Rezepte aus den zwanziger und dreißiger Jahren zu finden sind – macht auch der Ausblick auf den Zoo von sich reden: Auge in Auge mit Vogel Strauß und Gnu schlürft man hier seinen Cocktail.
Das etwas andere Wohnzimmer
Das Stue ist mit der Bar und einer separaten Wine Gallery nicht nur beim Thema Getränke gut aufgestellt. Zum gastronomischen Gesamtkonzept gehören zwei verschiedene Restaurants, denen sich der spanische Starkoch Paco Pérez angenommen hat. Während im 5 – cinco by Paco Pérez ein bis zu 30-gängiges Degustationsmenü mit direktem Blick auf die Küche angeboten wird, geht es im All-Day-Dining-Restaurant The Casual lockerer zu. Hier kommen tapas-ähnliche Gerichte auf den Tisch und wird auch das Frühstücksbuffet eingenommen. Dieser Raum steht exemplarisch für die Qualität des gesamten Interiors: In einem hochflorigen Teppich mit orangefarbenen Spinnendekor versinkend, hat der Gast die Wahl zwischen ganz verschiedenen Sitzgelegenheiten – in gedecktem Farbklang von Braun und Grau. Praktisch, wenn man so viele Entwürfe vorzuweisen hat wie Patricia Urquiola. So wird das Hotel kurzerhand zur Bühne ihres Könnens, ähnlich wie man es kürzlich noch bei Alfredo Häberli in Zürich gesehen hat. Über das Gebäude sind verteilt: Urquiolas Sofas Bend (in coolem Denim!) und Fat (mit wunderbaren samtigen Kissen!) sowie der knautschige Sessel Husk von B&B Italia, der hölzerne Nub Throne Lounge Chair von Andreu World oder die extravaganten Objekte aus Keramik. Apropos Keramik. Das Gourmet-Restaurant hat nicht nur hochfliegende Pläne mit seiner Molekularküche, auch die Tableware genügt höchsten Ansprüchen: Hier kommen die feinen Glas- und Porzellankreationen von Hering Berlin auf den Tisch.
Vom Kopf bis zu den Füßen
Wer sich vom Stress der Großstadt erholen will, der legt sich entweder in die Betten der komfortablen Zimmer und Suiten – 80 an der Zahl und zwischen 27 und 80 Quadratmeter groß – oder gönnt sich eine luxuriöse Verschnaufpause im hoteleigenem Spa. Untergebracht im Neubau und mit einer Fläche von 260 Quadratmetern zwar recht klein gehalten, verfügt es neben einem Gym über einen vierzehn Meter langen Indoor-Pool mit integriertem Whirlpool. Von der erhöht gelegenen finnischen Sauna schaut der Gast durch nicht einsehbare Glaswände nach draußen und kann sich nach dem Saunagang in die Sitzlandschaft Canasta von B&B Italia kuscheln.
Das Spa, in dem die hochwertigen pflanzlichen Produkte von Susanne Kaufmann verwendet werden, verfügt über zwei Bäder mit Regenduschen und weißen Waschbecken aus Corian. Ausgekleidet mit kleinteiligen weißen Mosaikfliesen und versehen mit Armaturen des spanischen Herstellers nk Porcelanosa, sind sie ähnlich gestaltet wie die Bäder in den Zimmern, die zudem über maßgefertigte Einbauschränke verfügen. In den drei Anwendungsräumen des Spas verabreichen Therapeuten und Kosmetikerinnen nicht nur Lymphdrainagen, Sportmassagen und Kopfbehandlungen – hier werden den Damen und Herren auch Kräuterwirkstoffpackungen verpasst, Beine und Knie enthaart oder die Augenbrauen gezupft. Und für Nagellackfans hat das Hotel gar eine eigene Farbe im Programm. Passend zum Interior.
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