Kokon der Exklusivität
Die Rue Saint-Honoré in Paris ist eine noble Adresse. Entsprechend nobel geht es zu im Restaurant Sur Mesure an der Hausnummer 251. Gestaltet vom Pariser Designstudio Jouin Manku und der norwegischen Textildesignerin Heidi Winge Strøm, liegt es im Erdgeschoss des Hotels Mandarin Oriental. Und während Sternekoch Thierry Marx mit asiatisch inspirierter französischer Küche experimentiert und kunstvoll-farbige Köstlichkeiten auf den Teller bringt, glänzt das Interieur mit vornehmer Zurückhaltung ganz in Weiß.
Das Hotel Mandarin Oriental ist in einem ehemaligen Bürogebäude aus den dreißiger Jahren untergebracht, das der Architekt Jean-Michel Wilmotte zusammen mit der Innendesignerin Sibylle de Margerie neu gestaltet hat. Neben dem Gourmetrestaurant Sur Mesure par Thierry Marx finden sich dort noch weitere gastronomische Einrichtungen. Hier waren es ebenfalls Patrick Jouin und Sanjit Manku, die das kulinarische Konzept des französischen Starkochs Thierry Marx gestalterisch umgesetzt haben. 2006 von Gault Millau zum „Koch des Jahres“ gewählt, erkochte sich Marx im Restaurant Château Cordeillan-Bages zwei Michelin-Sterne.
Der Gast ist der Star
All diese Erfahrung konnte Marx bei der Entwicklung des kulinarischen Konzepts für das Mandarin Oriental einbringen. Die Gerichte testete er monatelang in seinem Labor. Der Gast hat die Wahl zwischen verschiedenen kulinarischen Erfahrungen: Neben dem mit zwei Michel-Sternen ausgezeichneten Gourmetrestaurant Sur Mesure findet sich im Mandarin Oriental das ganztags geöffnete Restaurant Camélia, wo es weniger förmlich zugeht und der Fokus auf saisonaler französischer Küche liegt. Hier werden dem Gast auch die süßen Kunstwerke aus dem Cake Shop serviert: kunstvolle Pâtisserie, wie man sie wohl nur in Frankreich findet. In der Bar 8 schließlich kann der Gast vor oder nach dem Dinner relaxen und an der acht Tonnen schweren Theke einen Drink nehmen.
Haute Couture im Speiseraum
Das gestalterische Highlight des Hotels jedoch ist das Gourmetrestaurant Sur Mesure mit seinen lediglich vierzig Sitzplätzen. Nichts ist hier zu sehen von den pompösen Speisesälen der großen Pariser Luxushotels, keine opulente Noblesse wie beispielsweise im Restaurant von Alain Ducasse im Hotel Plaza Athénée, für dessen Gestaltung ebenfalls das Studio Jouin Manku verantwortlich zeichnet.
Im Sur Mesure konzentriert sich alles auf die Kombination von Weiß- und Cremetönen. Erleuchtet wird das Interieur von einem elliptischen Kronleuchter, der in der Mitte des Restaurants zu schweben scheint. Auffälligstes Element des Gastraums, der durch ein geschwungenes enges Entree betreten wird, sind die Stoffdrapierungen an den Wänden. Schließlich sind wir in Paris, der Stadt der Mode. Die norwegische Textildesignerin Heidi Winge Strøm zeichnet neben dem Entwurf dieser extravaganten Wandbespannung aus der schwer entflammbaren Faser Trevira CS auch verantwortlich für das Design der im Restaurant verwendeten Tischdecken und Servietten. Die Wandbespannung macht Falten, Knicke und Fächer – ganz kunstvoll, versteht sich. Sie bildet den raffinierten Hintergrund der Sitzgelegenheiten: Auf dem mit weißem Wollteppich ausgelegtem Fußboden umstehen weiße Sessel, sowie ebenfalls weiß bezogene Bänke recht niedrige quadratische Tische. Diese sind teilweise in Nischen angeordnet, was die intime Atmosphäre des kleinen Restaurants noch verstärkt.
Kulinarische Sinnesreise
Thierry Marx liebt es, beim Kochen avantgardistische Formen, Farben und Texturen herzustellen. Regionale Gerichte mischt er mit einem Schuss Fernost. Dabei hat der Gast die Wahl zwischen einem Degustationsmenü mit acht oder elf Gängen, wobei Letzteres mit 185 Euro zu Buche schlägt. Zu den Klassikern des Küchenchefs gehören Soja-Risotto, Kalbsbries-Spaghetti und nicht gebackener, warmer Schokoladenkuchen – begleitet von frischem Kastanien- oder Buchweizenbrot. Geschnitten wird das Fleisch hier übrigens mit den hochwertigen und deshalb ziemlich kostspieligen Messern der französischen Schmiede Laguiole. Was aber wären die feinen Speisen ohne ebenso feine Weine? Chefsommelier David Birnau – vor zehn Jahren Meilleur Sommelier du France und 2010 Finalist des Concours Meilleur Sommelier du Monde – empfiehlt sie aus einer umfangreichen Karte. Je nach Geldbeutel ist alles zu haben: der Weißwein für 45 Euro pro Flasche, aber auch ein Burgunder wie der Mazis Chambertin AOC Chapelle Chambertin für 2.500 Euro. Apropos Karte: Sie ist auf zartem japanischen Reispapier gedruckt.
Subtiler Luxus
Solch eine ausgefallene Küche verlangt nach einem passenden Interieur und die ist dem Studio Jouin Manku gelungen: Mit seiner zurückhaltenden, jedoch raffinierten Farb- und Formgebung bringt es die Speisen von Thierry Marx kongenial zur Geltung. Der Koch und die Designer haben zusammen gar ein feines Porzellan in Weiß-Gold speziell für das Restaurant entwickelt: Mehr Luxus geht nicht.