Mikado in Baselland
Architekten, die mit Bauklötzchen spielen, gibt es viele. Architekten, die mit Bauklötzchen Mikado spielen, heißen Herzog & de Meuron. Im schweizerischen Allschwil haben die Basler gezeigt, wie selbst ein Bürogebäude vom chaotischen Durcheinander der hölzernen Stäbchen lernen kann. Statt monotoner Raumprogramme erwartet die 350 Mitarbeiter des Pharmakonzerns Actelion eine kommunikative Bündelung sich überlagernder Sichtachsen.
Das Spielfeld ist ein Quadrat von 80 Metern Länge. Statt bunt bemalter Holzstäbe, wie sie sonst beim Mikado zum Einsatz kommen, ließen Jacques Herzog und Pierre de Meuron gewaltige gläserne Balken auseinander fallen und sich quer über die gesamte Breite des Grundstücks legen. Anders als beim VitraHaus in Weil am Rhein, wo sich in die Profile in die Länge gezogener Satteldachhäuser gegenseitig durchdringen und fließende Übergänge zwischen den einzelnen Volumina erzeugen, wurden die gläsernen Balken des Actelion Business Centers als Ganzes übereinander gestapelt – so wie die Stäbe beim echten Mikadospiel.
Die Verbindung der einzelnen Etagen erfolgt dennoch keineswegs zufällig und gibt dem vermeintlichen Chaos der durcheinander gewirbelten Baukörper eine innere Logik. Auch wenn der Grundriss des Gebäudes von Etage zu Etage deutlich variiert, treffen die Balken in den vier Ecken des quadratischen Grundstücks zusammen. Aufzüge und Treppenhäuser sorgen dort für einen vertikalen Übergang, während Teeküchen, Besprechungsräume und Sitzinseln die kommunikative Funktion der Bewegungszonen zusätzlich erhöhen.
Wenn das X zum K wird
Das Mikado-Prinzip vermeidet eine geschlossene, blockartige Erscheinung des 21 Meter hohen Gebäudes und lässt Blickachsen bis weit in das Innere des Grundstücks zu. Indem die gläsernen Balken an ihren Längsseiten vollständig verglast wurden, stehen auch sie in gegenseitigem Blickkontakt. Um die Transparenz der Fassaden nicht zu beeinträchtigen, wurden sämtliche Leitungen und Anschlüsse im Boden und in der Decke installiert, während sich die tragende Struktur der einzelnen Balken als ein X-förmiges Muster vor den Fensterbändern abzeichnet. Auf eine Länge von stattlichen 3,8 Kilometern würden sich die Stäbe addieren, legte man sie in einer Reihe aneinande, und dabei ein Gewicht von 2.500 Tonnen auf die Waage bringen. Dass die grafische Wirkung des stählernen Fachwerks umso stärker in den Vordergrund tritt, ist auch den behördlichen Auflagen geschuldet: Aus Gründen des Brandschutzes wurden sämtliche Stahlträger im Inneren mit Gips verkleidet und anschließend weiß gestrichen.
Gegliedert wird das doppelte Zickzackband von den gläsernen Trennwänden der Büros, die in Einzel-, Zweier- sowie überschaubare Großraumbüros unterteilt sind. Nicht nur der Ausblick variiert aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung der Baukörper von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Auch der Rhythmus der Träger changiert zwischen der Form eines X und der eines K – je nachdem, ob ein Gebäuderiegel gefährlich weit aus dem Mikadohaufen herausragt oder souverän auf einem anderen Riegel aufliegt. Für Komfort sorgt auch die Gestaltung des Fußbodens. Rund die Hälfte der insgesamt 27.470 Quadratmeter Nutzfläche des Gebäudes wurde mit textilen Bodenbelägen von Object Carpet ausgestattet, die den Büroräumen dank ihrer beigefarbenen Kolorierung einen warmen Charakter verleihen. Der Teppich der Qualität SL Madra vermag mithilfe der so genannten BlackThermo®filz-Technologie den störenden Trittschall um rund 30 Dezibel reduzieren und somit zu einem angenehmen akustischen Arbeitsklima beitragen.
Changierende Dachflächen
Die zahlreichen Dächer, die die Überlagerung der gläsernen Riegel erzeugen, bleiben nicht ungenutzt. Im dritten und fünften Stockwerk dienen sie als begehbare Terrassen, während die übrigen Dachflächen bepflanzt wurden. Herzog & de Meuron vertrauten hierbei dem Gespür der Düsseldorfer Pflanzenexpertin Tita Giese, die bereits den Büro- und Einkaufskomplex Fünf Höfe in München mit einem hängenden Garten ausgestattet hatte. Für die sonnigen Dachstellen des Actelion Business Centers setzte Giese auf Präriegras, das seine Färbung mit den Jahreszeiten deutlich verändert und hellgrüne bis dunkelrote Töne annimmt. Auf den übrigen Dächern kam ein spezielles Pflanzensubstrat zum Einsatz, mit dem das Wachstum eines flachen Teppichs aus Mauerpfeffer gefördert wird. In den Außenzonen des Eingangsbereichs wurden verschiedene Arten von Efeu und Schachtelhalmen verwendet, während Pflanzenteppiche aus Farnen, Efeu, niedrigen Palmen und Anthurien das Innere des Gebäudes mit seinen sechs Ober- und zwei Untergeschossen bespielen.
Auch in punkto Klimabilanz kann das Gebäude überzeugen: Eine Dreifachverglasung sorgt für eine wirkungsvolle Wärmedämmung der Fensterfronten, während Sonnenschutzlamellen im äußeren Zwischenraum der Fenster dem Stand der Sonne automatisch angepasst und ebenso von den Mitarbeitern manuell kontrolliert werden können. Indem die gläsernen Fassadenbänder nicht senkrecht verlaufen, sondern in den oberen Stockwerken nach unten und in den unteren Stockwerken nach oben geneigt sind, wird der Wärmeeintrag des Sonnenlichts spürbar reduziert. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach dient der zusätzlichen Energiegewinnung, während die massiven Betondecken thermisch aktiviert werden. Ergänzt werden die Büroräume von einem Auditorium für 120 Gäste, einem Restaurant für 230 Personen, einer Cafeteria sowie einem unterirdischen Parkraum für 150 Fahrzeuge.